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Thiazid-Diuretika bei Hypertonie: Hypokaliämie und verminderte Glukosetoleranz

Thiazide sind aus unserer Sicht unverzichtbare Antihypertensiva. Wie von uns berichtet, hat das US-amerikanische National Institute of Health (NIH) kürzlich von sich aus die Ärzte in den USA aufgefordert, häufiger Thiazide als primäre Therapie und zur Kombinations-Therapie der arteriellen Hypertonie bei älteren Patienten einzusetzen (1). Diese Empfehlung basiert unter anderem auf den Ergebnissen der von uns besprochenen ALLHAT-Studie (2), in der sich eine primäre bzw. Kombinationstherapie mit Chlorthalidon bei Hypertonikern über knapp fünf Jahre hinsichtlich Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse eher als etwas günstiger erwies als eine ebensolche Therapie mit dem Kalziumantagonisten (KA) Amlodipin oder dem ACE-Hemmer (ACEH) Lisinopril. Jedoch war am Ende der Studie die Inzidenz eines neu entstandenen Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) oder eines leicht erhöhten Blutzuckers unter Thiazid-Therapie etwas höher als unter KA oder ACEH. Das unter Thiaziden gegenüber anderen Antihypertensiva leicht erhöhte Risiko, eine Hyperglykämie zu entwickeln, führt langfristig wahrscheinlich nicht zu erhöhter Morbidität und Letalität durch diabetesspezifische Komplikationen. Das geht aus einer Post-hoc-Analyse der ALLHAT-Daten hervor, die im November 2006 veröffentlicht wurde (5). In allen Therapiegruppen stieg der Nüchtern-Blutzucker-Wert im Verlauf der Beobachtung an, am deutlichsten unter Chlorthalidon und Amlodipin, ohne dass das Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte entsprechend höher war. Daraus folgern die Autoren: „Es gibt keine Evidenz, dass die durch Diuretika induzierte Erhöhung des Blutzuckers das Risiko für klinische Ereignisse steigert.”

Kürzlich veröffentlichten Elliot und Meyer aus Chicago (3) eine komplizierte Netzwerk-Metaanalyse, mit der sie das Risiko der Entwicklung einer Hyperglykämie oder eines DM2 (Kriterien hierfür unterschiedlich) in 22 großen Langzeitstudien zur antihypertensiven Therapie mit verschiedenen Vergleichssubstanzen, zum Teil mit Plazebo, ermittelten. In die Studien waren ca. 143000 Patienten ohne initialen DM eingeschlossen worden. Die Analyse ergab beim Vergleich der Diuretika mit anderen Antihypertensiva bzw. Plazebo die Werte, die in Tab. 1 wiedergegeben sind. Das heißt, die Hyperglykämie- oder DM-Inzidenz war unter Thiaziden signifikant höher als unter Plazebo und den anderen Antihypertensiva, außer Betablockern. Diese Reihenfolge ist nicht überraschend und ließ sich bereits aus der Synopse verschiedener Einzelstudien vermuten. Um das höhere relative Risiko einer neuen Hyperglykämie unter Diuretika in die richtige Perspektive zu setzen, sollten die absoluten Risiken betrachtet werden. In der ALLHAT-Studie (2) war beispielsweise die Prävalenz einer Hyperglykämie (Nüchtern-BZ > 126 mg/dl) vor Behandlungsbeginn ca. 29%. Sie stieg nach vier Jahren unter Diuretika um 3,8%-Punkte, unter Amlodipin um 1,3%-Punkte und fiel unter Lisinopril um 0,7%-Punkte ab. Bei Patienten mit einem initialen Nüchtern-Blutzucker < 126 mg/dl war in der gleichen Reihenfolge nach vier Jahren die Inzidenz eines Blutzuckers > 126 mg/dl: 9,6% bzw. 7,4% bzw. 5,8%.

