Zusammenfassung: Die Kombination des lang wirkenden Beta-2-Agonisten (LABA) Indacaterol mit dem lang wirkenden Anticholinergikum (LAMA) Glycopyrronium (Ultibro® Breezhaler®, Xoterna® Breezhaler®) ist eine weitere Therapieoption in der Behandlung der COPD. Diese teuren Inhalatoren kommen in Frage, wenn sich die Symptome mit den Einzelwirkstoffen nicht zufriedenstellend bessern lassen. Die Fixkombination bessert die Lungenfunktion signifikant, aber nur gering. Die Auswirkungen auf das subjektive Befinden sind sehr begrenzt und wahrscheinlich nicht relevant (1-3). Die Häufigkeit von Exazerbationen wird kaum beeinflusst. In der Werbung wird die einmal tägliche Anwendung dieser Inhalatoren für die Therapietreue (Adhärenz) der Patienten sowie der schnelle Wirkungseintritt als vorteilhaft herausgestellt.
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Die Inzidenz liegt in Europa bei der erwachsenen Bevölkerung bei 4-10%. Es gibt Schätzungen, wonach die COPD im Jahr 2020 weltweit die dritthäufigste Todesursache sein wird (6). Dabei wird die COPD nach der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) als eine häufig vermeidbare Erkrankung eingestuft (7).
Je nach Art und Ausmaß der Erkrankung und lokaler Verfügbarkeit wurden Arzneimittel nach den Empfehlungen von GOLD in einem Stufenschema (Stufen I-IV) eingesetzt. Wir haben vor fünf Jahren den damaligen Stand des Wissens eingehend dargelegt und in einer Übersichtstabelle zusammengefasst (8). Die GOLD-Empfehlungen sind seit Anfang des Jahres neu gefasst (7). Eine Klassifikation in vier Schweregrade bleibt zwar erhalten, und auch die Therapieempfehlungen sind nicht entscheidend verändert worden. Jedoch steht bei der neuen Klassifikation das forcierte exspiratorische Volumen (FEV1) nicht mehr im Mittelpunkt. Jetzt werden die Patienten nach klinischen Symptomen und dem Risiko für Exazerbationen vier Schweregraden zugeordnet (A bis D; vgl. Tab. 1), denn Häufigkeit von Exazerbationen sowie Komorbiditäten korrelieren besser mit der Prognose als Lungenfunktionstests. Entsprechend ist das vorrangige Behandlungsziel, Exazerbationen zu verringern und die progrediente Verschlechterung des Gesundheitszustands aufzuhalten (7, 9). Die Behandlung mit Arzneimitteln soll die Symptome der COPD lindern, Häufigkeit und Ausmaß von Exazerbationen reduzieren sowie den allgemeinen Gesundheitszustand und die Belastungsfähigkeit verbessern (7). Die strukturellen Veränderungen der Lunge sind allerdings nicht reversibel.
Bisher gab es nur fixe Kombinationen kurzwirkender Bronchodilatatoren (Fenoterol/Ipratropium, Salbutamol/Ipratropium). Im September 2013 wurde EU-weit auch eine Kombination zweier langwirkender Bronchodilatatoren, Indacaterol plus Glycopyrronium, als Pulverinhalator (Ultibro® Breezhaler®; Xoterna® Breezhaler®) zugelassen und zwar für die bronchialerweiternde Erhaltungstherapie zur Symptomlinderung bei erwachsenen Patienten mit COPD (11, 12). Die Kapseln enthalten 110 µg Indacaterol plus 50 µg Glycopyrronium. Die Anwendung besteht in der einmal täglichen Inhalation des Kapselinhalts mit einem speziellen Inhalator. Solche Kombinationen langwirksamer Sympathikomimetika (LABA) mit langwirksamen Anticholinergika (LAMA) sind als „alternative Therapie“ für die Patientengruppen B und C im GOLD-Schema angegeben (s. Tab. 1).
