Vor mehr als 35 Jahren wurde von D. Sodi-Pallares et al. erstmals die Infusion von Glukose-lnsulin-Kalium (GIK) als Therapie beim akuten Myokardinfarkt beschrieben (1). Die Autoren berichteten damals über günstigere EKG-Verläufe, geringere lnzidenz von Arrhythmien und bessere Prognose unter GIK-Therapie (s.a. AMB 1997, 31, 72a und 96). Nach anfänglicher Verbreitung dieser Behandlungsform ergaben spätere klinische und experimentelle Untersuchungen teilweise kontroverse Resultate. Mit Aufkommen der Thrombolysetherapie und der Thrombozytenaggregationshemmung als primäre Behandlungsansätze beim akuten Myokardinfarkt geriet die Gabe von GIK fast völlig in Vergessenheit. Erneutes Interesse für die GIK-Therapie wurde 1997 durch die günstigen Ergebnisse der DIGAMI-Studie (2) und durch die Publikation einer Metaanalyse geweckt (3). In die Metaanalyse wurden ausschließlich randomisierte Studien mit adäquater GIK-Dosierung und ausreichend frühem Therapiebeginn eingeschlossen. Sämtliche Studien stammten aus der Ära vor der Thrombolysebehandlung. Die Autoren kamen zu dem bemerkenswerten Ergebnis, daß die Letalität im Krankenhaus beim akuten Myokardinfarkt (Zusammenfassung von 9 Studien mit 1932 Patienten) um 28% und in den vier Untersuchungen mit höherer GIK-Dosierung sogar um 48% gesenkt wurde. In einem begleitenden Editorial von C.S. Apstein wurde angesichts der Ergebnisse dieser Metaanalyse die Durchführung weiterer klinischer Studien als dringlich angesehen (4). Zudem wurde vermutet, daß die nur zögerliche Forschung und Evaluation dieser Therapie auch durch das Desinteresse der Pharmaindustrie mitbedingt ist, denn teure Thrombolytika ermöglichen Gewinne, während es bei der kostengünstigen GIK-Therapie nur bescheidene kommerzielle Möglichkeiten gibt.
Die Ergebnisse einer kontrollierten, randomisierten Multicenterstudie zur GIK-Therapie wurden kürzlich von R. Diaz et al. aus Argentinien publiziert (5). Eingeschlossen wurden 407 Patienten mit infarkttypischen Symptomen und Beschwerden von weniger als 24 Stunden Dauer. Nach Randomisierung wurden die Patienten drei Behandlungsarmen zugewiesen. Patienten in der GIK-Hochdosis-Gruppe erhielten 25%ige Glukoselösung mit 50 E Insulin und 80 mmol KCI/I bei einer Infusionsgeschwindigkeit von 1,5 ml/kg KG/h über 24 Stunden. Die Niedrigdosis-Gruppe erhielt 10%ige Glukoselösung mit 20 E Insulin und 40 mmol KCI/I bei einer lnfusionsgeschwindigkeit von 1,0 ml/kg KG/h. Die Kontroll-Gruppe erhielt nur die Standardtherapie. Die mittleren infundierten Volumina betrugen in der Hochdosis-Gruppe 2,4 l/24 h und bei der niedrigeren Dosierung 1,8 l/24 h. Alle drei Gruppen waren in ihren Ausgangsdaten im wesentlichen gleich. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 59 Jahre; in 35% handelte es sich um Vorderwandinfarkte. Insgesamt erhielten 252 Patienten (61,9%) eine Reperfusionstherapie, davon 95% eine thrombolytische Behandlung und 5% eine PTCA. 83% der Patienten erhielten ausschließlich einen peripheren venösen Zugang; bei 17% der GIK-Patienten kam es hierunter zu einer Phlebitis, jedoch bei keinem zu einer schweren Komplikation. In den GIK-Gruppen wurden erwartungsgemäß höhere Serumwerte von Glukose und Kalium nach 24 Stunden gemessen. Glukose- oder Elektrolytentgleisungen wurden jedoch nicht häufiger beobachtet. Trotz der großen Infusionsvolumina in den GIK-Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Inzidenz von Lungenstauung; in den GIK-Gruppen manifestierte sich sogar tendenziell seltener eine Herzinsuffizienz.