Elliot und Meyer (3) erwähnen als mögliche Mechanismen, die die unterschiedliche Inzidenz neuer Hyperglykämien bei Hypertonietherapie mit verschiedenen Medikamentengruppen bedingen könnte, Effekte auf das Kininsystem, das sympathische Nervensystem und die Insulinsekretion und -wirkung. Hinsichtlich Diuretika wird seit langem vermutet, dass die höhere Inzidenz von Hypokaliämien unter der Behandlung mit Thiaziden zu einer Hemmung der Insulinsekretion führt.

Hierzu liegt jetzt eine aufschlussreiche Metaanalyse von Zillich et al. aus den USA (4) vor. Zunächst referieren die Autoren die experimentelle Evidenz für eine Hemmung der Insulinsekretion durch Hypokaliämie. Sodann analysieren sie 59 klinische Studien, in denen Hypertoniker mit Thiaziden behandelt wurden und in denen die prä- und posttherapeutischen Konzentrationen des Serum-Kaliums und des Blutzuckers mitgeteilt wurden. Es ergab sich eine hochsignifikante Korrelation zwischen dem mittleren Abfall des Serum-Kaliums und dem mittleren Anstieg des Blutzuckers. Da der Abfall des Serum-Kaliums ein negatives Vorzeichen hat, ist der Korrelationskoeffizient – 0,54 (CI: – 0,67 bis – 0,36; p < 0,01). Das Ergebnis wird gestützt durch den Vergleich von Studien bzw. Studienarmen mit oder ohne Kalium-Supplementierung. Mit bzw. ohne Kalium-Supplementierung war der Abfall des Serum-Kaliums 0,23 bzw. 0,37 mmol/l und der Anstieg des Blutzuckers 3,26 bzw. 6,01 mg/dl.

Zu der Frage, ob sich die etwas höhere Inzidenz von Hyperglykämien bei Langzeit-Therapie der Hypertonie mit Diuretika vermeiden lässt, gibt es noch keine prospektiven Studien. Schon jetzt kann aber folgende Praxis empfohlen werden: Bei beabsichtigter Monotherapie der Hypertonie mit Thiaziden (12,5-25 mg/d) sollte eine kaliumreiche Kost, ein Kalium-Präparat bzw. zusätzlich Amilorid oder Triamteren verordnet werden. Die kombinierten Diuretika-Präparate sind etwas teurer als Thiazide allein. Das gleiche gilt für die Kombination eines Thiazids mit Betablockern oder KA. Bei Kombination von Thiaziden mit ACEH, Sartanen oder Spironolacton ist in der Regel nicht mit einer Hypokaliämie zu rechnen, da diese Kombinationspartner per se einen geringen Anstieg des Serum-Kaliums bedingen.

Fazit: Bei Langzeittherapie der Hypertonie mit einem Thiazid-Diuretikum allein oder einer Kombination, die als Diuretikum ein Thiazid allein enthält, ist die Inzidenz neuer Hyperglykämien bzw. eines Diabetes mellitus Typ 2 etwas erhöht. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist dies durch einen Abfall der Serum-Kalium-Konzentration und eine dadurch bedingte Hemmung der Insulinsekretion verursacht. Bei Kombination des Thiazids mit einem antikaliuretischen Diuretikum oder durch Kombination mit anderen antikaliuretischen Antihypertensiva (ACEH, Sartane, Spironolacton) kann das Hyperglykämierisiko wahrscheinlich minimiert werden.

Literatur

  1. AMB 2006, 40, 28b. Link zur Quelle
  2. ALLHAT (= Antihypertensive and Lipid-Lowering treatment to prevent Heart Attack Trial): JAMA 2002, 288, 2981 Link zur Quelle ; s. AMB 2003, 37, 12. Link zur Quelle
  3. Elliott, W.J., und Meyer, P.M.: Lancet 2007, 369 , 201. Link zur Quelle
  4. Zillich, A.J., et al.: Hypertension 2006, 48, 219 . Link zur Quelle
  5. Barzilay, J.I., et al. (ALLHAT = Antihypertensive and Lipid-Lowering treatment to prevent Heart Attack Trial): Arch. Intern. Med. 2006, 166, 2191 . Link zur Quelle

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