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Leserbrief: Antihypertensive Wirksamkeit der verschiedenen Diuretika [CME]

Frage von Dr. S. aus W.: >> Gibt es Unterschiede in der antihypertensiven Wirkung bei den verschiedenen Diuretika (Schleifendiuretika, Thiazide, Chlortalidon)? <<

Antwort: >> Diuretika zählen zu den Antihypertensiva der ersten Wahl bei der Behandlung der primären arteriellen Hypertonie bei Erwachsenen. Die Wahl des ersten Medikaments richtet sich in erster Linie nach den Komorbiditäten [1] und dem „Phänotyp“ der Betroffenen (Ethnie, Alter u.a.). Ein Cochrane Review zum Mittel der ersten Wahl bei primärer Hypertonie [2] kam 2018 zu dem Ergebnis, dass eine Evidenz mit hoher Qualität besteht, dass niedrig dosierte Thiazide in der Erstlinientherapie im Vergleich zu keiner Behandlung die Sterblichkeit (Relatives Risiko = RR: 0,89; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,82-0,97), kardiovaskuläre Ereignisse (RR: 0,70; CI: 0,64-0,76) und Schlaganfälle (RR: 0,68; CI: 0,60-0,77) reduzieren. Die Erstlinientherapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Kalziumantagonisten könnte nach dieser Analyse ähnlich wirksam sein wie niedrig dosierte Thiazide, jedoch wurde die Qualität dieser Evidenz hierfür von den Autoren als geringer bewertet. Betablocker und hochdosierte Thiazide sind unterlegen.

Thiazid-Diuretika und ihre Analoga werden in allen Hypertonie-Leitlinien bevorzugt empfohlen. Leitsubstanz ist hierzulande Hydrochlorothiazid (HCT), welches überwiegend als Kombinationspartner eingesetzt wird (Präparate mit Co-, -Plus oder -HCT im Namen). In Nordamerika dominiert dagegen Chlortalidon (CT); es wurde auch in Studien deutlich häufiger untersucht. Ein systematisches Review mit Netzwerk-Metaanalyse kam im Jahr 2012 zu dem Ergebnis, dass CT das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu HCT um 21% reduziert [3]. Deshalb und wegen des Verdachts eines erhöhten Risikos für nicht-melanozytären Hautkrebs bei Langzeitanwendung (vgl. [4]) nimmt die Verordnung von HCT in den letzten Jahren kontinuierlich ab und die von CT und dem Thiazid-Analogon Indapamid zu [5].

Zu den Thiazid-Analoga zählt auch Xipamid. Während HCT und CT bei einer Kreatinin-Clearance < 30 ml/min als diuretisch fast wirkungslos anzusehen sind, wirkt Xipamid auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz noch diuretisch. Wichtig zu wissen ist auch noch, dass CT mit ca. 50 Stunden die längste Halbwertszeit hat und daher bei arterieller Hypertonie nur alle zwei Tage eingenommen werden kann (vgl. [4]).

Thiazid-Diuretika hemmen die Natriumrückresorption in den distalen Tubuli. Dies führt zu einer vermehrten Natriurese mit initialem Volumenverlust. Da der diuretische Effekt nicht sehr ausgeprägt ist, werden Thiazide und ihre Analoga zu den „low-ceiling“-Diuretika gezählt. Neben der diuretischen Wirkung haben sie auch einen peripher vasodilatierenden Effekt. Dieser tritt schon in geringen Dosen auf und ist für die langfristige Blutdrucksenkung verantwortlich. Der maximale blutdrucksenkende Effekt wird oft erst nach 2 Wochen erreicht.

Das Ausmaß der blutdrucksenkenden Wirkung von Thiaziden und ihren Analoga liegt nach einem Cochrane Review bei 6-11 mm Hg systolisch [6]. In der ALLHAT-Studie führte CT mit einer mittleren Tagesdosis von 18,8 mg zu einer Senkung des systolischen Blutdrucks um 10 mm Hg [7]. Bei CT besteht hinsichtlich der Blutdrucksenkung keine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung, d.h. zur Behandlung der arteriellen Hypertonie sind 12,5 mg/d (bzw. 25 mg alle zwei Tage) ausreichend. Dagegen führen steigende HCT-Dosen zu einer zunehmenden Blutdrucksenkung: mit 12,5 mg/d um 6 mm Hg, mit 25 mg/d um 8 mm Hg und mit 50 mg/d um 11 mm Hg (6). Höhere Dosen als die genannten nützen nicht mehr, begünstigen aber die bekannten Nebenwirkungen wie Hypovolämie, Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, selten Hyperkalziämie) sowie metabolische Komplikationen (Hyperurikämie, Hyperlipidämie). Das gilt insbesondere für das lang wirkende CT.

