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Genetische Tests identifizieren Risikopatienten für Statin-induzierte Myopathie

Eine Statin-induzierte Myopathie ist eine seltene (Inzidenz: 1/10000/Jahr bei Standard-Dosis), aber potenziell lebensbedrohliche unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW). Der genaue Pathomechanismus ist ungeklärt. Die Schäden treten dosisabhängig auf und können durch die Komedikation verstärkt werden (synergistische Schädigung oder Hemmung des Statin-Metabolismus). Die Myopathie kann klinisch recht blande verlaufen (incipient myopathy). Typischerweise klagen die Patienten aber über Muskelschmerzen und allgemeine Schwäche. Die Kreatinkinase (CK) ist erhöht. Bei schweren Formen kann es zur Rhabdomyolyse mit akutem Nierenversagen und Tod kommen.

Als Risikofaktoren für eine Statin-induzierte Myopathie gelten bestimmte genetische Varianten, z.B. des Zytochroms CYP P450 Subtyp 3A4, welches am Metabolismus von Simvastatin beteiligt ist. Daneben werden Varianten bestimmter Transportproteine, die an der Verteilung des Statins mitwirken, sowie von Coenzm Q10 diskutiert. Durch die große Zahl möglicher Kandidatengene und Single-nucleotide Polymorphismen (SNP) sowie der unterschiedlichen Substanzen und Dosierungen in den publizierten Fallberichten konnten die vermuteten Zusammenhänge aber bislang nicht eindeutig geklärt werden.

Mit Hilfe der großen Population der SEARCH-Studie (1) besteht nun aber die Chance, erstmals einen solchen Nachweis statistisch abgesichert zu führen. In dieser noch laufenden Studie wurden 12 064 Patienten nach Myokardinfarkt zur Sekundärprophylaxe u.a. entweder mit der Standard-Dosis Simvastatin (20 mg/d) oder mit sehr hoher Dosis (80 mg/d) behandelt.

Ergebnisse: Während der mittlerweile 6-jährigen Beobachtungszeit sind in der Hochdosis-Gruppe (n = 6 031) 98 gesicherte Fälle von Statin-induzierter Myopathie aufgetreten, davon über die Hälfte im ersten Behandlungsjahr. In der Vergleichsgruppe mit 20 mg/d wurden bislang nur acht Fälle beobachtet. Bei allen erkannten Patienten endete die UAW mit einer restitutio ad integrum. Die Myopathie war stark mit der gleichzeitigen Einnahme von Amiodaron assoziiert (12/98; Relatives Risiko 10; vgl. 2). Bei 49 von den 98 Patienten der Simvastatin-Hochdosis-Gruppe war die Myopathie symptomatisch mit CK-Erhöhungen über dem 10-fachen Normalwert und 49 hatten eine „incipient myopathy” mit mindestens 3-facher Erhöhung der CK.

Mit dem Blut von 85 dieser Patienten wurde nun eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt. Das Blut der Myopathiepatienten wurde gentechnisch aufgearbeitet und ihre DNA mittels Genchips analysiert (300 000 Marker). Jedem Patienten wurde eine nach Geschlecht, Alter, glomerulärer Filtrationsrate und Amiodaron-Medikation gematchte Person aus der Hochdosis-Gruppe zugeordnet (Kontrollen). Ziel war es, Genvarianten mit einem erhöhten Risiko für eine Statin-Myopathie zu finden. Die genomweite Suche ergab eine starke Assoziation mit dem rs4363657 SNP des SLCO1B1-Gens auf Chromosom 12 (p = 4 x10-9). Die Odds Ratio für Heterozygote (CT-Variante) betrug 4,4 und für Homozygote (CC-Variante) 17,4. Das SLCO1B1-Gen kodiert ein Transportprotein (Anionen-Transport Polypeptid OATP1B1), das die Aufnahme aller Statine in die Leber reguliert. Die Patienten mit der verdächtigen Genvariante nehmen weniger Statin in die Leber auf. Dadurch ist einerseits der Effekt auf das LDL geringer, andererseits der Effekt auf die Muskulatur größer und toxischer. Da alle Statine über dieses Transportprotein aufgenommen werden, dürfte es sich um einen Klasseneffekt handeln.

Fazit: Das Risiko für eine Statin-induzierte Myopathie steigt mit der Dosis und mit bestimmter Komedikation (Amiodaron, Ciclosporin, Makrolide, Fibrate). Darüber hinaus sind manche Patienten durch ihr Genom besonders gefährdet: Bei bestimmten genetischen Varianten des Transportproteins OATP1B1, das Statine in die Leber einschleust, ist einerseits die Cholesterin-senkende Wirkung geringer. Andererseits sind diese Patienten besonders anfällig für toxische Statin-Wirkungen in der Muskulatur. Gentests können wahrscheinlich helfen, die Therapie mit Statinen effektiver und sicherer zu machen.

Literatur

  1. SEARCH (Study of the Effectiveness of Additional Reductions in Cholesterol and Homocysteine): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 789. Link zur Quelle
  2. AMB 2008, 42, 92a. Link zur Quelle