1999 haben wir über mehrere Studien berichtet, die sich mit der optimalen Dauer der Antikoagulation bei einer primären Thromboembolie beschäftigten (1). Nach wie vor gibt es keine einheitliche Meinung. Oft muss der Nutzen einer länger dauernden Therapie (Vermeiden eines Rezidivs) gegenüber möglichen Risiken (Blutungskomplikationen) beim einzelnen Patienten abgewogen werden.
Im Oktober 2006 wurde im N. Engl. J. Med die PROLONG-Studie veröffentlicht (2). In dieser prospektiven, multizentrischen, nicht geblindeten Studie wurde untersucht, ob erhöhte D-Dimer-Titer, gemessen einen Monat nach Ende der Antikoagulanzientherapie wegen einer idiopathischen Thromboembolie, als Entscheidungskriterium für die Fortsetzung dieser Therapie verwertbar sind.
Es wurden 608 Patienten eingeschlossen, bei denen erstmalig eine tiefe Beinvenenthrombose ohne ersichtliche Risikokonstellation, eine Lungenembolie oder beides diagnostiziert und anschließend mindestens drei Monate lang mit einem Vitamin-K-Antagonisten behandelt worden waren. Einen Monat nach Abschluss der initialen Antikoagulation wurde bei allen Patienten der D-Dimer-Titer gemessen. Patienten mit erhöhtem D-Dimer-Titer (36,7% der eingeschlossenen Patienten) wurden in zwei Gruppen randomisiert: Gruppe 1 wurde erneut mit einem Vitamin-K-Antagonisten behandelt (Ziel-INR 2,0-3,0). Bei Gruppe 2 wurde die Antikoagulation nicht wieder begonnen (ebenso bei den Patienten mit normalen D-Dimer-Titern). Der Nachbeobachtungszeitraum betrug 18 Monate. Primärer Studienendpunkt war das Auftreten eines thromboembolischen Rezidivs oder einer schweren Blutung (definiert als retroperitoneale oder intrazerebrale Hämorrhagie, ein Hb-Abfall von 2,0 g/dl, Transfusion von zwei Blutkonserven oder notwendigen invasiven Maßnahmen zur Blutstillung).
Ergebnisse: Thromboembolische Rezidive waren bei Patienten mit erhöhten D-Dimer-Titern, die nicht antikoaguliert wurden, signifikant häufiger als bei Patienten, die erneut antikoaguliert wurden (15% vs. 2,9%; p = 0,02), und auch häufiger als bei Patienten mit normalen D-Dimer-Titern, die nicht erneut antikoaguliert wurden (15% vs. 6,2%; p = 0,02). Bei den erneut antikoagulierten 103 Patienten trat während der Nachbeobachtungsphase von 18 Monaten eine schwere Blutungskomplikation ein.
Eine statistische Aussage über die Wahrscheinlichkeit einer Blutung unter Antikoagulation kann nicht gemacht werden. Dazu reicht die Patientenzahl der Studie nicht aus. Die wichtige klinische Frage, ob im Verlauf das Vermeiden eines Thrombose-Rezidivs eine weitere orale Antikoagulation mit der Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen rechtfertigt, beantwortet die Studie daher nicht. Dies muss im Gespräch mit den Patienten entschieden werden. Immerhin sind 30% der Thromboembolien Lungenembolien, die es sicher lohnt zu vermeiden.
Fazit: Die PROLONG-Studie zeigt, dass Patienten, die auf Grund eines thromboembolischen Erstereignisses ohne bekannte Risikokonstellation mindestens drei Monate lang mit einem Vitamin-K-Antagonisten antikoaguliert werden und einen Monat nach Beendigung dieser Antikoagulation erhöhte D-Dimer-Titer haben, von einer weiteren Antikoagulation statistisch signifikant profitieren. Das kombinierte Risiko für ein Thromboembolie-Rezidiv plus Blutungskomplikationen unter Antikoagulation lag deutlich niedriger, als bei Patienten, die bei erhöhtem D-Dimer-Titer keine weitere Antikoagulation erhielten.
Literatur
- AMB 1999, 33, 54a. Link zur Quelle
- Palareti, G., et al. (PROLONG): N. Engl. J. Med. 2006, 355, 1780 . Link zur Quelle