Schleifendiuretika wie Furosemid, Torasemid, Bumetanid, Piretanid, Azosemid oder Etacrynsäure sind teilweise als Antihypertensivum zugelassen, sind jedoch nach einem Systematischen Review der Cochrane Gruppe aus dem Jahr 2015 antihypertensiv weniger wirksam als niedrig dosierte Thiazide [8]. Demnach beträgt die mittlere Senkung des systolischen RR durch Schleifendiuretika 8 mm Hg. Die Autoren vermuten jedoch, dass der bludrucksenkende Effekt überschätzt wird, und sie stufen die Qualität der Evidenz aufgrund eines hohen Verzerrungspotenzials als niedrig ein. Sie fanden keine bedeutsamen Wirkungsunterschiede zwischen den in den Studien untersuchten Schleifendiuretika. Aufgrund der kurzen Dauer der Studien und einer unzureichenden Berichterstattung von Nebenwirkungen in vielen Studien konnte keine Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen.

Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (Spironolacton, Eplerenon) sind nicht für die Behandlung der arteriellen Hypertonie zugelassen. Spironolacton wird aber („off label“) bei therapierefraktärer Hypertonie eingesetzt und in den Leitlinien empfohlen, also bei weiterhin zu hohem Blutdruck trotz einer medikamentösen Dreifach-Therapie (1). In dieser Situation führt die Zugabe von 25-50 mg/d Spironolacton oft zu einer deutlichen Blutdrucksenkung, besonders wenn die Reninkonzentration oder -aktivität niedrig ist (vgl. [9]). Im Rahmen des ASCOT-Trials wurden Patienten mit RR-Werten > 157/85 mm Hg trotz Einnahme dreier Antihypertensiva zusätzlich mit im Mittel 25 mg/d Spironolacton behandelt. Auf diese Weise konnte eine zusätzliche mittlere Blutdrucksenkung von 22/10 mm Hg erzielt werden [10]. Spironolacton hat außer der erwünschten Blockade des Mineralokortikoid-Rezeptors (wichtigste Nebenwirkung: Hyperkaliämie) auch antiandrogene und progestagene Eigenschaften. Diese können bei höherer und längerer Dosierung bei prämenopausalen Frauen zu Regelstörungen und bei Männern jeden Alters zu Potenzstörungen und zur Mastodynie/Gynäkomastie führen. Bei postmenopausalen Frauen entfallen diese Nebenwirkungen des „unreinen“ Aldosteron-Antagonisten Spironolacton weitgehend, sodass bei ihnen das Nutzen-Risiko-Profil günstiger ist [9]. <<

Literatur

  1. Unger, T., et al.: Hypertension 2020, 75, 1334. (Link zur Quelle)
  2. Wright, J.M., et al.: Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, 4, CD001841. (Link zur Quelle)
  3. Roush, G.C., et al.: Hypertension 2012, 59, 1110. (Link zur Quelle)
  4. AMB 2020, 54, 19. (Link zur Quelle)
  5. Oßwald, H., und Mühlbauer, B.: Diuretika. In: Ludwig, W.-D., Mühlbauer, B., Seifert, R.: Arzneiverordnungs-Report 2021, Springer-Verlag Berlin, 2021. S. 443.
  6. Musini, V.M., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2014, Issue 5, CD003824. (Link zur Quelle)
  7. Cushman, W.C., et al. (ALLHAT = Antihypertensive and Lipid‐Lowering treatment to prevent Heart Attack Trial): J. Clin. Hypertens. (Greenwich) 2008, 10, 751. (Link zur Quelle)
  8. Musini, V.M., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2015, Issue 5, CD003825. (Link zur Quelle)
  9. AMB 2009, 43, 38. (Link zur Quelle)
  10. Chapman, N., et al. (ASCOT-BPLA = Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial-Blood Pressure Lowering Arm): Hypertension 2007, 49, 839. (Link zur Quelle)