Niedrig dosierte Kortikosteroide sind eine wirksame symptomatische, antiphlogistische Therapie bei akuten Schüben der Rheumatoiden Arthritis (s.a. AMB 1998, 32, 37a). Seit Jahrzehnten wird jedoch kontrovers diskutiert, ob Glukokortikoide zusätzlich in der Lage sind, den langfristigen Krankheitsverlauf im Sinne eines Basistherapeutikums zu beeinflussen. Unlängst konnte in Studien gezeigt werden, daß Glukokortikoide in Kombination mit einer konventionellen Basistherapie die radiologische Progression der Rheumatoiden Arthritis zusätzlich verzögern können und symptomatisch additiv wirksam sind. Allerdings gab es bislang keine Daten zur Wirksamkeit von Glukokortikoiden als Basis-Monotherapie. Bei der inzwischen gesicherten Wirksamkeit von Methotrexat und Sulfasalazin kann eine solche Fragestellung auch aus ethischen Gründen nicht mehr in prospektiven Studien untersucht werden.
In dieser Situation sind die kürzlich von einer Utrechter Arbeitsgruppe (van Everdingen, A.A., et al.: Ann. Intern. Med. 2002, 1361) publizierten Ergebnisse einer randomisierten und plazebokontrollierten Studie zu den krankheitsmodifizierenden Wirkungen niedrigdosierter Kortikosteroide bei frühen Stadien der Rheumatoiden Arthritis von großem Interesse. In diese Studie wurden von 1992 bis 1995 insgesamt 81 bis dato nicht mit Basistherapeutika vorbehandelte Patienten (62±12 Jahre) mit gesicherter aktiver Rheumatoider Arthritis und mit einer Krankheitsdauer von weniger als einem Jahr eingeschlossen. Nach Randomisierung wurden sie entweder mit 10 mg Prednisolon/d p.o. oder mit Plazebo behandelt. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) konnten zusätzlich je nach Bedarf eingenommen werden, und nach 6 Monaten durfte bei anhaltender Krankheitsaktivität die Medikation um Sulfasalazin erweitert werden. Während der zweijährigen Behandlung und Beobachtung wurden die klinischen Parameter alle 3 Monate, der röntgenologische Befund alle 6 Monate kontrolliert. Eine klinische Besserung wurde als eine mindestens 20%ige Besserung eines Punkte-Scores (Schwellung und Gelenksteifigkeit) sowie der Variablen Gelenkschmerz, Morgensteifigkeit, Griffstärke, allgemeines Wohlbefinden, ”Lebensqualität” und C-reaktives Protein definiert. Die röntgenologische Bewertung beinhaltete Aufnahmen der Hände und der Füße (mit Berechnung des sogenannten Sharp-Scores) sowie Aufnahmen der Lendenwirbelsäule zur Beurteilung der osteoporotischer Veränderungen.
Ergebnisse: In beiden Behandlungsarmen wurden 35 bzw. 36 Patienten komplett nachbeobachtet. In den ersten 6 Monaten zeigte sich ein leicht verbesserter klinischer Summenindex in der Prednisolon- gegenüber der Plazebo-Gruppe. Kein Unterschied fand sich jedoch für die klinischen Punkte-Scores nach 12 bzw. 24 Monaten mit Ausnahmen der Griffstärke (p < 0,01) und der Gelenksteifigkeit (p = 0,01). Unter Prednisolon waren schließlich 10 Patienten und unter Plazebo 9 Patienten klinisch relevant gebessert. Radiologisch hingegen fand sich nach 12 bzw. 24 Monaten eine deutlich geringere Zunahme von Destruktionen in der Prednisolon- versus der Plazebo-Gruppe. Die Zunahme des Sharp-Scores betrug nach 12 Monaten in der Prednisolon- bzw. Plazebo-Gruppe 8 vs. 13 Punkte und nach 24 Monaten 16 vs. 29 Punkte (p jeweils < 0,01). Paracetamol oder NSAID wurden in der Prednisolon-Gruppe zu etwa 50% weniger eingenommen.
Als unerwünschte Wirkungen (UAW) stieg unter Prednisolon das Körpergewicht signifikant um durchschnittlich 3 kg und der Serumglukosespiegel von im Mittel 92 mg/dl auf 106 mg/dl an. Einen Diabetes mellitus entwickelten 2 Patienten unter Prednisolon und ein Patient unter Plazebo. Darüber hinaus traten osteoporotische Wirbelsäulenfrakturen häufiger unter Prednisolon auf (5 vs. 2 in 2 Jahren). Andere UAW waren zwischen den Gruppen etwa gleich verteilt.
Die Autoren kommen zum Schluß, daß durch eine Prednisolon-Monotherapie im frühen Erkrankungsstadium eine klinische Besserung in den ersten 6 Monaten und eine langwirksame Verzögerung der röntgenologischen Krankheitsprogression zu erreichen ist. Vermutlich wird in den Studiendaten die klinische Wirksamkeit von Prednisolon durch die häufigere Einnahme von Paracetamol und NSAID in der Plazebo-Gruppe unterschätzt. Die Autoren vermuten, daß sich osteoporotische Frakturen durch die Gabe von Bisphosphonaten reduzieren ließen. In einem begleitenden Editorial weisen T. Pincus et al. (Ann. Intern. Med. 2002, 136, 76) auf die klinischen Implikationen dieser Studie hin: Niedrigdosiertes Prednisolon sollte als Langzeittherapie und weniger als Behandlung eines Krankheitsschubs oder als „Bridging“ bis zum Einsetzen der weiteren Basistherapie aufgefaßt werden. Zu bedenken ist auch, daß sich in den letzten Jahren unter den Bedingungen einer Kombinationstherapie mit Basistherapeutika eine deutlich niedrigere Tagesdosis von Prednisolon (3-5 mg) durchgesetzt hat. Weitere Studien und auch Registerdaten werden zeigen müssen, wie sich das langfristige Nutzen/Risiko-Verhältnis darstellt.
Fazit: Diese Studie zeigt, daß mit niedrig dosiertem Prednisolon, wenn es im frühen Krankheitsstadium bei Rheumatoider Arthritis eingesetzt wird, eine klinische Besserung in den ersten 6 Monaten und eine langwirksame Verzögerung der röntgenologisch faßbaren Zeichen der Krankheitsprogression zu erreichen ist.