Frage von Dr. F.H. aus München: >> Meines Wissens gibt es keinen Beleg, daß Nitroglycerin für das Überleben beim akuten Herzinfarkt einen Nutzen hat. Ferner wird bei der üblichen reflexartigen Anwendung bei thorakalen Schmerzen – auch vom Assistenzpersonal – die Frage nach Viagra® selten gestellt und sicher oft unrichtig beantwortet. Zudem muß meines Wissens die Aortenstenose ausgeschlossen werden. Ist daher auf „Nitro” im Notfall bei akutem Koronarsyndrom nicht besser zu verzichten? <<
Antwort: >> Sie haben recht; es gibt keine große randomisierte Studie, die zeigt, daß Nitroglycerin die Überlebenswahrscheinlichkeit beim akuten Koronarsyndrom erhöht. Trotzdem wird die Substanz sowohl in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-, Herz- und Kreislaufforschung (1, 2) als auch in der entsprechenden US-amerikanischen Leitlinie (3) mit dem Evidenzgrad C empfohlen, d.h., die Empfehlung stützt sich auf „Expertenmeinung oder geübten Therapiestandard”. Natürlich darf „Nitro” nicht reflexmäßig angewandt werden. Die Indikationen, die von Ihnen erwähnten Kontraindikationen und die möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind zu beachten. Wenn das nicht möglich ist, darf „Nitro” nicht angewandt werden. Auch ist der Nutzen in der Differenzialdiagnose geringer als man denkt (4-6). Trotzdem wird man, wenn Kontraindikationen fehlen, in bestimmten Fällen nicht darauf verzichten, z.B. bei klinisch deutlichem Verdacht auf Angina pectoris und gleichzeitigem hohen Blutdruck. <<
Literatur
- Dietz, R., und Rauch, R.: Z. Kardiol 2003. 92, 501.
- Hamm, C.W.: Z. Kardiol. 2004, 93, 72.
- Braunwald, E., et al.: ACC/AHA Guidelines Unstable Angina: Circulation 2000, 102, 1193.
- Henrikson, C.A., et al.: Ann. Intern. Med. 2003, 139, 979.
- Gibbons, R.J.: Ann. Intern. Med. 2003, 139, 1036.
- AMB 2004, 38, 13.