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Eine Eigenbeteiligung bei den Medikamentenkosten vermindert die Einnahmedisziplin

Die Zuverlässigkeit einer Medikamenteneinnahme (Compliance, besser: Adherence = Adhärenz) ist oft erschreckend gering und relativiert viele Studienergebnisse bzw. Therapieempfehlungen. Viele Ärzte und Gesundheitspolitiker glauben, dass die Einnahmedisziplin steigt, wenn Patienten ihre Medikamente zumindest teilweise selbst bezahlen müssen. Andererseits gibt es berechtigte Bedenken, dass bei einer Zuzahlungspflicht die ökonomisch schwachen Patientengruppen ihre Medikamente nicht mehr abholen, weil sie sie nicht mehr bezahlen können.

S. Schneeweiss et al. aus Kanada untersuchten in einem „population based natural experiment” die Adhärenz zu einer Statinverschreibung bei über 51.000 älteren Patienten unter verschiedenen Zuzahlungsmodalitäten (1). Hierzu wurden Patienten > 65 Jahre aus British Columbia mit einer Neuverschreibung eines Statins identifiziert und hinsichtlich ihrer Therapietreue über einen Zeitraum von 15 Monaten untersucht. Weil die Zuzahlungspolitik im kanadischen Gesundheitssystem zwischen 2001 und 2003 zweimal geändert wurde, konnten diese Patienten zeitlich in drei konsekutive Kohorten eingeteilt werden. In der Baseline-Kohorte (n = 12.545) waren Patienten, die das Statin vor 2002 verschrieben bekamen als noch keine Zuzahlungspflicht für Medikamente bestand. In der Copayment-Kohorte (n = 13.186) befanden sich Patienten, die ab Januar 2002 fix 10 bzw. 25 Can-$ zuzahlen mussten, und in der Coinsurance-Kohorte (n = 15.130) waren Patienten, die ab Mai 2003 einen variablen Zuzahlungsbetrag entrichten mussten, der an das jährliche Einkommen gekoppelt war (25-100%-Anteil, im Mittel 41,8 Can-$).

In der Baseline-Kohorte (ab Januar 2000) lösten nach sechs Monaten 73,2% der Patienten ihre Rezepte ein und nach 15 Monaten nur noch 55,8% bei einem relativ kontinuierlichen monatlichen Rückgang um etwa 6%. Diese Zahl deckt sich sehr gut mit der Literatur und spiegelt die Diskrepanz zwischen Studienwelt und „real world” wider.

In der Copayment-Gruppe war die Adhärenz nach sechs Monaten, zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Regelung, mit der Baseline-Gruppe gleich (74,5%). Innerhalb von drei Monaten nach Einführung der Zuzahlungsregelung drifteten die Adhärenz-Kurven auseinander mit einer deutlicheren Abnahme zum 15-Monats-Zeitpunkt (50,5% vs. 55,8%).

Bei den Patienten in der Coinsurance-Gruppe, die mit der Zuzahlungsregelung begonnen hatten, kam es in den ersten sechs Monaten zu einem stärkeren Rückgang der Adhärenz als in den beiden anderen Kohorten. Sie betrug nach sechs Monaten nur 72% (vs. 74,5%) und fiel nach der Änderung der Zuzahlungsregelung weiter linear, so dass nach 15 Monaten etwa der gleiche Wert wie in der Copayment-Kohorte erreicht wurde (50,8%). Die Einführung der Zuzahlungsregelung (Copayment oder Coinsurance) hatte also einen leicht negativen Einfluss auf das insgesamt schon schlechte Adhärenzverhalten der Patienten.

Nach einer logistischen Regressionsanalyse wurde das Ausmaß der Zuzahlung als unabhängiger Risikofaktor für das Beenden einer Statintherapie durch die Patienten berechnet: 10-$-Zuzahlung: OR 1,44, 25-$-Zuzahlung: OR 1,61, 25%-Coinsurance: OR 1,31, 100%-Coinsurance: OR 1,94. Die Adhärenz war auch vom jährlichen Einkommen abhängig, denn arme Patienten lösten ihre Rezepte seltener ein als wohlhabendere (Jahreseinkommen 16.000-22.000 Can-$: OR 1,11; Jahreseinkommen < 16.000 Can-$: OR 1,45).

Günstig auf die Einnahmedisziplin wirkten sich u.a. ein höheres Lebensalter (> 81 Jahre: OR 0,76), viele Komorbiditäten (Charlson Comorbidity Index = 5: OR 0,47) und häufige Arztbesuche (OR 0,92) aus.

Fazit: 15 Monate nach Verordnung eines Statins lösen nur noch 55% der Patienten das Rezept ein, wenn sie nicht zuzahlen müssen. Eine finanzielle Eigenbeteiligung erhöht die Therapietreue nicht. Wenn Patienten beim Medikamentenkauf zuzahlen müssen (Copayment, Coinsurance), sinkt die Therapietreue weiter (50%). Risikofaktoren für eine schlechte Medikamenten-Adhärenz sind ein geringes Einkommen und ein hoher Zuzahlungsbetrag.

Literatur

  1. Schneeweiss, S., et al.: Circulation 2007, 115 , 2128. Link zur Quelle