Ein kürzlich erschienener Übersichtsartikel beschäftigt sich mit neuen Ergebnissen zur Pathogenese der Medikamenten-induzierten Thrombozytopenie (1). Darüber hinaus werden ausgehend von einer 1998 publizierten kritischen Auswertung von 561 englischsprachigen Artikeln über insgesamt 774 Patienten mit Medikamenten-induzierter Thrombozytopenie die häufigsten Medikamente gelistet, für die nach Kausalitätsanalyse anhand standardisierter Kriterien ein sicherer oder wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Auftreten der Thrombozytopenie und Einnahme eines bestimmten Arzneimittels gesehen wurde (2).
Verantwortlich für die Medikamenten-induzierte Thrombozytopenie ist meistens ein verstärkter peripherer Abbau von Thrombozyten, der durch Medikamenten-abhängige Antikörper ausgelöst wird. Häufig kommt es zu einer reversiblen Bindung des Medikamentes an ein Glykoprotein (Gp) auf der Oberfläche von Thrombozyten (z.B. Gp Ib-IX oder Gp IIb-IIIa) und infolgedessen zu einer Konformationsänderung des Glykoproteins, das dann als Neoepitop die Bildung von Antikörpern auslöst. Alternativ kann das Arzneimittel nach Bindung an Thrombozyten auch selber als neues antigenes Epitop fungieren. Interessanterweise können Medikamenten-abhängige Antikörper nicht nur eine Spezifität für das verabreichte Medikament, sondern auch für dessen Metabolite haben.
Die unmittelbar nach erstmaliger Gabe neuer Antithrombotika, wie z.B. dem Gp-IIb-IIIa-Rezeptor-Antagonisten Abciximab (ReoPro), auftretende Thrombozytopenie wird vermutlich durch bereits zuvor gebildete, „natürlich vorkommende“ Antikörper ausgelöst. Veränderungen der Konformation des Gp-IIb-IIIa-Komplexes infolge Plättchenaktivierung oder Gabe von Gp-IIb-IIIa-Rezeptor-Antagonisten führen zur Exposition von Neoantigenen, an die diese Antikörper binden. Die Angaben zur Häufigkeit präexistierender, Abciximab-abhängiger Antikörper variieren zwischen 0,8% und 10% (1).
Die Tab. 1 ist einem Artikel im „Education Program Book“ der diesjährigen Tagung der American Society of Hematology (ASH) entnommen (3) und basiert auf Angaben der 1998 publizierten Analyse der Kasuistiken zur Medikamenten-induzierten Thrombozytopenie (2). Artikel zur Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT), der häufigsten medikamentös-induzierten Thrombozytopenie (vgl. AMB 1998, 32, 25; 1997, 31, 16; 1996, 30, 85), wurden für diese Auswertung nicht berücksichtigt. Weitere Angaben zu Thrombozytopenien auslösenden Medikamenten finden sich im Internet in einer Datei der Universität von Oklahoma, die jährlich aktualisiert wird (4).
Literatur
1. Rizvi, M.A., et al.: Curr. Opin. Hematol. 1999, 6, 349.
2. George, J.N., et al.: Ann. Intern. Med. 1998, 129, 886.
3. George, J.N., et al.: Hematology 1999. Schechtler, G.P., et al. (Hrsg.). American Society of Hematology, S. 371.
4. http://moon.ouhsc.edu/jgeorge