Adipositas bei Kindern führt zu Folgeerkrankungen, besonders kardialen, und zu erhöhter Mortalität im späteren Leben (1). Die Behandlung der juvenilen Adipositas ist eine medizinische Herausforderung. Änderungen des Lebensstils und Pharmakotherapie haben zwar in Studien zu einer Gewichtsabnahme geführt, jedoch waren die Effekte gering (2). Außerdem sind die meisten Wirkstoffe, die zur Gewichtsabnahme eingesetzt werden, u.a. wegen der Nebenwirkungen für die Behandlung Minderjähriger, nicht zugelassen (2).
Aus Tierversuchen haben sich Hinweise ergeben, dass Körpergewicht und Energiestoffwechsel über Veränderungen des intestinalen Mikrobioms beeinflussbar sind. So hatte beispielsweise das Gewicht von Mäusen nach einem Mikrobiom-Transfer aus aufbereitetem Stuhl von adipösen Menschen zugenommen, nach Stuhltransfer von schlanken Menschen dagegen abgenommen (4, 5). Der Einfluss des intestinalen Mikrobioms auf die Insulinsensitivität wird kontrovers diskutiert (6-9). Zu den Auswirkungen eines fäkalen Mikrobiom-Transfers (FMT) auf das Körpergewicht adipöser Jugendlicher ohne chronische Erkrankungen wurde jetzt eine randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie veröffentlicht (3).
Studiendesign: Von Oktober 2017 bis März 2019 wurden in Neuseeland 14-18-Jährige mit einem Body-Mass-Index (BMI) von ≥ 30 kg/m2 gesucht. Von 565 Interessierten, die sich im Rahmen einer Anzeigenkampagne gemeldet hatten, konnten insgesamt nur 87 eingeschlossen werden; 150 verweigerten die Art der Behandlung, und die Übrigen erfüllten nicht die Studienkriterien. 59% waren weiblich und alle zusammen im Mittel 17,2 ± 1,4 Jahre alt. Die Teilnehmer wurden auf beide Geschlechter gleich verteilt und 1:1 randomisiert. Eine Gruppe (42 Teilnehmer) erhielt einmalig sieben magensaftresistente Kapseln mit doppelt verkapseltem fäkalen Mikrobiom von jedem der vier ausgewählten gesunden Spender gleichen Geschlechts, insgesamt also 28 Kapseln. Die Kapseln wurden auf 2 Tage verteilt und unter Aufsicht eingenommen. Auf diese Weise wurden 22 g Faeces als tiefgefrorene Suspension übertragen (10). Die anderen 45 Teilnehmer erhielten dieselbe Anzahl Kapseln, gefüllt mit Kochsalz als Plazebo. Vor dem FMT erfolgte eine „Darmreinigung“ mit Macrogol 3350 und eine Nahrungskarenz von mindestens 8 Std. vor und für 2 Std. nach dem Transfer. Die üblichen Lebens- und Essgewohnheiten sollten beibehalten und in einem Tagebuch protokolliert werden. Das Genom der Mikroorganismen aus den Stuhlproben von Spendern und Empfängern wurde über eine DNA-Sequenzierung analysiert und jeweils nach 6, 12 und 26 Wochen bei den Empfängern wiederholt (vgl. 11).
Primärer Studienendpunkt war der BMI-Standardabweichungsscore nach 6, 12 und 26 Wochen in einer „Intention-to-treat“-Analyse. Sekundäre Endpunkte waren die Fettverteilung als A/G-Ratio („android“ = abdominelle Fettdepots, sog. Bierbauch; „gynoid“ = über den ganzen Körper verteiltes Fett mit Hauptdepots an Hüften und Oberschenkeln), metabolische Parameter (Blutfette, Leber- und Entzündungsmarker, Insulinsensitivität im oralen Glukose-Toleranz-Test) und die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms mittels Sequenzierung (s.o.). Das prozentuale Körperfett wurde aus einer Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) errechnet; für den Verlauf des Blutdrucks wurden auch 24 h-RR-Messungen vorgenommen. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität und intestinale Beschwerden wurden über ein Scoring erfasst.
Ergebnisse: In der FMT-Gruppe betrug der mittlere BMI 38,55 ± 5,92 kg/m2, in der Plazebogruppe 36,91 ± 4,61 kg/m2. Alle Teilnehmer hatten einen hohen Konsum von Zucker (im Mittel 87,7 ± 52,5 g/d) und gesättigten Fettsäuren (32,6 ± 18,2 g/d).
Nach 6 Wochen fand sich kein Effekt des FMT auf Körpergewicht und BMI (adjusted mean difference = aMD: -0,026; 95%-Konfidenzintervall = CI: -0,074 bis 0,022; p = 0,291). Eine geringe Abnahme zeigte sich in der android/gynoiden Fettverteilung nach FMT vs. Plazebo: aMD: -0,021; CI: -0,041 bis -0,001) nach 6 Wochen sowie -0,023 (CI: -0,043 bis -0,003) nach 12 Wochen und -0,029 (CI: -0,049 bis -0,008) nach 26 Wochen. Der FMT hatte keinen Einfluss auf die Insulinsensitivität, Leberfunktion, Fettstoffwechsel, Entzündungsmarker, Blutdruck, prozentuales Körperfett, Darmgesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Zahl der in der Subgruppe bei Studieneinschluss als Metabolisches Syndrom kategorisierten Jugendlichen war nach 26 Wochen von 18 auf 4 gesunken, in der Plazebogruppe nur von 13 auf 10. Wie bedeutsam diese Beobachtung ist, sollte weiter untersucht werden.
Das Mikrobiom von Spendern und Empfängern zeigte zu Beginn eine ähnliche genetische Vielfalt. Nach dem Transfer konnten spenderspezifische Eigenschaften im Mikrobiom der Empfänger nachgewiesen werden.
Während der Beobachtungszeit traten keine relevanten Nebenwirkungen auf. Dies dürfte wesentlich auf der hygienisch unproblematischen oralen Applikation beruhen im Vergleich zum endoskopisch oder über eine nasojejunale Sonde verabreichten FMT.
Die Autoren räumen selbstkritisch ein, dass es im Studiendesign keine dezidierten Anforderungen an die körperliche Aktivität und keine strikten Diätvorschriften gab. Dies hätte den hohen Aufwand einer konsequenten Überwachung aller Teilnehmenden erfordert.
Fazit: In dieser randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie an Jugendlichen mit Adipositas (mittlerer BMI ≥ 35 kg/m2) konnte der Transfer eines fäkalen Mikrobioms gesunder gleichgeschlechtlicher Spender als alleinige Maßnahme das Körpergewicht nicht reduzieren. Der Transfer in magensaftresistenten Kapseln war mikrobiologisch nachgewiesen jedoch effizient. Die orale Applikation könnte möglicherweise zu einer besseren Akzeptanz dieser Therapie in anderen Indikationen führen, beispielsweise bei Clostridien-Enteritis (vgl. 12).
Literatur
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- Ells, L.J., et al.: Int. J. Obes. (Lond.) 2018, 42, 1823. Link zur Quelle
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- Leong, K.S.W., et al.: Clin. Endocrinol. (Oxf.) 2020, 93, 3. Link zur Quelle
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- AMB 2016, 50, 23. Link zur Quelle