Frage von Dr. B.K. aus I.: >> Kann Artischockenextrakt zur Senkung des Cholesterinspiegels unbedenklich eingesetzt werden? Welche Kontraindikationen bzw. Wechselwirkungen gibt es neben Gallenwegserkrankungen und Phenprocoumon-Therapie? Gibt es Nebenwirkungen? Gibt es Studien mit ausreichenden Fallzahlen, die die Wirksamkeit belegen? Kann man das Cholesterin mit Artischockenextrakt tatsächlich um 40 mg/dl senken? <<
Antwort: >> Trockenextrakte aus Artischockenblättern (TAB) werden als Nahrungsergänzungsmittel in kaum überschaubarer Zahl meist zur Förderung der Verdauung aber auch zur Senkung des Serumcholesterins angeboten. Als Arzneimittel sind mehrere Präparate gegen „dyspeptische Beschwerden“ zugelassen, besonders gegen „funktionelle Störungen der ableitenden Gallenwege“. Kontraindikationen sind Überempfindlichkeit gegen Artischocken und Verschluss der Gallenwege. Es gibt Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ, wobei deren Wirksamkeit abgeschwächt werden kann. Als Nebenwirkungen werden genannt: sehr selten leichte Durchfälle sowie Oberbauchbeschwerden, Übelkeit und Sodbrennen sowie auch allergische Reaktionen mit Exanthem (1).
Zur Senkung des Serumcholesterins durch verschiedene TAB sind zahlreiche Publikationen erschienen zu Tierversuchen, Fallberichten, unkontrollierten und kontrollierten Studien. Ein Cochrane-Review-Artikel hat diese Publikationen ausgewertet und dabei nur solche Studien berücksichtigt, die aussagekräftigen Kriterien genügten (2). Dazu gehörte ein Design mit Parallelgruppen oder Cross-over, falls Verum mit Plazebo oder einer Vergleichsmedikation verglichen wurde. Die Patienten mussten ein Gesamtcholesterin von mindestens 5,17 mmol/l (200 mg/dl) haben. Es wurden auch nur TAB als Monopräparate ausgewertet. Beim Alter der Patienten oder bei der Behandlungsdauer gab es keine Begrenzung. Die Cochrane-Autoren fanden bei intensiver Suche nur drei klinische Studien (1, 3, 4) mit insgesamt nur 262 Patienten, die diesen qualitativen Einschlusskriterien genügten. In der Studie von Bundy et al. (1) nahmen 75 ansonsten gesunde Erwachsene mit milder bis mäßiger Hypercholesterinämie (Gesamtcholesterin 6,0-8,0 mmol/l = 232-309 mg/dl) 12 Wochen lang 1280 mg/d eines standardisierten TAB ein. Das Gesamtcholesterin sank in der Verum-Gruppe von durchschnittlich 7,16 mmol/l (277 mg/dl) auf 6,86 mmol/l (265 mg/dl) und stieg in der Kontroll-Gruppe von 6,9 mmol/l (269 mg/dl) auf 7,03 mmol/l (272 mg/dl). Der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch signifikant (p = 0,025). Jedoch fanden sich bei den Unterfraktionen des Cholesterins (LDL, HDL) und den Triglyzeriden keine signifikanten Unterschiede. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Studie viel zu klein ist für belastbare Aussagen oder gar Empfehlungen. Auch in der Studie von Englisch et al. (3) mit 143 Patienten wurde das Gesamt-Cholesterin durch einen TAB gesenkt: von 7,74 mmol/l (299 mg/dl) auf 6,31 mmol/l (244 mg/dl), durch Plazebo von 7,69 mmol/l (297 mg/dl) auf 7,03 mmol/l (272 mg/dl). Der Gruppen-Unterschied war hochsignifikant (p = 0,00001), auch beim LDL-Cholesterin. Die dritte Studie (4) liegt nur als Abstract vor. In dieser Studie senkte ein TAB das Gesamt-Cholesterin bei Patienten mit anfangs > 5,95 mmol/l (230 mg/dl) gering.
Fazit: Die wenigen aussagekräftigen Studien lassen vermuten, dass (verschiedene) Trockenextrakte aus Artischockenblättern (TAB) bei einigen Patienten das Serumcholesterin moderat senken. Die Zahl der Studienteilnehmer war – selbst wenn man sie poolt – insgesamt zu klein und somit die Daten nicht verlässlich genug, um TAB als Behandlungsoption bei Hypercholesterinämie zu empfehlen. Dies gilt noch mehr für Aussagen zur Wirksamkeit auf relevante kardiovaskuläre Endpunkte. <<
Literatur
- Bundy,R., et al.: Phytomedicine 2008, 15, 668. Link zur Quelle
- Wider,B., et al.: Cochrane Database Syst Rev. 2013 Mar 28;3:CD003335. Link zur Quelle
- Englisch, W., etal.: Arzneimittel-Forschung 2000, 50, 260. Link zur Quelle
- Petrowicz,O., et al.: Atherosclerosis 1997, 129, 147.