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Analgetische Therapie bei akuter Nierenkolik: NSAID ohne Spasmolytika

Zusammenfassung: Ein aktuelles Cochrane-Review zeigt, dass bei einer Nierensteinkolik nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) analgetisch deutlich wirksamer sind als Plazebo oder Spasmolytika. NSAID (z.B. Diclofenac 100 mg rektal) sind etwa so stark wirksam wie Metamizol; jedoch ist Metamizol wegen des Risikos einer Agranulozytose nach unserer und nach Meinung der Autoren des Cochrane Reviews (4) nicht Mittel der ersten Wahl. Bei unzureichender schmerzlindernder Wirkung eines NSAID (oder Metamizol) kann ergänzend ein Opioid injiziert werden. Die Kombination eines NSAID mit einem Spasmolytikum lindert die Kolikschmerzen nicht stärker als das NSAID allein.

Nierenkoliken sind meist durch einen Stein im Ureter bedingt und erfordern eine sofortige adäquate Schmerztherapie (1, 2). Dafür werden nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) wie Diclofenac, aber auch das Pyrazolon-Derivat und antipyretische Analgetikum Metamizol (Dipyron, Novaminsulfon) empfohlen (1, 2), so auch in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis (3). N-Butyl-Scopolamin (Buscopan®) soll dagegen nicht eingesetzt werden, denn es relaxiert nur in sehr hohen Dosen den peripheren Harnleiter (3). Ein aktuelles Cochrane-Review untermauert diese Empfehlungen (4).

In diesem Review wurden die analgetische Wirksamkeit und Nebenwirkungen von verschiedenen Nicht-Opioiden bei akuter Nierenkolik untersucht, darunter unterschiedliche NSAID, Metamizol, Paracetamol, Spasmolytika, Kalziumantagonisten und Desmopressin (4). Eingeschlossen wurden 50 randomisierte und teilweise kontrollierte Studien mit insgesamt 5.734 erwachsenen Patienten mit Nierensteinkolik, in denen zumindest in einem Behandlungsarm ein nicht zentral wirkendes Analgetikum mit Plazebo oder mit einem anderen, nicht zentral wirkenden Analgetikum verglichen wurde.

NSAID waren besser analgetisch wirksam als Plazebo, wie in einigen älteren Studien gezeigt wurde. Sie waren außerdem wirksamer als Spasmolytika, und zwar hinsichtlich der von den Patienten angegebenen Schmerzintensität, des Anteils von Patienten mit mindestens 50% Schmerzreduktion in der ersten Stunde und des Bedarfs einer „Rescue“-Medikation (d.h. Opioid, anderes NSAID oder erneute Dosis desselben NSAID). Die Kombination von einem Spasmolytikum mit einem NSAID war nicht besser wirksam als NSAID allein. Im Vergleich von Metamizol und den verschiedenen NSAID untereinander scheinen hinsichtlich einer länger anhaltenden analgetischen Wirkung nur höhere Dosen von Metamizol (2 g) i.v. besser analgetisch wirksam zu sein als Diclofenac 75 mg i.m. Die i.m. Injektion gilt heute jedoch als obsolet (3). Indometacin war weniger wirksam als andere NSAID.

Über schwere Nebenwirkungen, wie z.B. gastrointestinale Blutungen, Niereninsuffizienz oder die gefürchtete Agranulozytose nach Metamizol, wurden in den analysierten Studien nicht berichtet. Dabei ist die oft nur kurze Nachbeobachtungszeit zu bedenken, die sich an der Schmerzlinderung orientierte (4). Die exakte Häufigkeit der Metamizol-induzierten Agranulozytose ist nicht klar u.a. wegen methodischer Ungenauigkeiten und weil wahrscheinlich nur sehr schwere oder tödliche (ca. 20%!) Verläufe gemeldet werden (5-8). In vielen Ländern wurde Metamizol aufgrund dieses Risikos vom Markt genommen (z.B. USA, Australien, Japan sowie in den meisten Ländern der Europäischen Union). In Deutschland wurde die Anwendung von Metamizol 1981/1982 eingeschränkt auf (vgl. 7):

  • akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen,
  • Koliken,
  • Tumorschmerzen,
  • sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind,
  • hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht.

Trotz dieser Einschränkungen haben in Deutschland die jährlichen Verschreibungen von Metamizol seit 1998 kontinuierlich und unverständlich stark zugenommen (DDD 1998: ca. 24 Mio., DDD 2012: ca. 141 Mio.!). Gleichzeitig stiegen auch die spontan gemeldeten, durch Metamizol-induzierten Agranulozytosen (1998: 11; 2012: 52; vgl. Abb. 1). An Hand der gemeldeten patientenbezogenen Daten ist davon auszugehen, dass etwa 25% der Verschreibungen von Metamizol Off-Label erfolgen, d.h. verordnet werden, ohne dass die geltenden Einschränkungen hinsichtlich der zugelassenen Anwendungsgebiete beachtet werden (6).

Zur Behandlung moderater Schmerzen im ambulanten Bereich wird in der Leitlinie Diclofenac rektal empfohlen (3), u.a. weil bei Nierenkolik oft auch Brechreiz besteht. In der Schwangerschaft können bei Nierenkolik Paracetamol oder Opioide gegeben werden (3, vgl. auch 9).

Wenn bei einer Nierenkolik die Schmerzen ausreichend gelindert werden können und keine Risikofaktoren vorliegen, kann der Patient ambulant behandelt werden. Eine Aufnahme ins Krankenhaus sollte erwogen werden, wenn z.B. diagnostische Unsicherheiten oder Fieber bzw. andere Anzeichen einer Sepsis bestehen (1).

Literatur

  1. Bultitude, M.,und Rees, J.: BMJ 2012, 345, e5499. Link zur Quelle
  2. Holdgate, A.,und Pollock, T.: BMJ 2004, 328, 1401. Link zur Quelle
  3. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-025l_S2k_ Urolithiasis_Diagnostik_Therapie_ Metaphylaxe_2015-03.pdf Link zur Quelle
  4. Afshar,K., et al.: Cochrane Database of Syst. Rev. 2015, 6, CD006027 26120804. Link zur Quelle
  5. Arzneimittelkommission der deutschenÄrzteschaft 2011: Link zur Quelle
  6. Stammschulte, T., et al.: Eur. J.Clin. Pharmacol.2015 [Epub ahead of print]. Link zur Quelle
  7. Schönhöfer, P., und Schaaber, J.:PHARMA-BRIEF 2015, Nr. 6, 3.
  8. AMB 1999, 33, 78b Link zur Quelle. AMB 2003, 37, 06b. Link zur Quelle
  9. AMB 2004, 38, 25. Link zur Quelle

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