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Neues zu Nebenwirkungen von SGLT-2-Hemmern bei Diabetes mellitus Typ 2

Hemmer des renalen Natrium(Sodium)-Glukose-Transporters 2 (SGLT-2) wie Canagliflozin (Invokana®), Dapagliflozin (Forxiga®) und Empagliflozin (Jardiance®) steigern die Ausscheidung von Glukose im Harn und senken dadurch den Blutzucker. Als Nebenwirkung treten u.a. gehäuft genitale Infektionen auf, insbesondere vulvovaginale Candidosen. Die diuretische Wirkung dieser SGLT-2-Hemmer kann zu Volumenmangel und Blutdruckabfall führen. Bei Kombination mit Insulin oder einem Sulfonylharnstoff kann es zu Hypoglykämien kommen (vgl. 1).

Im Juni 2015 hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ein Risikobewertungsverfahren zu diabetischen Ketoazidosen unter SGLT-2-Hemmern eingeleitet, nachdem dazu weltweit 101 Fälle gemeldet worden waren (2). Die diabetische Ketoazidose ist eine lebensgefährliche Stoffwechselentgleisung bei Insulinmangel, bei der eine vermehrte Lipolyse zu Ketose und Azidose führt. Sie tritt typischerweise bei Patienten mit Typ-1-Diabetes auf. Nach Abschluss des Risikobewertungsverfahrens veröffentlichte die EMA nun folgende Hinweise (3): Diabetische Ketoazidosen, darunter lebensgefährliche Verläufe, sind in seltenen Fällen bei Patienten aufgetreten, die SGLT-2-Hemmer zur Therapie eines Diabetes mellitus Typ 2 eingenommen hatten. Die klinischen Befunde waren bei einigen Patienten untypisch mit nur gering erhöhten Blutzuckerspiegeln (< 14 mmol/l bzw. < 250 mg/dl). Dies kann irreleiten und Diagnose und Behandlung der Ketoazidose verzögern. Deshalb muss bei Diabetikern, die einen SGLT-2-Hemmer einnehmen, bei folgenden Symptomen auch an eine diabetische Ketoazidose gedacht werden: Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Bauchschmerzen, starker Durst, schnelle und tiefe Atmung, Verwirrtheit, ungewöhnliche Müdigkeit oder Schläfrigkeit.

Zu den Risikofaktoren einer Ketoazidose gehören eine geringe Reserve der Insulin-sezernierenden Zellen, eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme oder starke Dehydratation, eine schnelle Verringerung der Insulindosis, ein erhöhter Insulinbedarf infolge einer akuten Krankheit, eine Operation oder Alkoholmissbrauch.

Patienten sollten über die Risikofaktoren und Symptome einer Ketoazidose informiert werden. Schon bei dem Verdacht auf eine diabetische Ketoazidose ist die Behandlung mit SGLT-2‐Hemmern sofort zu beenden und sollte nur wiederaufgenommen werden, wenn eine andere Ursache für die Ketoazidose gefunden wurde. Es wird empfohlen, die Behandlung mit SGLT-2-Hemmern bei Patienten, die wegen eines größeren chirurgischen Eingriffs oder einer akuten schweren Krankheit im Krankenhaus behandelt werden, zu unterbrechen.

Da ein erheblicher Anteil der beschriebenen Patienten mit diabetischer Ketoazidose Diabetes Typ 1 hatten, wird daran erinnert, dass Typ‐1‐Diabetes keine zugelassene Indikation für SGLT-2‐Hemmer und die Anwendung dabei also ein Off-Label-Use ist.

In einem weiteren Informationsbrief verweist die EMA auf das Risiko von Amputationen im Bereich der unteren Extremität unter Canagliflozin-haltigen Arzneimitteln (Invokana®, Vokanamet®; 4). Der Hersteller hat diese Arzneimittel in Deutschland vom Markt genommen, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bei der frühen Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen festgestellt hatte (vgl. 5); sie können jedoch importiert werden.

In der randomisierten kontrollierten CANVAS-Studie zur Sicherheit von Canagliflozin war eine im Vergleich zu Plazebo um etwa das Zweifache erhöhte Inzidenz von Amputationen im Bereich der unteren Gliedmaßen aufgefallen, in erster Linie der Zehen (vgl. 6). Der Sachverhalt wird derzeit genauer untersucht; mögliche Ursachen sind bisher noch nicht bekannt. Dehydrierung und Volumenmangel könnten eine Rolle spielen. Unter anderen SGLT-2-Hemmern ist diese Nebenwirkung bislang noch nicht beschrieben worden.

Fazit: Die EMA warnt vor einer atypischen Ketoazidose bei Typ-2-Diabetikern unter SGLT-2-Hemmern, bei der der Blutzuckerspiegel nur mäßig erhöht sein kann. Außerdem weist sie auf das erhöhte Risiko von Amputationen im Bereich der unteren Extremität unter Canagliflozin-haltigen Arzneimitteln hin. Diese Nebenwirkungen scheinen selten zu sein, werden mit steigenden Verordnungszahlen der SGLT-2-Hemmer jedoch voraussichtlich häufiger auftreten.

Literatur

  1. AMB 2015, 49, 82 Link zur Quelle.
  2. Prescrire International2016, 25, 145. Link zur Quelle
  3. http://www.ema.europa.eu/ema/… Link zur Quelle
  4. http://www.ema.europa.eu/… Link zur Quelle
  5. http://www.ema.europa.eu/ema/… Link zur Quelle
  6. AMB 2015, 49, 47 Link zur Quelle. AMB 2014, 48, 96. Link zur Quelle
  7. http://www.fda.gov/Safety/MedWatch/SafetyInformation/ SafetyAlertsforHumanMedical Products/ucm501565.htm Link zur Quelle