Beim Hauptendpunkt „Tod im Krankenhaus“ ergab sich ein deutlicher Trend zugunsten der zusammengefaßten GIK-Behandlungsgruppen (6,5% versus 11,5% in der Kontroll-Gruppe) und beim kombinierten Endpunkt „Tod, Herzinsuffizienz und Kammerflimmern“ ein signifikanter Unterschied (11,9% vs. 20,5%) zugunsten der GIK-Therapie. In der Subpopulation mit thrombolytischer Behandlung war der Behandlungsvorteil der GIK-Therapie noch ausgeprägter mit signifikanter Senkung des Risikos für den Tod im Krankenhaus (5,2% vs. 15,2%), entsprechend einer relativen Risikoreduktion von 66%. Das durchschnittliche Zeitintervall zwischen Beschwerde- und Behandlungsbeginn war mit 10 bis 11 Stunden relativ lang; um so bemerkenswerter ist die ausgeprägte Risikosenkung in den GIK-Gruppen. Bei frühem Beginn der GIK-Therapie war der Vorteil noch deutlicher.
Zwischen den beiden GIK-Dosierungen ergab sich hinsichtlich der Letalität im Krankenhaus kein Unterschied. Tendenziell waren unter der höheren Dosierung kardiale Dekompensationen häufiger und maligne Arrhythmien seltener. Allerdings ist die Patientenzahl insgesamt für eine Dosis-/Wirkungs-Untersuchung nicht ausreichend. Nach einem Jahr Nachbeobachtung war der Vorteil der GIK-Therapie zurückgegangen mit einer nicht mehr signifikanten Senkung der Letalität um 19% bzw. 33% bei den Patienten mit thrombolytischer Therapie. Hier zeigte sich jedoch immer noch ein signifikanter Vorteil in der GIK-Hochdosis-Gruppe, was auf eine größere Effektivität dieser Dosierung hinweist.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die GIK-Therapie beim akuten Myokardinfarkt wirksam, sicher, leicht anzuwenden und kostengünstig ist. Unklar ist jedoch, ob und inwieweit die ausgeprägte relative Risikoreduktion bei den Patienten mit Thrombolyse-Behandlung durch die auffallend hohe „Krankenhausletalität“ in der Kontroll-Gruppe mitbedingt ist. Sie betrug nach Thrombolyse 15,2% und war damit deutlich höher als in vergleichbaren Studien und auch höher als bei den nicht thrombolytisch behandelten Kontrollpatienten. Dies könnte Folge einer Selektion der Patienten sein, da die Indikation zur Thrombolysetherapie nicht randomisiert war und möglicherweise kränkere Patienten häufiger in dieser Weise behandelt wurden. Sicherlich wäre bei einer insgesamt geringeren Letalität der relative Vorteil der GIK-Therapie nicht so ausgeprägt. Auch war aus ethischen Gründen das Mitführen einer Kontroll-Gruppe mit Plazebo-Infusionsbehandlung wegen der zu erwartenden nachteiligen Wirkungen nicht möglich. Die Autoren und C.S. Apstein in seinem Editorial (6) weisen daher darauf hin, daß zur genaueren Abschätzung der Wirksamkeit dieser Therapie eine Untersuchung mit größerer Patientenzahl notwendig ist. Diese wurde von den Autoren bereits initiiert.
Fazit: Es ist wohl immer noch keine klare Stellungnahme zur Wirksamkeit der Glukose-Kalium-Insulin-Infusion beim akuten Myokardinfarkt möglich. Immerhin wurde diese neue Studie aus Argentinien zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Circulation angenommen.
Literatur
1. Sodi-Pallares, D., et al.: Am. J. Cardiol. 1962, 9, 166.
2. Malmberg, K. for the DIGAMI (Diabetes mellitus, Insulin Glucose infusion in Acute Myocardial Infarction) study group: Brit. Med. J. 1997, 314, 1512.
3. Fath-Ourdoubadi, F.: Circulation 1997, 96, 1152.
4. Apstein, C.S.: Circulation 1997, 96, 1074.
5. Diaz, R., et al.: Circulation 1998, 98, 2227.
6. Apstein, C.S.: Circulation 1998, 98, 2223.