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Kein Nutzen von Statinen bei Sepsis – eher schädlich für Niere und Leber

Trotz der Fortschritte in der supportiven Behandlung des „Acute Respiratory Distress Syndrome“ (ARDS) ist die Letalität besonders hoch bei Patienten mit gleichzeitiger Sepsis (1). Dabei führen Entzündungsreaktionen zu ausgedehnten zellulären Schäden in der Lunge und in anderen Organen. Wirkstoffe, die diese Entzündungsreaktionen abschwächen, könnten theoretisch bei Sepsis allgemein und speziell beim ARDS klinisch zur Verbesserung beitragen (2). Inhibitoren der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Koenzym-A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer), wie z.B. die Statine, werden zur Behandlung der Hypercholesterinämie eingesetzt (vgl. neue US-Leitlinien; 3), haben aber auch antientzündliche Wirkungen. Im experimentellen Modell des ARDS bei der Maus haben sie positive Effekte gezeigt (Übersicht bei 4). Auch in einigen größeren Beobachtungsstudien, einer kleinen randomisierten Studie und in einer Metaanalyse wurden günstige Wirkungen von Statinen bei schweren lebensbedrohlichen Entzündungen einschließlich Sepsis gezeigt (5-8). Nun wurde in einer großen multizentrischen, prospektiven, doppelblinden, randomisierten, plazebokontrollierten Studie der Effekt von Rosuvastatin (20 mg/d) bei Sepsis mit ARDS untersucht (9). Rosuvastatin wurde gewählt, weil es weniger als andere Statine mit anderen Arzneistoffen interagiert (10). Die Studie wurde vom US-amerikanischen National Heart, Lung, and Blood Institute Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) Clinical Trials Network durchgeführt und zusätzlich von AstraZeneca gesponsert.

Der primäre Endpunkt war die Letalität vor Entlassung nach Hause bzw. vor Tag 60, falls der Patient noch in stationärer Behandlung war. Sekundäre Endpunkte waren Tage ohne Beatmung und Tage ohne Organversagen (Niere, Leber). An der Studie nahmen 44 Krankenhäuser in den USA teil. In die Studie wurden Patienten mit Sepsis und ARDS eingeschlossen. Alle Patienten waren zum Zeitpunkt des Eintritts in die Studie maschinell beatmet. Patienten mit Hinweisen auf einen erhöhten Druck im linken Vorhof wurden von der Studie ausgeschlossen. Es gab noch weitere Ausschlusskriterien, z.B. ARDS länger als 48 Stunden, chronische Grunderkrankungen, durch die die Letalität unabhängig von der Sepsis hätte beeinflusst werden können, Werte von Serum-Kreatinin und Transaminasen bei Einschluss höher als das Fünffache des oberen Normalwerts. Die Studie war sehr gut durchdacht, Störgrößen auszuschalten. Alle Patienten wurden – abgesehen von der Prüfsubstanz – nach den geltenden Leitlinien behandelt. Die Gruppen waren hinsichtlich der demographischen und physiologischen Variablen etwa gleich.

Die Studie wurde nach Auswertung von 745 Patienten wegen Unwirksamkeit der Prüfsubstanz Rosuvastatin im Hinblick auf die Endpunkte beendet. Bei der Letalität im Krankenhaus (60 Tage) gab es keinen Unterschied in beiden Gruppen (28,5% in der Rosuvastatin- vs. 24,9% in der Plazebo-Gruppe; p = 0,21). Die mediane Zeit ohne mechanische Beatmung war in beiden Gruppen auch nicht unterschiedlich (15,1 ± 10,8 Tage mit Rosuvastatin und 15,1 ± 11,0 Tage mit Plazebo; p = 0,96). Die Rosuvastatin-Therapie war mit einer längeren Dauer des Nierenversagens (11,0 ± 4,7 Tage vs. 10,1 ± 5,3 Tage; p = 0,01) und mit längerem Leberversagen assoziiert (11,8 ± 4,3 Tage vs. 10,8 ± 5,0 Tage; p = 0,003).

Der mediane Rosuvastatin-Spitzenspiegel lag bei 7,3 ng/ml, wobei die für eine antientzündliche Wirkung notwendige Serumkonzentration nicht bekannt ist. Die Dosierung lag im mittleren Bereich der von der FDA zugelassenen Dosierung (5-40 mg/d). Diese negativen Ergebnisse passen zu einer kürzlich publizierten Metaanalyse von fünf Studien mit 650 Patienten mit Sepsis. Auch in ihnen konnte weder mit Simvastatin noch mit Atorvastatin die Letalität gesenkt werden (11).

Fazit: Statine können bei Patienten mit Sepsis und ARDS offenbar nicht die Letalität senken. In dieser Studie ergaben sich sogar Hinweise auf Toxizität im Hinblick auf die Funktion von Niere und Leber. Bei Sepsis sollte eine Behandlung mit einem Statin nicht begonnen oder weitergeführt werden.

Literatur

  1. Rubenfeld, G.D., et al.: N. Engl.J. Med. 2005, 353, 1685. Link zur Quelle
  2. AMB 2014, 48,01. Link zur Quelle
  3. Raghavendran, K., etal.: Curr. Med. Chem. 2008, 15,1911. Link zur Quelle
  4. Almog, Y.: Chest 2003,124, 740. Link zur Quelle
  5. Liappis, A.P., et al.:Clin. Infect. Dis. 2001, 33,1352. Link zur Quelle
  6. Almog, Y.: Circulation2004, 110, 880. Link zur Quelle
  7. Falagas, M.E., et al.: J.Antimicrob. Chemother. 2008, 61,774. Link zur Quelle
  8. Tleyjeh, I.M., et al.: Arch.Intern. Med. 2009, 169,1658 Link zur Quelle . Erratum:Arch. Intern. Med. 2010, 170, 42.
  9. The National Heart,Lung, and Blood Institute ARDS Clinical Trials Network: N. Engl. J. Med. 2014,ahead of print: Link zur Quelle
  10. Shitara, Y., et al.:Pharmacol. Ther. 2006, 112, 71. Link zur Quelle
  11. Pasin, L., et al.: PloSOne 2013, 8, e82775. Link zur Quelle