Prinzipielle Indikationen zur Insertion von Vena-cava-Schirmen oder -Filtern sind: Rezidiv einer Thromboembolie unter Antikoagulation bzw. absolute Kontraindikation(en) für eine Behandlung mit Antikoagulanzien. Darüberhinaus werden – insbesondere in den USA – zunehmend Vena-cava-Schirme bei ausgedehnter Thrombenbildung und erhöhtem Blutungsrisiko unter Antikoagulanzien eingesetzt. Allerdings beruhen fast alle Publikationen zur Wirksamkeit der Vena-cava-Blockade auf unkontrollierten, nicht verblindeten und retrospektiven Untersuchungen. Zudem wurden und werden sehr unterschiedliche Schirm- bzw. Filter-Typen verwendet. Die bisher einzige randomisierte Studie wurde 1998 von H. Decousus et al. publiziert (1). 400 Patienten mit akuter, proximaler, tiefer Beinventhrombose und Risiko für eine Lungenembolie wurden hierbei mit Antikoagulanzien oder zusätzlich mit einem Cava-Schirm behandelt. Nach 2 Jahren hatten die mit Schirm behandelten Patienten 2,9% weniger Lungenembolien (3,4% vs. 6,3%), hingegen ein 9,2% höheres Risiko, eine erneute Beinvenenthrombose zu erleiden (20,8% vs. 11,6%).
Vor diesem Hintergrund sind Daten einer großen, aktuellen Beobachtungsstudie aus Kalifornien von Interesse (2). Grundlage sind Daten aus einem Register aller Kliniken im Staat Kalifornien, in dem seit 1990 umfassend alle stationären Einweisungen, ICD-kodierte Diagnosen sowie die wesentlichen Behandlungen und Interventionen dokumentiert werden. Die Daten aller Patienten mit den Diagnosen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie aus den Jahren 1990-1995 wurden retrospektiv ausgewertet. Die Patienten wurden in Subgruppen eingeteilt: Ohne vorherige stationäre Behandlung wegen Thromboembolie oder mit vorausgegangener Krankenhausbehandlung. Wegen der geringen Zahl der Patienten mit zwei oder mehr Krankenhaus-Behandlungen wurden diese bei der weiteren Auswertung der Daten nicht berücksichtigt.
In dem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren fanden sich insgesamt 3632 Patienten, bei denen ein Cava-Schirm eingesetzt worden war und 64333 Kontroll-Patienten, die bei venöser Thromboembolie ohne Cava-Schirm behandelt worden waren. Die mit Cava-Schirm behandelten Patienten waren etwas älter als die Kontroll-Patienten (66 vs. 63 Jahre), und sie hatten zuvor auch häufiger Lungenembolien (56% vs. 29%) und häufiger Blutungen in den vorausgegangenen drei Monaten (21% vs. 3%) gehabt. Auch war die Zahl der Begleiterkrankungen höher. Patienten mit initialer Lungenarterien-Embolie hatten in der Cava-Schirm-Gruppe ein deutlich höheres Risiko für eine erneute Beinvenenthrombose (Relatives Risiko = RR: 6,72; 95%-KonfidenzintervalI: 3,6-12,5) als in der Kontrollgruppe (RR: 5,3; Kl: 4,6-6,1). Die kumulative Ein-Jahres-Inzidenz einer erneuten Krankenhausbehandlung wegen Lungenembolie bzw. Beinvenenthrombose war in der Cava-Schirm-Gruppe signifikant höher (3,3% vs. 1,6% bzw. 8,7% vs. 6,0%). Nach einem Jahr waren 15,9% der Patienten in der Kontroll- und 35% in der Cava-Schirm-Gruppe gestorben. In der multivariaten Analyse und nach statistischem Ausgleich der Risikofaktoren zeigte sich in den beiden Gruppen kein Unterschied im Risiko für erneute Lungenembolien. Auch die untersuchten Endpunkte bei Patienten mit bzw. ohne vorherige Krankenhausbehandlung wegen Thromboembolie waren gleich häufig. Dagegen erlitten Patienten, die nach initialer Lungenembolie einen Cava-Schirm erhalten hatten, signifikant häufiger Rezidive von Beinvenenthrombosen (RR: 2,8; Kl: 2,1-3,3).
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse sind zunächst die bekannten statistischen Einschränkungen retrospektiver Studien zu beachten. Da weder Autopsieergebnisse noch ausführliche Krankenhausberichte vorlagen, kann die wesentliche Frage, wieviele Patienten beider Gruppen an Rezidiv-Lungenembolien gestorben sind, nicht beantwortet werden. Die Daten dieses Registers zeigen jedoch, daß Patienten nach Cava-Schirm-Einlage ein gleich hohes Risiko für Rezidiv-Embolien haben wie konventionell behandelte Patienten. Das erhöhte Risiko für erneute Beinvenenthrombosen, das auch von Decousus et al. gefunden wurde (1), ist vermutlich durch Apposition von Thromben am Cava-Schirm und durch die dadurch verursachte venöse Stase bedingt. Für Patienten mit prinzipieller Indikation für eine Cava-Schirm-Insertion ergeben sich hieraus zunächst keine Therapieänderungen. Aus den Ausgangsdaten des Registers ist allerdings erkennbar, daß weniger als die Hälfte der interventionell behandelten Patienten eine solch klare Indikation hatten.
Eine aktuelle Übersicht zu Nutzen und Risiken verschiedener Vena-cava-Schirme kommt zu dem Schluß, daß viele Fragen zu dieser Therapie noch offen sind (3). Dazu gehören: Ist ein flottierender Thrombus in der V. iliaca bzw. femoralis eine absolute Indikation für einen Cava-Schirm? Schützt ein Cava-Schirm auch noch nach Jahren vor erneuten Lungenembolien verglichen mit Antikoagulanzien? Ist eine Antikoagulanzien-Behandlung nach Einlage eines Schirms überhaupt erforderlich? Wie häufig sind Embolien durch Thrombenbildung im Bereich des Schirms? Wie häufig werden Cava-Thrombosen und klinisch bedeutsame postthrombotische Syndrome durch den Schirm selbst verursacht? Dürfen Cava-Schirme auch suprarenal eingelegt werden? Welcher Schirm-Typ ist der beste? Der Autor empfiehlt, diese Fragen in klinischen Kontroll-Studien zu bearbeiten und die Indikationen zur Einlage von Cava-Schirmen so lange nicht auszuweiten bis weitere Ergebnisse vorliegen.
Literatur
- Decousus, H., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 409.
- White, R.H., et al.: Arch. Intern. Med. 2000, 160, 2033.
- Streiff, M.B.: Blood 2000, 95, 3669.