Angesichts der bisher eher enttäuschenden Ergebnisse mit Rekonvaleszentenplasma [1] [2] werden derzeit große Hoffnungen mit neutralisierenden monoklonalen Antikörpern (mAK) verbunden, sowohl in der prä- als auch postexpositionellen Prophylaxe nach SARS-CoV-2-Infektion [3]. MAK werden im Labor hergestellt von Personen, deren B-Lymphozyten nach Infektion mit SARS-CoV-2 bzw. Erholung von COVID-19 Antikörper gegen das Spike Glykoprotein gebildet haben. Diese mAK vermitteln eine sofortige – wenn auch nur vorübergehende – passive Immunisierung gegen SARS-CoV-2 und werden eingesetzt mit dem Ziel, eine Hospitalisierung infolge von COVID-19 bzw. einen schweren Verlauf mit möglicherweise Versterben an COVID-19 zu verhindern [3]. Eine Zulassung in der Europäischen Union haben derzeit nur folgende mAK: Regdanvimab (Regkirona) und Ronapreve (Kombination von Casirivimab und Imdevimab). Weitere, aktuell in klinischen Studien hinsichtlich prä- oder postexpositioneller Wirksamkeit und Sicherheit geprüfte mAK sind die Kombination von Bamlanivimab und Etesevimab sowie Sotrovimab, wobei für Sotrovimab bereits ein Antrag auf Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gestellt wurde [4]. Sotrovimab wurde aktuell in Großbritannien unter dem Namen Xevudy® von der Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) zugelassen [5].
Über Bamlanivimab (auch bekannt unter der Bezeichnung LY-CoV555), einen neutralisierenden, gegen die Bindungsdomäne des Spike-Glykoproteins von SARS-CoV-2 gerichteten mAK, haben wir bereits berichtet [6]. Dieser mAK hatte als Monotherapie in einer klinischen Studie an 314 im Krankenhaus behandelten Patienten mit moderatem Verlauf von COVID-19 keinen klinisch positiven Effekt gezeigt, und die klinische Studie wurde deshalb nach einer Zwischenauswertung abgebrochen [7]. Eine von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) zunächst im November 2020 erteilte Zulassung („Emergency Use Authorization“, EUA) wurde später jedoch widerrufen [8].
Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor zu Bamlanivimab in Kombination mit einem weiteren neutralisierenden mAK (Etesevimab) aus einer noch laufenden, randomisierten, plazebokontrollierten Phase-II/III-Studie [8]. In diese von Eli Lilly gesponserte Studie (BLAZE-1) wurden insgesamt 1.035 ambulante Patienten eingeschlossen mit mildem oder moderatem Verlauf von COVID-19 und hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Nach Randomisierung erhielten die Patienten entweder eine einzige intravenöse Infusion der Kombination der beiden mAK (2.800 mg Bamlanivimab plus 2.800 mg Etesivimab) oder Plazebo, jeweils innerhalb von 3 Tagen nach durch Laboruntersuchungen bestätigter Diagnose einer Infektion mit SARS-CoV-2. In dieser Studie wurden Erwachsene und wenige Kinder und Jugendliche im Alter von 12-17 Jahren (1,1%) untersucht. Als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19 galten bei den Kindern und Jugendlichen u.a.: ein Body-Mass-Index (BMI) in wenigstens der 85. Perzentile für das jeweilige Alter und Geschlecht, Sichelzell-Krankheit, Diabetes mellitus, kongenitale oder erworbene Herzkrankheit, Entwicklungsstörungen infolge neurologischer Erkrankung, Abhängigkeit von medizintechnischen Geräten (z.B. Tracheo- oder Gastrostoma) und Immundefizienz bzw. immunsuppressive Therapie. Als Risikofaktoren bei Erwachsenen (≥ 18 Jahre) galten ein Alter von ≥ 65 Jahre, ein BMI von wenigstens 35 kg/m2, chronische Nierenin-
suffizienz, Diabetes mellitus und ebenfalls Immundefizienz bzw. immunsuppressive Therapie. Bei eingeschlossenen Patienten im Alter zwischen 55 und 65 Jahren wurden auch kardiovaskuläre Erkrankungen, arterielle Hypertonie, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und andere respiratorische Störungen als Risikofaktoren gewertet.
Primärer Endpunkt war der klinische Status der eingeschlossenen Patienten (Hospitalisierung für ≥ 24 Stunden aufgrund von COVID-19 oder Tod an Tag 29 nach Einschluss in die Studie, unabhängig von der Ursache). Sekundäre Endpunkte waren u.a. die Veränderung der SARS-CoV-2-Viruslast an Tag 7 im Vergleich zum Ausgangsbefund bzw. eine hohe Viruslast an Tag 7, Hospitalisierung aufgrund von COVID-19, Vorstellung in der Notfallambulanz, die Zeitspanne bis zum Verschwinden der durch COVID-19 ausgelösten Symptome und Tod jedweder Ursache. Die Auswertung der Datenbasis am 20.1.2021 umfasste 1.035 Patienten mit einem mittleren Alter von 53,8 Jahren. Älter als 65 Jahre waren 31,2% und der mediane BMI in der gesamten Patientenkohorte betrug 34,09 kg/m2. Etwa die Hälfte der Patientenpopulation waren weibliche Jugendliche oder Frauen. Zum Zeitpunkt der Randomisierung hatten mehr als drei Viertel der Patienten milde COVID-19-Symptome.