Indacaterol (vgl. 13) und Glycopyrronium (vgl. 14) sind keine neuen Wirkstoffe. Indacaterol ist seit 2009 in einer Dosierung von 150 und 300 µg zur Inhalation als Onbrez® Breezhaler® zugelassen. Indacaterol erweitert die Bronchien stärker als Formoterol und Salmeterol und ähnlich stark wie Tiotropium. Glycopyrronium wurde bisher in der Anästhesie eingesetzt als iv. Antidot für nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien. 2012 wurde Glycopyrronium in einer Dosierung von 50 µg als Seebri® Breezhaler® zur inhalativen Therapie bei COPD zugelassen.
Die Kombination Indacaterol plus Glycopyrronium wurde u.a. in drei Phase-III-Studien mit insgesamt 4.891 Patienten untersucht. Der pharmazeutische Unternehmer Novartis hat sie finanziert und im Rahmen seines IGNITE-Programms (15) ebenfalls mit Namen belegt, die wohl Be- oder Erleuchtung suggerieren sollen: SHINE, ILLUMINATE, SPARK (1-3).
Die Patienten von SHINE und ILLUMINATE litten an mittelschwerer bis schwerer COPD, die Patienten von SPARK an schwerer bis sehr schwerer COPD, jeweils klassifiziert nach dem FEV1 (GOLD 2009; vgl. 8). Primäre Studienendpunkte waren die Auswirkungen auf die Lungenfunktion (FEV1), auf Symptome wie Kurzatmigkeit (nach Transitional dyspnea index = TDI), die gesundheitsbezogene Lebensqualität (gemessen mit dem St. George Respiratory Questionnaire), Alltagsaktivitäten, COPD-Exazerbationen, Bedarf an Notfallmedikamenten und die Belastungstoleranz.
Die SHINE-Studie (1) war randomisiert, doppelblind, plazebo- und aktiv kontrolliert: Untersucht wurde die Wirksamkeit von Ultibro® hinsichtlich der Lungenfunktion im Vergleich zu seinen beiden Einzelkomponenten Indacaterol (150 µg einmal täglich) und Glycopyrronium (50 µg, einmal täglich) sowie versus Plazebo und offen gegen Tiotropium (18 µg, einmal täglich) über 26 Wochen. Die Studienteilnehmer (n = 2144) litten an mittelschwerer bis schwerer COPD (postbronchodilatatorisch gemessene FEV1 > 30% und < 80% vom Soll; FEV1/VC < 70%) und wurden in die genannten fünf Gruppen aufgeteilt (2:2:2:1:2). Primärer Studienendpunkt war die Besserung der Lungenfunktion. Die Studie ergab, dass Ultibro® Breezhaler® signifikant wirksamer war als Plazebo und das FEV1 um durchschnittlich 200 ml mehr erhöhte. Im Vergleich zu Indacaterol erhöhte Ultibro® das FEV1 um 70 ml bzw. um 90 ml im Vergleich zu Glycopyrronium (beides signifikant). Auch fand sich gegenüber Plazebo eine signifikante Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Verringerung der Atemnot.
ILLUMINATE (2) verglich randomisiert, doppelblind, „double-dummy“-kontrolliert Ultibro® mit einer Kombination aus dem langwirkenden Beta-2-Sympathikomimetikum Salmeterol und dem Glukokortikoid Fluticason (50/500 µg, zweimal täglich). Primärer Studienendpunkt war auch hier die nach 26 Wochen gemessene Veränderung des FEV1. Teilnehmer waren 523 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD, die vor Studienbeginn mindestens ein Jahr lang ohne Exazerbationen gewesen sein mussten (postbronchodilatatorisch gemessene FEV1 > 40% bzw. < 80% vom Soll; FEV1/VC < 70%). Der Anstieg des FEV1 war bei Behandlung mit Utibro® Breezhaler um 140 ml signifikant höher als bei Behandlung mit Fluticason und Salmeterol. Unter Ultibro® wurde zudem auch eine geringere Dyspnoe nach TDI gemessen, und der Bedarf an Notfallmedikamenten verringerte sich um 0,39 Züge/d (CI: -0,71 bis -0,06; p = 0,019). Die COPD verschlechterte sich in beiden Armen etwa gleich häufig (Ultibro® 17,1% vs. 23,5% bei der Vergleichstherapie). Exazerbationen (kein primärer Studienendpunkt) waren nicht unterschiedlich.
