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Vorschläge zur Planung und Durchführung randomisierter kontrollierter Studien am Beispiel Onkologie

Es besteht weiterhin ein großer Bedarf an echten Innovationen, um die Ergebnisse medikamentöser Therapiestrategien in der Onkologie mit kurativer, meistens jedoch palliativer Zielsetzung nachhaltig zu verbessern. Angesichts der demographischen Entwicklung und des rasanten Anstiegs der Kosten für neue Arzneimittel in der Onkologie werden Fragen wie Zusatznutzen gegenüber dem bisherigen Standard, pharmakoökonomische Bewertung neuer Wirkstoffe, Qualität von Zulassungsstudien und Bestätigung des Nutzens in unabhängigen, versorgungsrelevanten klinischen Studien nach Zulassung verstärkt diskutiert (1). Vor diesem Hintergrund sind kritische Analysen der Qualität randomisierter kontrollierter Studien (RCT) in der klinischen Onkologie von großer Bedeutung. Mitglieder der National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group haben RCT, die zwischen 1975 und 2004 in sechs führenden medizinischen Fachzeitschriften publiziert wurden, hinsichtlich Design, Sponsorschaft und Ergebnissen der Studien ausgewertet (2). Ausgewählt wurden anhand klar definierter Kriterien 321 Artikel mit insgesamt 171 161 Patienten, die wegen Mammakarzinom, kolorektalen Karzinomen oder nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom eine systemische Chemotherapie erhielten. Die Ergebnisse wurden getrennt für die Dekaden 1975-1984, 1985-1994 und 1995-2004 ausgewertet. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Analyse möchten wir im Folgenden kurz zusammenfassen. Von 1975 bis 2004 ist ein deutlicher Anstieg an multizentrischen und internationalen RCT in der klinischen Onkologie zu verzeichnen, wobei der Prozentsatz der in Europa initiierten Studien in diesem Zeitraum von 36% auf 60% zunahm. Während zwischen 1975 und 1984 die RCT im Median ein Patientenkollektiv von nur 100 Patienten umfassten, stieg diese Zahl im Zeitraum 1995-2004 auf 446 Patienten/Studie an. Primäre Endpunkte wurden in 7% der zwischen 1975 und 1984, in 29% der zwischen 1985 und 1994 und in 67% der zwischen 1995 und 2004 durchgeführten RCT angegeben. Die Ansprechrate wurde in dem genannten Zeitraum zunehmend durch sogenannte „time-to-event”-Endpunkte (z.B. Zeit bis zum Progress der Erkrankung, Zeit bis zum Therapieversagen) ersetzt. Vorzeitig beendet wurden etwa 10% der RCT. Leider hat der Prozentsatz an vorzeitig abgebrochenen RCT in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen, so dass die Wirksamkeit neuer medikamentöser Therapien und deren Risiken nicht sicher beurteilt werden können (3). Intention-to-treat (ITT)-Analysen wurden in 87% der ausgewerteten RCT durchgeführt, wobei allerdings fast die Hälfte der Studien nur auswertbare und nicht in den jeweiligen Studienarm eingeschlossene Patienten in den ITT-Analysen berücksichtigten. Erwartungsgemäß zeigte die Analyse, dass die Studien zunehmend von industriellen Sponsoren unterstützt wurden (1975-1984: 4% vs. 1995-2004: 57%) und gleichzeitig die Finanzierung durch öffentliche Gelder abnahm (1975-1984: 60% vs. 1995-2004: 31%). In dem ausgewerteten Zeitraum fand sich ein deutlicher Anstieg der RCT mit signifikantem p-Wert für den primären Endpunkt (1975-1984: 23% vs. 1995-2004: 42%). Der Anteil der Autoren, die den experimentellen Arm der RCT in ihren Schlussfolgerungen eindeutig bevorzugten, war signifikant größer in den von pharmazeutischen Herstellern gesponserten RCT. Gleichzeitig fand sich ein Trend zu einem häufigeren signifikanten p-Wert in den von den Herstellern finanziell unterstützten im Vergleich zu nicht-kommerziellen RCT.

Die wesentlichen Ergebnisse dieser Auswertung werden in einem sehr lesenswerten Editorial von einem der Autoren der Studie, Christopher M. Booth, kommentiert und Empfehlungen für das Design künftiger RCT in der Onkologie ausgesprochen (4). Trotz einiger erfreulicher Qualitätsverbesserungen in der Planung, Durchführung und Auswertung von RCT in der klinischen Onkologie (z.B. größere Patientenkollektive, Angabe klinisch relevanter Endpunkte, ITT-Auswertung) bestehen weiterhin erhebliche Defizite (keine Angabe primärer Endpunkte in fast einem Drittel der Studien, unzureichende Berücksichtigung aller randomisierter Patienten in den ITT-Analysen, vorzeitiger Abbruch der RCT), die deren Aussagekraft für die Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien und für eine gerechte Allokation neuer, häufig sehr kostenintensiver Wirkstoffe stark einschränken. Eine weitere wichtige Beobachtung in dieser Auswertung – ein zehnfacher Anstieg der von der pharmazeutischen Industrie gesponserten RCT zwischen 1975 und 2004 sowie eine deutliche Assoziation zwischen Bevorzugung des experimentellen Arms und Sponsoring durch pharmazeutische Hersteller – entspricht den Ergebnissen systematischer Übersichtsarbeiten aus anderen medizinischen Fachdisziplinen, z.B. Psychiatrie, Kardiologie (5, 6). Anstelle eines Fazits haben wir in Tab. 1 die wesentlichen Anforderungen an bessere Planung, Durchführung, Auswertung und Publikation klinischer Studien in der Onkologie zusammengefasst (4). Eine wichtige Forderung, die Reduktion von „publication and sponsorship biases”, wird langfristig nur durch eine deutliche Zunahme öffentlicher Mittel (7) und unabhängig von der Industrie durchgeführter, versorgungsrelevanter klinischer Studien in der Onkologie zu realisieren sein (8).

Literatur

  1. McCabe, C., et al.: Ann. Oncol. 2009, 20, 403. Link zur Quelle
  2. Booth, C.M., et al.: J. Clin. Oncol. 2008, 26, 5458. Link zur Quelle
  3. Trotta, F., et al.: Ann. Oncol. 2008, 19, 1347. Link zur Quelle
  4. Booth, C.M., und Tannock, I.: J. Clin. Oncol. 2008, 26, 6. Link zur Quelle
  5. Bekelman, J.E., et al.: JAMA 2003, 289, 454. Link zur Quelle
  6. Lexchin, J., et al.: BMJ 2003, 326, 1167. Link zur Quelle
  7. Eckhouse, S., und Sullivan, R.: PloS Medicine 2006, 3, e267. Link zur Quelle
  8. Löffler, M., und Brosteanu, O.: Onkologie 2008, 14, 1252.

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