Nach und nach werden Studien zur Pharmakotherapie bei COVID-19 mit schwerem Verlauf publiziert. Bisher zeichnet sich allerdings kein Durchbruch ab (1). Plasma von Patienten, die die Erkrankung überstanden haben, enthalten Antikörper, die zum Teil neutralisierende Wirkung gegen das SARS-CoV-2 haben (R-Plasma). Ein solcher therapeutischer Ansatz wurde auch bei anderen schwer verlaufenden viralen Infektionen geprüft, wie z.B. beim Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS; 2, 3), dem Middle East Respiratory Syndrome (MERS; 4) und Ebola (5). Die Studien waren aber methodisch ungenügend und die Ergebnisse nicht eindeutig. Kürzlich wurden Fallserien aus China zur Anwendung solcher R-Plasma-Präparate bei Patienten mit COVID-19 und schwerem Verlauf mit positiven Ergebnissen publiziert (6, 7). Die US-amerikanische Behörde FDA hat die Anwendung solcher Präparate für die Behandlung von Patienten mit schwerer, lebensbedrohlicher SARS-CoV-2-Infektion zugelassen (8). Auch wenn dieser Ansatz vielversprechend erscheint, muss er doch in klinischen Studien geprüft werden, zumal die Herstellung von R-Plasma-Präparaten bisher nicht einheitlich ist. Nun wurde hierzu eine randomisierte Studie publiziert (9) mit einem R-Plasma-Präparat, das nach standardisierten Verfahren entsprechend der Vorgabe der WHO hergestellt wurde (8).
Methodik: Diese Studie war offen, randomisiert, multizentrisch (7 Zentren in Wuhan, China) und wurde zwischen dem 14. Februar und 1. April 2020 durchgeführt. Die Nachbeobachtung endete am 28. April 2020. In die Studie wurden 103 Patienten mit nachgewiesenem COVID-19 und schwerem oder lebensgefährlichem Verlauf eingeschlossen (Hypoxie, lebensbedrohlicher Schock, Organversagen oder mechanische Beatmung oder Kombination aus diesen). Ursprünglich sollten 200 Patienten eingeschlossen werden. Wegen Mangel an Patienten wurde die Studie jedoch frühzeitig beendet. Insgesamt erhielten 52 Patienten R-Plasma zusätzlich zur üblichen Standardversorgung und 51 Patienten nur die Standardversorgung.
Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur klinischen Besserung innerhalb von 28 Tagen. Die klinische Besserung war definiert durch: Entlassung oder Besserung um 2 Punkte in einer Schweregrad-Skala mit 6 Punkten (1 = Entlassung bis 6 = Tod). Sekundäre Endpunkte waren Tod innerhalb von 28 Tagen, Zeit bis zur Entlassung und negativ werden der SARS-CoV-2-PCR innerhalb von 72 Stunden nach Gabe der Medikation.
Ergebnisse: Von den 103 randomisierten Patienten (medianes Alter 70 Jahre; 60 Männer) beendeten 101 (98,1%) die Studie. Eine klinische Besserung innerhalb von 28 Tagen ergab sich bei 51,9% (27 von 52) in der Gruppe mit R-Plasma und bei 43,1% (22 von 51) in der Kontrollgruppe (Differenz: 8,8%; 95%-Konfidenzintervall = CI: -10,4 bis 28,0); Hazard Ratio = HR: 1,40; CI: 0,79-2,49; p = 0,26). Bei Stratifizierung in schwere und lebensbedrohliche Infektionen ergab sich Folgendes: In der Gruppe mit schwerer Erkrankung erreichten 91,3% (21 von 23) mit R-Plasma und 68,2% (15 von 22) in der Kontrollgruppe den primären Endpunkt (HR: 2,15; CI: 1,07-4,32; p = 0,03); in der Gruppe mit lebensbedrohlicher Infektion erreichten 20,7% (6 von 29) mit R-Plasma und 24,1% (7 von 29) in der Kontrollgruppe den primären Endpunkt (HR: 0,88; CI: 0,30-2,63; p = 0,83). Hinsichtlich der Letalität bis Tag 28 ergab sich kein Unterschied zwischen den Gruppen (15,7% vs. 24,0%; Odds Ratio = OR: 0,65; CI: 0,29-1,46; p = 0,30). Die Zeit von der Randomisierung bis zur Entlassung war in beiden Gruppen ebenfalls nicht unterschiedlich (51,0% vs. 36,0% Entlassung bis Tag 28; HR: 1,61; CI: 0,88-2,93; p = 0,12). Allerdings ergab sich ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Konversion der SARS-CoV-2-PCR zum Zeitpunkt 72 Stunden nach Behandlung: 87,2% in der Gruppe mit R-Plasma und 37,5% in der Kontrollgruppe (OR: 11,39; CI: 3,91-33,18; p < 0,001). Zwei Patienten in der R-Plasma-Gruppe erlitten Nebenwirkungen, die durch supportive Therapie reversibel waren.
Wir können uns dem im selben Heft publizierten Kommentar nicht ganz anschließen, der in dieser R-Plasma-Therapie einen hoffnungsvollen Ansatz sieht (10). Weitere Studien sind erforderlich, um Nutzen und Risiken zu evaluieren.
Fazit: Diese Studie zeigte bei Patienten mit schwerem oder lebensbedrohlichem Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion keine klinische Besserung durch die Gabe von Rekonvaleszentenplasma. Jedoch wurde die Virus-PCR schneller negativ. Dieses Ergebnis lässt in der Zusammenschau mit Obduktionsbefunden (11) vermuten, dass die schweren Verlaufsformen von COVID-19 nicht mehr durch das Virus selbst, sondern durch immunologische Reaktionen auf die Infektion (Zytokinsturm) oder Thrombosen/Lungenembolien bestimmt werden. Möglicherweise sind in dieser Situation immunmodulatorische Ansätze therapeutisch wirksamer als antivirale.
Literatur
- AMB 2020, 54, 37 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 45. Link zur Quelle
- Cheng, Y., et al.: Eur. J. Clin. Microbiol. Infect. Dis. 2005, 24, 44. Link zur Quelle
- Yeh, K.M., et al.: J. Antimicrob. Chemother. 2005, 56, 919. Link zur Quelle
- Arabi, Y.M., et al.: Emerg. Infect. Dis. 2016, 22, 1554. Link zur Quelle
- Kraft, C.S., et al.: Clin. Infect. Dis. 2015, 61, 496. Link zur Quelle
- Shen, C., et al.: JAMA 2020, 323, 1582. Link zur Quelle
- Duan, K., et al.: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2020, 117, 9490. Link zur Quelle
- https://www.fda.gov/vaccines-blood-biologics/investigational-new- drug-ind-or-device-exemption-ide-process-cber/ recommendations-investigational-covid- 19-convalescent-plasma Link zur Quelle
- Li, Ling, et al.: JAMA 2020, published online June 3. Link zur Quelle
- Casadevall, A., et al.: JAMA 2020, June 3. Link zur Quelle
- AMB 2020, 54, 52DB01. Link zur Quelle