Ärztekongresse sind schon lange von Werbung und Schleichwerbung durchwuchert, so dass man von einer systemischen Krankheit sprechen muss. Nun hat die Pharmaindustrie die Ärzte selbst zu Werbeträgern gemacht. Sie hängen sich ihre Namensschilder um den Hals wie die „Kids” ihre Schlüssel, und die langen Bänder sind mit Firmen- und Produktnamen bedruckt. Gestandene Praxisinhaber, Oberärzte, Klinikleiter laufen wie Profisportler zu Tausenden widerspruchslos Reklame für irgendeine Firma. Das war z.B. so beim Deutschen Krebskongress und beim Chirurgenkongress im Berliner ICC, das man erst nach einem Zwangs-Slalom durch die mit Firmenständen vollen Messehallen erreichen konnte. Und es war auch so auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung in Mannheim. Dort konnte man immerhin wählen zwischen dem Reklameband und dem hergebrachten Namensschildchen am Revers. Aber von hundert Teilnehmern griff höchstens einer zur Anstecknadel – und ließ sich das reißfeste Band als Hundeleine mitgeben. Keine ideale Lösung für die Industrie, einen Hund, stellvertretend für Herrchen oder Frauchen, Reklame laufen zu lassen.
Die Sache ist symbolisch: Im medizinisch-industriellen Komplex legt die Industrie der Medizin Halsband und Leine an. Deshalb sollte man nur noch mit einer Sicherheitsnadel zum Kongress gehen und sich das Namensschild selbst anstecken. Vielleicht wird diese Nadel zum Erkennungszeichen – als Unabhängigkeitsnadel.