In der SPARK-Studie (3) wurde Ultibro® getestet bei 2224 Patienten mit schwerer bzw. sehr schwerer COPD (postbronchodilatatorisch gemessene FEV1 < 50% vom Soll; FEV1/VC < 70%), die im Jahr zuvor eine oder mehrere Exazerbationen gehabt hatten. Die Patienten erhielten doppelblind in drei Gruppen über 64 Wochen entweder randomisiert Ultibro® oder Glycopyrronium 50 µg oder nicht verblindet Tiotropium 18 µg (1:1:1). Der primäre Studienendpunkt war die Häufigkeit von mäßigen bis schweren Exazerbationen während der Behandlung. Es zeigte sich, dass Ultibro® dem Glycopyrronium etwas überlegen war und die Häufigkeit von Exazerbationen um 12% senkte: 0,84 (CI: 0,75-0,94) vs. 0,95 (CI: 0,85-1,06); RR: 0,88; CI: 0,77-0,99; p = 0,038). Nebenwirkungen, die auch Exazerbationen einschlossen, waren sehr häufig (93% mit Ultibro®, 94% mit Glycopyrronium und 93% mit Tiotropium). Eine Verschlechterung der COPD fand sich bei 15% der Patienten mit Ultibro®, 16% mit Glycopyrronium und 12% mit Tiotropium.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Mai 2014 in seiner frühen Nutzenbewertung für Ultibro® Breezhaler®/Xoterna® Breezhaler® bei Patienten mit COPD Stufe II nur einen „Anhaltspunkt“ und bei solchen in Stufen III mit höchstens einer Exazerbation pro Jahr einen „Hinweis“ für einen geringen Zusatznutzen gefunden. Für die Stufen III und IV mit zwei oder mehr Exazerbationen pro Jahr ist ein Zusatznutzen nach Beschluss des G-BA nicht belegt (4; vgl. auch 5).
Bei der Anwendung inhalativer Arzneimittel werden immer wieder gravierende Fehler gemacht. In einer Studie wendeten bis zu 94% der Patienten die Pulverinhalatoren nicht adäquat an – mit verheerenden klinischen Folgen (10). Daher ist es wichtig, die Anwendung der Inhalatoren mit den Patienten intensiv zu üben. Sie müssen in der Lage sein, Einatmung und manuelle Bedienung der Inhalatoren zu koordinieren und z.B. genau darüber unterrichtet sein, wie ein Kapsel/Pulver-Inhalator zu laden und zu bedienen ist. Bedenkt man den hohen Preis der Inhalatoren, hat die korrekte Anwendung neben klinischen auch ökonomische Aspekte.
Literatur
- Bateman, E.D., et al. (SHINE): Eur. Respir. J. 2013, 42, 1484.Link zur Quelle
- Vogelmeier, C.F., et al. (ILLUMINATE): Lancet Respir. Med. 2013, 1,51. Link zur Quelle Erratum: Lancet Respir. Med.2013, 1, 101.
- Wedzicha, J.A., et al. (SPARK): Lancet Respir. Med. 2013, 1,199. Link zur Quelle
- https://www.g-ba.de/… Link zur Quelle
- https://www.iqwig.de/ de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/ geringer_zusatznutzen_fur_indacaterol/ glycopyrronium_bei_copd.5877.html Link zur Quelle
- www.european-lung-foundation.org Link zur Quelle
- www.goldcopd.org Link zur Quelle
- AMB 2009, 43, 33. Link zur Quelle
- Vogelmeier, C.F., etal.: Link zur Quelle
- Lavorini, F., et al.: Respir. Med. 2008, 102,593. Link zur Quelle
- http://www.ema.europa.eu/docs/ de_DE/document_library/ EPAR_-_Product_Information/ human/002679/WC500151255.pdf Link zur Quelle
- http://www.ema.europa.eu/ docs/de_DE/document_library/ EPAR_-_Product_Information/ human/003755/WC500151411.pdf Link zur Quelle
- http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv/Indacaterol.pdfLink zur Quelle
- http://akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv/Glycopyrronium.pdfLink zur Quelle
- http://www.novartis.com/newsroom/media-releases/en/2013/1727858.shtml Link zur Quelle