Erfahrungsgemäß sind etwa 30 bis 40% der aortokoronaren Venenbypässe (ACVB) nach 10 bis 12 Jahren verschlossen (1). Im Hinblick auf das Fortschreiten der koronaren Arteriosklerose gilt der protektive Effekt einer Iipidsenkenden Therapie als gesichert (2, 6-8). Inwieweit sich Lipidsenker auch günstig auf den Verschluß eines koronaren Venenbypasses auswirken, kann noch nicht mit Sicherheit beurteilt werden. In den ersten vier Wochen nach Bypass-Operation spielt der primäre thrombotische Verschluß eine entscheidende Rolle. Innerhalb des ersten Jahres können thrombotische Aufagerungen auf einer hyperplasierten lntima zu einem Verschluß des bereits eingeengten Lumens führen. Im Laufe der folgenden Jahre bilden sich – ähnlich wie in den nativen Koronararterien – lipidreiche, sklerotische Plaques, die zu Rupturen mit thrombotischem Verschluß neigen. Eine Antikoagulanzienbehandlung kann deshalb eine sinnvolle Prophylaxe sein. Unverzichtbar ist die Hemmung der Thrombozytenaggregation mit Azetylsalizylsäure (ASS). Unter effizienter Senkung des LDL-Cholesterins sind geringere Lipidanreicherungen und damit weniger Plaquerupturen zu erwarten.
Zu dieser Problematik wurde kürzlich eine Studie an 1351 Patienten (Alter 21-74 Jahre) zwischen 1 und 11 Jahren nach Zwei- oder Mehrfach-ACVB-Operation veröffentlicht (3). Das LDL-Cholesterin betrug bei Studieneinschluß 130 bis 175 mg/dl, der Triglyzeridspiegel bis zu 300 mg/dl. Der Erfolg einer aggressiven Lipidsenkertherapie (Zielwert LDL-Cholesterin: 60 bis 85 mg/dl) wurde verglichen mit dem einer moderaten Behandlung (Zielwert 130 bis 140 mg/dl); gleichzeitig erfolgte alternativ eine niedrig dosierte Behandlung mit Warfarin (bei uns vergleichbar mit Phenprocoumon = Marcumar) oder Plazebo. Die Entscheidung für eine niedrig dosierte Behandlung mit Warfarin resultierte aus Studienergebnissen zur Thromboembolieprophylaxe nach Herzklappenoperationen und großen chirurgischen Eingriffen aufgrund gleicher Effektivität bei geringerem Komplikationsrisiko im Vergleich zur vollen Behandlung (4). Ausschlußkriterien für die aktuelle Studie waren eine über 75%ige Restenose im Venenbypass bei der Koronarangiographie zu Studienbeginn, eine Ejektionsfraktion unter 30% oder Angina pectoris. Die Studienpatienten sind demzufolge einer Kategorie mit geringem Risiko zuzuordnen. Die aggressive Lipidsenker-Therapie sah eine Dosis von 40 mg Lovastatin/d, die moderate 2,5 mg/d vor. Die Dosis konnte im Verlauf zum Erreichen des Zielwertes durch Verdopplung oder Minimierung entsprechend angepaßt werden. Die Therapie wurde um 8 g Colestyramin/d erweitert, wenn das LDL-Cholesterin in den beiden Gruppen selbst unter verdoppelter Lovastatin-Dosis noch über 95 bzw. 160 mg/dl blieb. Warfarin bzw. Plazebo wurde in Schritten von 1 mg angepaßt, bis eine INR von annähernd 2 erreicht wurde. Alle Patienten nahmen außerdem 81 mg ASS/d ein. Nach 4 bis 5 Jahren erfolgte eine Kontrollangiographie. In der Gruppe mit aggressiver Behandlung betrug die mittlere Lovastatin-Dosis 76 ± 12,6 mg/d, bei moderater Dosierung 4 ± 1,25 mg/d. 30 bzw. 5% der Patienten