Arzneimittelbehörden sind zuständig für die Arzneimittelzulassung, die Überwachung der Arzneimittelsicherheit sowie die Genehmigung und Kontrolle klinischer Studien. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde „Food and Drug Administration“ (FDA) wurde bereits wiederholt für ihre Nähe zu pharmazeutischen Unternehmern sowie industriefreundliche Haltung kritisiert (vgl. 1). In einer Untersuchung für die Zeitschrift Science kommt der Journalist Charles Piller nun zu dem Schluss, dass die Überwachung klinischer Studien durch die FDA oft „nachlässig, langsam und intransparent“ ist.
Für die Untersuchung sichtete der Journalist ca. 1.600 Dokumente aus einem Zeitraum von 11 Jahren bis 2019, die fast alle durch Anfragen auf Basis des „Freedom of Information Acts“ zugänglich waren. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über die gesamte Amtszeit von Präsident Barack Obama und die ersten 3 Jahre von Präsident Donald Trump. In diesem Zeitraum führte die FDA mit aktuell 102 Inspektoren ca. 6.700 Überprüfungen klinischer Studien durch. Unter Obama führten ca. 6% der Inspektionen dazu, dass von den Verantwortlichen Korrekturen verlangt wurden („official action indicated“). Trotz wachsendem Budget und zunehmender Zahl von Untersuchungen kamen in Trumps Amtszeit dagegen nur noch 1% der Inspektionen zu diesem Ergebnis. Auch die Zahl der Verwarnungen durch sogenannte „warning letters“ hat sich in den vergangenen Jahren deutlich reduziert: Während die FDA in den ersten 3 Jahren von Obamas Amtszeit noch 99 Warnbriefe verschickte, waren es in seinen letzten 3 Jahren 36 und in den ersten 3 Jahren unter Trump nur 12. Die FDA kann Wissenschaftler disqualifizieren, die beispielsweise gegen das Gesetz verstoßen oder Daten gefälscht haben, sodass sie in den USA keine klinischen Studien mehr durchführen dürfen. Die Zahl dieser Disqualifikationen durch die FDA hat in den letzten Jahren ebenfalls abgenommen. Unter Obama wurden ca. 3 Wissenschaftler pro Jahr disqualifiziert, unter Trump dagegen nur insgesamt 2. Bei unmittelbarer Gefahr kann die FDA auch Studien stoppen. Sie tat dies in Obamas erster Amtszeit siebenmal, seit Trumps Amtseinführung dagegen kein einziges Mal.
Die Untersuchung zeigt, dass von FDA-Inspektoren gemeldete „gefährliche und gesetzeswidrige Praktiken“ bei klinischen Studien nur in Ausnahmefällen und mit einer Zeitverzögerung von bis zu 14 Jahren geahndet wurden – selbst wenn es Anzeichen dafür gab, dass Studienteilnehmer geschädigt und Daten gefälscht worden waren. In den seltenen Fällen, in denen die FDA Wissenschaftler wegen Gesetzesverstößen formell verwarnte, versäumte die Behörde oft dafür zu sorgen, dass Berichtigungen vorgenommen wurden. Darüber hinaus schloss die Behörde häufig Fälle auf der Grundlage ungeprüfter Behauptungen der Beschuldigten ab.
In Zusammenhang mit COVID-19 hat die FDA bereits mehrfach fragwürdige Entscheidungen getroffen, möglicherweise aufgrund politischen Drucks (vgl. 3, 4). So erteilte die FDA Hydroxychloroquin eine Notfallzulassung zur Behandlung von COVID-19, kurz nachdem Trump es als Wundermittel gegen Infektionen mit SARS-CoV-2 angepriesen hatte. Die Zulassung wurde nur wenige Wochen später wegen fehlender Belege für eine Wirksamkeit und schwerer Nebenwirkungen widerrufen. Darüber hinaus propagierte der Leiter der Behörde Stephen Hahn den Einsatz von Rekonvaleszentenplasma, das laut Trump zahllose Leben retten kann, obwohl auch dafür überzeugende Daten fehlen (5). Außerdem kündigte Hahn an, dass er bereit sei, einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 vor Abschluss von Phase-III-Studien bis zum 3. November 2020 zuzulassen, dem Tag der Präsidentenwahl in den USA.
Fazit: Eine Untersuchung legt nahe, dass die FDA klinische Studien zunehmend unzureichend kontrolliert und Fälschungen oder Verstöße gegen Gesetze ohne Konsequenzen bleiben. Andere Arzneimittelbehörden wie die Europäische Arzneimittel-Agentur sollten sich durch die teils übereilten Entscheidungen der FDA nicht unter Druck setzen lassen. Da die Ära von Donald Trump jetzt endete, wird die FDA auch ihre Aufgaben hoffentlich wieder konsequent erfüllen und sich politischem Druck nicht mehr beugen.
Literatur
- AMB 2009, 43, 23a Link zur Quelle . AMB 2014, 48, 16DB01 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 16DB01 Link zur Quelle . AMB 2018, 52, 72DB01. Link zur Quelle
- Piller, C.: Science 2020, 370, 24. Link zur Quelle
- AMB 2020, 54, 37. Link zur Quelle
- arznei-telegramm 2020, 51, 65. Link zur Quelle
- Pau, A.K., et al.: Ann. Intern. Med. 2020. Link zur Quelle