Schon am ersten Tag der Impfkampagne gegen COVID-19 in Großbritannien gab es zwei Fälle von Anaphylaxie nach der Injektion des mRNA-Impfstoffs BNT162b2 (Comirnaty®). Es folgten weitere Mitteilungen über seltene lebensbedrohliche allergische Reaktionen auf diese Impfung, beispielsweise aus Kanada und den USA (1-4). Deshalb wurden Sicherheitshinweise in die Fachinformationen aufgenommen, und es sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen beim Impfen zu treffen.
Das im Impfstoff enthaltene Polyethylenglykol (PEG) wurde schon früh als möglicher Auslöser von schweren allergischen Reaktionen verdächtigt. Dies wurde durch einen positiven Prick-Test bei einer betroffenen 52-jährigen Patientin erhärtet (5). Sie entwickelte Minuten nach der Impfung Husten, Obstruktion der Atemwege und wurde bewusstlos. Der Blutdruck war nicht mehr messbar, und die Sauerstoffsättigung im Blut fiel auf 85%. Die allergische Reaktion wurde mit zwei Dosen Adrenalin, hochdosiertem Hydrocortison, einem Antihistaminikum (Chlorphenamin) sowie Zufuhr von Flüssigkeit und Sauerstoff behandelt. Die Patientin berichtete später von mehreren allergischen Reaktionen auf PEG-haltige Kosmetika und Mundspülungen sowie von einer allergischen Reaktion mit Urtikaria und Atemnot nach Einnahme von Azithromycin mit PEG 6000 (5).
In den USA wurden lebensbedrohliche allergische Reaktionen auf mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 genauer untersucht: Dem Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) wurden im Dezember 2020 4.393 (0,2%) Verdachtsfälle nach Impfungen mit BNT162b2 gemeldet. Eine eingehende Prüfung bestätigte bei 175 Meldungen den Verdacht auf eine schwere allergische Reaktion; davon erfüllten 21 die Kriterien einer Anaphylaxie. Hieraus ergibt sich eine Inzidenz von Anaphylaxie nach Impfung mit BNT162b2 von 11,1 auf eine Mio. Impfungen. Die zeitliche Latenz zwischen Impfung und Beginn der Allergiesymptome betrug im Median 13 Minuten (Spanne 2-150 Minuten). Bei den meisten Patienten (71,4%) traten die Symptome innerhalb von 15 Minuten auf, bei 14,3% innerhalb von 30 Minuten und bei 14,3% später (6). Deshalb wird eine Nachbeobachtung nach der Impfung von 15-30 Minuten empfohlen. Todesfälle konnten durch rasches ärztliches Eingreifen verhindert werden. Einige Patienten mussten einige Tage auf der Intensivstation behandelt werden (6).
Bei der Auswertung der 21 Patienten mit Anaphylaxie ergab sich, dass 17 bereits allergische Reaktionen in der Vorgeschichte hatten und 7 sogar eine Anaphylaxie. Im Gegensatz zu den milderen allergischen Reaktionen, die bei bis zu 2% nach dieser Impfung auftreten (7), sind anaphylaktische Reaktionen eine Kontraindikation für eine Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff (7-10).
In Tab. 1 ist aufgeführt, wie das Risiko für eine allergische Reaktion bei einer Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff bei Personen einzuschätzen ist, die bereits allergische Reaktionen nach einer Impfung hatten bzw. bei denen besondere Dispositionen für Allergien vorliegen (8). Bei Patienten aus der Risikogruppe 1 besteht eine absolute Kontraindikation gegen eine Impfung mit einer Vakzine mit den gleichen Inhaltsstoffen. Patienten, die nach der 1. Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff mit einer Anaphylaxie reagiert haben, sollten also keine weitere Impfung aus dieser Impfstoffklasse erhalten. Patienten der Risikogruppen 2-4 können nach einer allergologischen Begutachtung und Beratung sowie unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen mit einem m-RNA-Impfstoff geimpft werden. Für diese Personen sind vorzugsweise andere COVID-19-Impfstoffe zu erwägen, die eine andere Impftechnologie ohne PEG verwenden.
Zu beachten ist weiterhin, dass allergische Reaktionen häufiger bei jüngeren Personen zu erwarten sind und deshalb die Abwägung zwischen allgemeinem Nutzen und Risiko der Impfung besonders gründlich sein sollte.
Da die COVID-19-Impfungen zunehmend in Hausarztpraxen erfolgen und bei einer anaphylaktischen Reaktion schnelles und sicheres Handeln geboten ist, sind in Tab. 2 Behandlungsempfehlungen für Erwachsene aus einem Positionspapier deutscher und australischer allergologischer Gesellschaften aufgeführt (8). Die aufgeführten Arzneimittel sollten in jeder Praxis verfügbar sein, und die Abläufe sollten trainiert werden. Die Behandlung der Anaphylaxie ist nicht unterschiedlich, egal ob sie nach einer Impfung aufgetreten ist oder andere Ursachen hat, wie beispielsweise Insektenstich. Adrenalin kann über einen Autoinjektor i.m. oder nach Körpergewicht dosiert in Boli i.v. verabreicht werden.
Allergische Symptome treten, wie oben erwähnt, schnell nach der Impfung (innerhalb von 15 Minuten) auf. Sie beginnen häufig mit Hautjucken, Urtikaria, Schluckstörung, Übelkeit und Atemnot. In Einzelfällen kann es schwierig sein, eine Anaphylaxie von einer Panikattacke zu unterscheiden. Um eine Anaphylaxie zu bestätigen, kann 1-2 Stunden nach dem Zwischenfall die Serum-Tryptase im Blut gemessen werden (9).
Fazit: Die meisten Menschen mit anamnestisch bekannten Allergien können gegen SARS-CoV-2 geimpft werden. Personen aus der Risikogruppe 1 (s. Tab. 1) sollten nicht mit dem betreffenden Impfstoff geimpft werden. Personen der Risikogruppen 2-4 sollten vor der Impfung allergologisch begutachtet und beraten werden. Patienten, die nach der ersten m-RNA-Impfung eine Anaphylaxie hatten, sollten keine weitere Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten. Da eine schwere allergische Reaktion nach jeder Impfung auch bei vorher nicht bekannter Allergie auftreten kann, sollten Praxen und Impfzentren auf solche Impfreaktionen vorbereitet sein und die nötigen Medikamente vorrätig haben (s. Tab 2 und Lit. 11).
Literatur
- Cabanillas, B.A., et al.: Allergy 2021, 76, 1617. Link zur Quelle
- de Vrieze, J.: Science 2021, 371, 10. Link zur Quelle
- Klimek, L., et al.: Allergo. J. Int. 2021, 30, 51. Link zur Quelle
- Wu, K.J.: Boston Doctor Reports Serious Allergic Reaction After Getting Moderna’s Covid Vaccine. The New York Times 2020, Dec. 25, 2020. Link zur Quelle
- Sellaturay, P., et al.: Clin. Exp. Allergy 2021, 51, 861. Link zur Quelle
- CDC. COVID-19. Weekly 2021, 70, 46. Link zur Quelle
- Krantz, M.S., et al.: JAMA Intern. Med. 2021, published online July 26. Link zur Quelle
- Klimek, L., et al.: Allergo. J. Int. 2021, 30, 79. Link zur Quelle
- https://www.ema.europa.eu/ en/documents/product-information/ comirnaty-epar-product-information_de.pdf Link zur Quelle
- Ring, J., et al.: Allergo. J. Int. 2021, 30, 1. Link zur Quelle
- AMB 2016, 50, 24DB01. Link zur Quelle