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Die Langzeiteinnahme von Protonenpumpenhemmern ist mit erhöhter Letalität assoziiert

Protonenpumpenhemmer (PPI) werden in Deutschland seit > 10 Jahren zunehmend häufiger verordnet. Im Jahr 2015 waren es 3,65 Mrd. DDD (Defined Daily Doses = definierte Tagesdosen), d.h. mehr als dreimal soviel wie vor 10 Jahren und erneut mit einem kaum zu verstehenden Zuwachs von 6,8% gegenüber 2014 (1). Über die Risiken bei Langzeiteinnahme, Nierenschädigung und Demenz (2) sowie Hypomagnesiämie (4, vgl. auch 5) haben wir berichtet. Außerdem erhöhen PPI das Risiko für Clostridium-difficile-assoziierte Erkrankungen (6), Pneumonien (3, nach Lit. 7 jedoch nicht) und osteoporotische Frakturen (8, 9). Ob die Langzeiteinnahme von PPI auch mit erhöhter Letalität assoziiert ist, wurde bisher nicht in größeren Studien untersucht. Dazu wurde jetzt eine große longitudinale Beobachtungsstudie veröffentlicht (10).

In diese Studie aus dem „US Department of Veterans Affairs“ wurden 349.312 Patienten eingeschlossen, die eine Behandlung mit PPI oder H2-Rezeptor-Blockern begonnen hatten. In einer weiteren Kohorte wurde die Einnahme von PPI versus keine PPI (n = 3.288.092) und PPI versus keine PPI plus keine H2-Rezeptor-Blocker (n = 2.887.030) untersucht. Primärer Endpunkt der Studie war das Risiko für Tod.

Ergebnisse: Die Patienten konnten im Median über 5,7 Jahre nachverfolgt werden. Dabei war die Einnahme von PPI im Vergleich mit H2-Rezeptor-Blockern mit einem erhöhten Risiko für Tod assoziiert (Hazard ratio = HR: 1,25; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,23-1,28). Das erhöhte Risiko für Tod bei Einnahme von PPI war auch nachweisbar, wenn man die Risiko-Stratifizierung der beiden Gruppen mit einem „propensity score“ ausglich (HR: 1,16; CI: 1,13-1,18). Auch bei Anwendung eines „propensity score“ und Vergleich der Kohorten in einem 1:1 gematchten zeitabhängigen Verlauf fand sich das erhöhte Letalitätsrisiko (HR: 1,34; CI: 1,29-1,39). Die Letalität in der Kohorte, die PPI einnahm, war erhöht sowohl gegenüber der Kohorte, die H2-Rezeptorblocker einnahm (HR: 1,15; CI: 1,14-1,15) als auch gegenüber der Kohorte, die weder H2-Rezeptoblocker noch PPI einnahm (HR: 1,23; CI: 1,22-1,24). Auch bei Patienten ohne gastrointestinale Erkrankung war die Einnahme von PPI gegenüber der Einnahme von H2-Rezeptorenblockern mit erhöhter Letalität assoziiert (HR: 1,24; CI: 1,21-1,27). Der Unterschied war auch vorhanden, wenn man gegen keine PPI (HR: 1,19; CI: 1,18-1,20) verglich oder gegen keine PPI plus keine H2-Rezeptorenblocker (HR: 1,22; CI: 1,21-1,23). Bei Patienten, die mit der Einnahme von PPI beginnen, nimmt das Letalitätsrisiko mit der Zeit kontinuierlich zu.

Die Studie hat mehrere Stärken, unter anderem die großen Patientenzahlen auf nationaler Ebene und die Anwendung verschiedener Analysemethoden. Nachteil der Studie ist, dass sie vor allem ältere weiße Männer berücksichtigt und die Todesursachen nicht erfasst hat.

Fazit: Die Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI) ist statistisch mit erhöhter Letalität assoziiert. Die Langzeitanwendung von PPI sollte nur bei strengen Indikationen erfolgen und die Notwendigkeit von Zeit zu Zeit überprüft werden. Praktische Empfehlungen, die Verordnung von PPI zu vermindern („deprescribing“) – beispielsweise durch zeitlich begrenzte Anwendung, Reduzierung der Dosis oder Einnahme nur bei Bedarf – gibt eine im Internet frei zugängliche aktuelle evidenzbasierte klinisch-praktische Leitlinie aus Kanada (11; vgl. 12).

Literatur

  1. Schwabe, U., und Paffrath, D.(Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2016. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016.S. 531.
  2. AMB2016, 50, 41. Link zur Quelle
  3. AMB 2008, 43, 89. Link zur Quelle
  4. Kieboom, B.C., et al.: Am. J. Kidney Dis. 2015, 66, 775. Link zur Quelle
  5. AMB 2008, 42, 49. Link zur Quelle
  6. Kwok, C.S., et al.:Am. J. Gastroenterol. 2012, 107, 1011. Link zur Quelle
  7. Filion, K.B., et al. (CNODES = Canadian Network for ObservationalDrug Effect Studies): Gut 2014, 63, 552. Link zur Quelle
  8. Zhou, B., et al.: Osteoporos. Int. 2016, 27, 339. Link zur Quelle
  9. AMB2012, 46, 30a. Link zur Quelle
  10. Xie, Y., et al.: BMJ 2017, 7, e015735. Link zur Quelle
  11. Farrell, B. et al.: Can. Fam. Physician 2017, 63, 354. Link zur Quelle
  12. AMB 2014, 48, 80DB01. Link zur Quelle