Den primären Endpunkt (durch COVID-19 bedingte Hospitalisierung oder Tod) erreichten 11 von 518 Patienten (2,1%) in der mit mAK behandelten Gruppe und 36 von 517 Patienten (7,0%) in der Plazebogruppe (p < 0,001). Am Tag 29 waren 10 der 517 Patienten in der Plazebogruppe (davon 9 nach Einschätzung der Behandler infolge von COVID-19) verstorben und keiner der Patienten in der mit mAK behandelten Gruppe. Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte (Reduktion der Viruslast) ergab die Studie hochsignifikante Vorteile für die mit mAK behandelte Gruppe. Nebenwirkungen (z.B. Übelkeit, Hautveränderungen, Schwindel, Diarrhö und arterielle Hypertonie) traten etwas häufiger auf nach Therapie mit mAK (1,4% vs. 1,0%). Die Zahl der wegen COVID-19 hospitalisierten Patienten war in der Plazebogruppe höher (33 von 517 Patienten; 6,4%) als in der mit mAK behandelten Gruppe (11 von 518 Patienten; 2,1%). Diese Ergebnisse bestätigten zuvor publizierte Daten aus der Phase II dieser Studie [9].
Aufgrund des Auftretens verschiedener Mutanten von SARS-CoV-2, die sich der Immunreaktion des Menschen entziehen können, wurde inzwischen auch versucht, mAK zu entwickeln, die SARS-CoV-2 neutralisieren, indem sie an ein evolutionär konserviertes Epitop dieses Virus binden, das außerhalb der bei Mutanten sich rasch verändernden Rezeptorbindungsdomäne von SARS-CoV-2 lokalisiert ist. Sotrovimab (früher bezeichnet als VIR-7831) ist ein derartiger technisch hergestellter humaner mAK, der SARS-CoV-2 und zahlreiche andere Sarbecoviren, eine Untergattung der Betacoronaviren, neutralisiert. Erste Ergebnisse zu diesem mAK aus einer noch laufenden, multizentrischen, doppelblinden Phase-III-Studie (COMET-ICE) wurden kürzlich im N. Engl. J. Med. publiziert [10]. Diese Studie wurde gesponsert von „Vir Biotechnology“ in Kooperation mit GlaxoSmithKline. Nicht hospitalisierte Patienten (≥ 18 Jahre) mit symptomatischem COVID-19 (≤ 5 Tage nach Beginn der Symptome; bestätigt durch PCR oder Antigennachweis) und wenigstens einem Risikofaktor für Progress der Erkrankung (u.a. BMI > 30 kg/m2, chronische Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung) erhielten eine einstündige Infusion mit Sotrovimab (500 mg) oder Plazebo. Patienten mit bereits schwerem Verlauf von COVID-19 (Atemnot in Ruhe, Sauerstoffsättigung < 94%, Sauerstoffbedarf) wurden nicht eingeschlossen. Primärer Endpunkt der Studie war der Prozentsatz an Patienten, die eine Hospitalisierung länger als 24 Stunden benötigten oder (unabhängig von der Ursache) innerhalb von 29 Tagen nach Randomisierung starben. Sekundäre Endpunkte waren der Prozentsatz an Patienten, die eine Notfallambulanz aufsuchten, hospitalisiert wurden oder starben und die infolge Verschlechterung von COVID-19 zusätzlich Sauerstoff benötigten. In der Zwischenanalyse von 583 Patienten (Sotrovimab n = 291, Plazebo n = 292) wurden 3 Patienten nach Gabe von Sotrovimab (1%) und 21 Patienten nach Plazebo (7%) hospitalisiert infolge eines Progresses von COVID-19 oder starben. Daraus ergab sich eine relative Risikoreduktion von 85% für die mit Sotrovimab behandelten Patienten (p = 0,002). Schwere Nebenwirkungen traten unter Sotrovimab seltener auf als unter Plazebo (2% vs. 6%). Die Autoren weisen in der Diskussion auf die Limitationen dieser Zwischenanalyse hin: So ist z.B. aufgrund von nur 3 Hospitalisierungen nach Gabe von Sotrovimab keine Aussage möglich, welche Patienten- oder Krankheitsmerkmale mit einem Nicht-Ansprechen auf den mAK assoziiert sind; da nur 430 Patienten Sotrovimab erhielten, wurden seltene Nebenwirkungen unzureichend erfasst; autologe Immunantwort auf SARS-CoV-2-Infektion wurde nicht untersucht. Als wichtiges Ergebnis dieser Studie weisen die Autoren darauf hin, dass ein mAK, der nicht gegen die Rezeptorbindungsdomäne von SARS-CoV-2 gerichtet ist (und somit nicht direkt die Interaktion des Virus mit dem ACE2-Rezeptor blockiert) therapeutisch wirksam ist. Außerdem wird auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit hingewiesen, ebenso wie auf das nicht beobachtete Auftreten infektionsverstärkender Antikörper („Antibody-Dependent Enhancement“). Die bisher vorliegenden Ergebnisse sprechen dafür, dass für Patienten mit COVID-19 eine Behandlung mit Sotrovimab außerhalb des Krankenhauses möglich ist und die in dieser Studie therapeutisch wirksame und gut verträgliche Dosis von 500 mg auch intramuskulär verabreicht werden kann. Selbstverständlich müssen jedoch die endgültigen Ergebnisse der COMET-ICE-Studie abgewartet werden, um Wirksamkeit und Sicherheit von Sotrovimab abschließend zu beurteilen.
Ein im November in JAMA publizierter Artikel beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema der passiven Immunisierung durch neutralisierende mAK gegen SARS-CoV-2, ihren Kosten sowie ihrem potenziellen therapeutischen Stellenwert im Rahmen der prä- und/oder postexpositionellen Prophylaxe von COVID-19 [3].