erhielten zusätzlich 8 g Colestyramin/d. Nach einem Jahr war die mittlere LDL-Cholesterinkonzentration von 154,6 auf 93 mg/dl unter aggressiver und von 156,8 auf 136 mg/dl unter moderater Behandlung abgefallen. Bei 3% bzw. 2% der Behandelten mußte Lovastatin wegen Nebenwirkungen abgesetzt und bei 5% in beiden Gruppen reduziert werden. Die Compliance betrug für Lovastatin fast 90%, für Colestyramin dagegen nur 65%. Im Laufe der Nachbeobachtung starben 64 Patienten, davon zwei Drittel an kardiovaskulären Ursachen. Bei den Patienten mit aggressiver Behandlung kam es bei 27% der Bypässe zu einer signifikanten Progredienz der Arteriosklerose, d.h. eine Abnahme des freien Lumens von mehr als 0,6 mm an der Stelle der raschesten Plaquebildung; unter der moderaten Behandlung waren es dagegen 39% der Venenbypässe. Kein Unterschied fand sich zwischen den mit Warfarin bzw. mit Plazebo Behandelten. Die Antikoagulation hatte auch keinen zusätzlichen Einfluß auf den Erfolg der lipidsenkenden Therapie im Vergleich zu Plazebo. Bypassverschlüsse oder das Entstehen neuer arteriosklerotischer Plaques, d.h. eine mindestens 15%ige Stenose bei zuvor unauffälligen Wandverhältnissen, waren unter hochdosierter lipidsenkender Therapie seltener zu beobachten als unter niedrigdosierter. Auch die Abnahme des freien Lumens bei bereits stenosierten Bypässen war in dieser Gruppe signifikant geringer. Revaskularisationen waren unter aggressiver Therapie in der Tendenz um 29% seltener erforderlich (nicht signifikant); zur endgültigen Beurteilung bedarf es aber einer längeren Nachbeobachtung. Sicher geht aus dieser Studie der Vorteil einer aggressiven Iipidsenkenden Therapie auch für Patienten nach ACVB-Operation hervor, so daß LDL-Cholesterin-Werte unter 100 mg/dl erstrebenswert sind. Offen bleibt aber auch im begleitenden Editorial die Frage, ob eine volle Antikoagulanzienbehandlung bei höhergradiger Bypass-Sklerosierung möglicherweise effizienter wäre, besonders wenn bei langsamem koronarem Blutfluß vorwiegend die plasmatische Gerinnung zur Wirkung kommt (5).
Fazit: Eine aggressive Senkung des LDL-Cholesterins (< 100 mg/dl) mit Lovastatin (plus Colestyramin) führt zu einer Abnahme der Progredienz arteriosklerotischer Plaques in aortokoronaren Venenbypässen im Vergleich zu einer moderaten Behandlung. Eine niedrig dosierte Antikoagulation (INR bis 2) mit Warfarin bringt keinen zusätzlichen Vorteil; Azetylsalizylsäure ist in dieser Prophylaxe unverzichtbar. Literatur
1. Campeau, L., et al.: Circulation 1983, 68 Suppl. II,II-1.
2. Jukema, J.W., et al.: Circulation 1995, 91, 2528.
3. Campeau, L., et al. (Post CABG trial): N. Engl. J. Med. 1997, 336, 153.
4. Turpie, A., et al.: Lancet 1988, I, 1242.
5. Fuster, V., und Vorchheimer, D.A.: N. Engl. J. Med. 1997, 336, 212.
6. Blankenhorn, D.H., et al (MARS = Monitored Atherosclerosis Regression Study): Ann. Intern. Med. 1993, 119, 969.
7. MAAS = Multicentre Anti-Atheroma Study: Lancet 1994, 344, 633.
8. Pitt, B., et al. (PLAC-l = Pravastatin Limitation Atherosclerosis in Coronary arteries I): J. Am. Coll. Cardiol. 1995, 26, 1133.