Die GUSTO-V-Studie (ursprünglich: Global Utilization of Streptokinase and Tissue Plasminogen Activator for Occluded Coronary Arteries) ist mit 16588 eingeschlossenen Patienten an 820 Studienzentren in 20 Ländern eine der größten jemals durchgeführten prospektiven Studien (Lancet 2001, 357, 1905). Die beiden Firmen Centocor und Eli Lilly haben enorme finanzielle und logistische Mittel aufgewendet, um ein neues Thrombolyse-Schema beim akuten Myokardinfarkt zu etablieren. Es wurde eine „Doppelbolus-Lyse“ (2 mal 10 I.E. Reteplase [Rapilysin] in 30-minütigem Abstand) mit einer „Kombinationslyse“, bestehend aus einem Thrombolytikum in halber Dosierung (2 mal 5 I.E. Reteplase-Bolus) und einem GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten (Abciximab [ReoPro]: 0,25 mg/kg Bolus und 0,125 µg/kg/Min. Infusion 12 h lang) verglichen.
Aus angiographischen Untersuchungen und aus Pilotstudien gab es Hinweise darauf, daß die gewählte „Kombinationslyse“ die verschlossenen Koronararterien schneller wiedereröffnet und daß dies zu einer Senkung der Letalität beim akuten Myokardinfarkt führen kann.
In GUSTO V wurden Patienten mit einem maximal 6 Stunden alten Myokardinfarkt eingeschlossen. Es galten die üblichen Ein- und Ausschlußkriterien. Als Komedikation waren Azetylsalizylsäure und Heparin vorgegeben, wobei die Heparin-Dosis in der Kombinations-Gruppe aus Sicherheitsgründen niedriger gewählt wurde. Nach der Randomisierung wurde die Studie als „Open-Label“ weitergeführt, d.h. nach Öffnung der Medikamenten-Packungen war klar, in welchem Behandlungs-Arm sich der Patient befand.
In der Thrombolyse-Gruppe befanden sich 8260, in der Kombinations-Gruppe 8328 Patienten. Die klinischen und demographischen Charakteristika waren gleich verteilt. Das mittlere Alter war mit 61 Jahren vergleichsweise niedrig (der Berliner Herzinfarkt-Patientinnen sind im Mittel 72, die Patienten 62 Jahre alt) und Frauen waren mit 25% unterrepräsentiert. Die mittlere Zeit vom Beginn der Symptome bis zum Beginn der Therapie betrug 3 Stunden.
Ergebnisse: Die 30-Tage-Letalität beider Therapiegruppen unterschied sich zu keinem Zeitpunkt. Mit 5,9% (Thrombolyse-Gruppe) und 5,6% (Kombinations-Gruppe) war die Letalität allerdings so niedrig wie in keiner großen Thrombolyse-Studie zuvor. Auch bei der Analyse von Subgruppen fand sich keine, die von dem einen oder anderen Regime mehr Nutzen hatte. Bemerkenswert ist (und schon aus den anderen Infarktstudien bekannt) die sehr hohe Sterblichkeit bei den Über-75-Jährigen (18%) und die doppelt so hohe Sterblichkeit von Frauen gegenüber Männern (9,8% vs. 4,5%).
Bei einigen sekundären Endpunkten fanden sich Vorteile zu Gunsten der Kombinationstherapie: z.B. weniger Reinfarkte (2,3% vs. 3,5%), selteneres Versagen der Thrombolyse-Therapie mit der Notwendigkeit einer Koronarangioplastie innerhalb von 6 Stunden („Rescue-PTCA“: 5,6% vs. 8,6%) oder seltenere PTCA wegen erneuter Brustschmerzen innerhalb von 7 Tagen (25,4% vs. 27,9%). Daher wurde der kombinierte Endpunkt im Kombinations-Arm statistisch signifikant seltener erreicht als im Thrombolyse-Arm (7,4% vs. 8,8%; RR = 0,83; p = 0,001). Diesen Vorteilen stehen aber auch einige Nachteile bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen gegenüber. In der Kombinationsgruppe traten häufiger schwerwiegende Blutungen mit der Notwendigkeit von Bluttransfusion (5,7% vs. 4%) und Thrombozytopenien unter 100000/nl (2,9% vs. 0,7%) auf. Weiterhin zeigte sich zwar insgesamt kein Unterschied bei der Häufigkeit von Hirnblutungen (0,9%) und ischämischen Schlaganfällen (1%), jedoch war bei den Über-75-Jährigen die Kombinationslyse diesbezüglich gefährlicher (2,1% vs. 1,1%). Die maximale aktivierte partielle Thromboplastinzeit betrug in der Reteplase-Gruppe 87,9 sec. und in der Kombinations-Gruppe 66 sec. (P < 0,001). Fazit: Die GUSTO-V-Studie hat die hohen Erwartungen, daß sich durch die Kombination des Thrombolytikums Reteplase mit dem GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten Abciximab die Prognose beim akuten Myokardinfarkt weiter verbessern läßt, nicht erfüllt. Die niedrige 30-Tage-Letalität in beiden Gruppen (unter 6%) ist aus heutiger Sicht wohl die unterste Grenze, die mit einer medikamentösen Reperfusionstherapie erreicht werden kann. Die bemerkenswert niedrige Letalität in GUSTO V ist sicherlich zum Teil auch in der Auswahl der Patienten begründet (niedriges Alter, geringer Anteil von Frauen).