Die Ätiologie der granulomatösen, ANCA-assoziierten Vaskulitis (Wegenersche Granulomatose) und der mikroskopischen Polyangiitis sind nach wie vor weitgehend ungeklärt (s. 1). Der häufige Befall des Respirationstrakts sowie Infekte, die der Manifestation einer Vaskulitis häufig vorausgehen, sprechen für eine pathogenetische Rolle von Atemwegsinfekten. Auch ein genetischer Hintergrund (2, 3) sowie Umweltfaktoren (Silikatexposition bzw. ein erhöhtes Risiko für Personen in der Landwirtschaft) wurden vermutet (4, 5). Für eine pathogenetische Bedeutung der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (ANCA) sprechen zahlreiche In-vitro- und In-vivo-Befunde sowie Tiermodelle. ANCA sind bei über 95% der Patienten mit systemischer granulomatöser ANCA-assoziierter Vaskulitis und bei bis zu 90% der Patienten mit mikroskopischer Polyangiitis nachweisbar. Dies hat zu folgender komplizierter pathogenetischer Hypothese geführt (überwiegend 6; s. Abb. 1). Der initiale Schritt, die Bildung der Autoantikörper, könnte durch eine Immunreaktion gegen ein Antisense-Peptid des ANCA-Antigens oder durch eine „molekulare Mimikry” hervorgerufen sein (7): Ruhende polymorphkernige neutrophile Granulozyten werden durch Zytokine (TNF-α, IL-1, IL-6 u.a.) stimuliert, die im Rahmen eines Infekts freigesetzt werden (sog. Priming). Infolge dieser Stimulation kommt es zur Translokation der zunächst intragranulär gelegenen Zielantigene der ANCA (Proteinase 3 = PR3 bzw. Myeloperoxidase = MPO) auf die Zellmembran. Gleichzeitig exprimieren sowohl Leukozyten als auch Endothelzellen vermehrt Adhäsionsmoleküle (u.a. ICAM-1, VCAM-1, ELAM-1, CD18). Granuloyzten können dadurch an die Endothelzellen anhaften. Die Bindung der ANCA an ihre Zielantigene aktiviert die Granulozyten und führt zur Degranulation mit Freisetzung freier Sauerstoffradikale (ROS) und Proteasen (z.B. MPO, PR3 oder Elastase), was zu toxischen Läsionen an den Endothelzellen und auch an der Basalmembran, d.h. zu einer Vaskulitis führt. Demgegenüber sind bei granulomatöser ANCA-assoziierter Vaskulitis T-Helferzellen, Monozyten und B-Zellen an der Granulombildung beteiligt (s. Abb. 1).
Dieses pathogenetische Modell zeigt mögliche Angriffspunkte für neuere Therapieformen auf, wie Antikörper gegen TNF alpha, CD18 und gegen Adhäsionsmoleküle. Mycophenolatmofetil (MMF) und Leflunomid bzw. Deoxyspergualin (DSG; Gusperimus) greifen in den Metabolismus und die Proliferation der B- und T-Zellen ein und beeinflussen so die Bildung von Granulomen und ANCA. So führt z.B. MMF zur Blockade der De-novo-Biosynthese von Purin, einem Stoffwechselschritt, auf den proliferierende T- und vor allem B-Lymphozyten mehr als andere Zellen angewiesen sind. Dadurch werden sowohl zytotoxische T-Lymphozyten als auch die durch B-Lymphozyten vermittelte Antikörperproduktion inhibiert. Außerdem reduziert MMF die Affinität von Adhäsionsmolekülen. Leflunomid wirkt durch eine selektive, reversible Blockade des Schlüsselenzyms der De-novo-Pyrimidin-Synthese, der mitochondrialen Dihydroorotat-Dehydrogenase. Auf dessen Funktion sind aktivierte Lymphozyten in wesentlich höherem Maße als andere Körperzellen angewiesen. Die Zellen werden in der G1-Phase des Zellzyklus arretiert, wobei autoreaktive Lymphozyten besonders betroffen zu sein scheinen. Deoxyspergualin inhibiert in einer frühen Entwicklungsstufe die Differenzierung der B- und zytotoxischen T-Zellen. Monoklonale anti-CD20-Antikörper führen zu einer sehr effektiven B-Zell-Depletion, da sie an CD20 binden und u.a. Apoptose der B-Zellen zur Folge haben.
Für Infliximab (Remicade®), MMF (CellCept®), Leflunomid (Arava®), Deoxyspergualin und Rituximab (MabThera®) liegen positive Ergebnisse bei allerdings meist kleinen Gruppen von Patienten mit Vaskulitis vor (8-13). Oft wurden therapierefraktäre Patienten oder solche mit Kontraindikationen behandelt. Etanercept (Enbrel®) hatte in einer randomisierten Studie keinen Erfolg und als UAW solide Tumoren (14). Größere kontrollierte randomisierte Studien zur Remissionserhaltung bzw. Remissionsinduktion mit MMF und Rituximab haben begonnen. Bei positiven Resultaten könnten diese Medikamente zu neuen Strategien führen. Bislang wird zur Remissionsinduktion bei systemischer ANCA-assoziierter Vaskulitis eine Kombination von Cyclophosphamid plus Prednisolon angewandt. Bei der lokalisierten Form (Beteiligung nur im Respirationstrakt – granulomatöse Manifestation) wird statt Cyclophosphamid auch Methotrexat verwendet (genauere Darstellung siehe 15, 16). Zur Remissionserhaltung ist Azathioprin der Standard (17).
Die langfristigen UAW der neuen Medikamente sind noch nicht bekannt. Die Kosten sind wesentlich höher als die bisherige Therapie. Wird z.B. ein Patient nach Versagen der Standardtherapie mit einem Zyklus Rituximab behandelt, so kostet dies ca. 10 000 EUR. Demgegenüber kostet die dreitätige Gabe von Methylprednisolon und eine für sechs Monate höhere Prednisolon-Dosis weniger als 200 EUR, eine gleichzeitige Steigerung der Cyclophosphamid-Dosis ca. 150 EUR (die letzten beiden Optionen wurden früher häufig durchgeführt, sind aber mit erheblichen UAW behaftet und keineswegs zufrieden stellend hinsichtlich des Therapieerfolgs). Der Wert der neuen Medikamente muss sich in neuen vergleichenden Studien zeigen.
Literatur
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- Borgmann, S., und Haubitz, M.: Clin. Exp. Rheumatol. 2004, 22 Suppl 36, 79.
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- Jayne, D., et al. (EUVAS = EUropean VASculitis study): N. Engl. J. Med. 2003, 349, 36. Link zur Quelle
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- Abkürzungen: ANCA = antineutrophile zytoplasmatische Antikörper; DSG = Deoxyspergualin, Gusperimus; ELAM-1 = endothelial-leukocyte adhesion molecule-1; Fcγ = Fc gamma Receptor; ICAM-1 = intercellular adhesion molecule-1; IL = Interleukin; MHC II = Major Histocompatibility Complex II, Haupthistokompatibilitätskomplex II; MMF = Mycophenolatmofetil; MPO = Myeloperoxidase; PMN = polymorphkernige Granulozyten; PR3 = Proteinase 3; ROS = freie Sauerstoffradikale; TCR = T-Zell-Rezeptor; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor alpha; VCAM-1 = vascular cell adhesion molecule-1