Cerivastatin wurde von der Herstellerfirma wegen gefährlicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) vom Markt genommen. Der Vorgang hat die Öffentlichkeit sehr eindrücklich darauf hingewiesen, daß es neben den Haupt- auch UAW von Medikamenten gibt, die offenbar längst nicht so präzise erforscht werden wie die Hauptwirkungen, wegen derer das Produkt entwickelt wurde und verkauft werden soll. Es ist im Grunde unseriös, daß neue Medikamente, bei denen die Art und die Häufigkeit von UAW noch gar nicht vollständig bekannt sein können, ohne einen speziellen Hinweis darauf und ohne Kennzeichnung verkauft werden dürfen.
Nun gibt es aber bei den Statinen nicht nur UAW, sondern auch erwünschte. Dazu fand sich ein Editorial im American Journal of Cardiology (1). Unabhängig von der cholesterinsenkenden Wirkung beeinflussen die Statine mehr oder weniger endotheliale Funktionen, greifen auch sonst in zelluläre Prozesse der Atherogenese ein und beeinflussen die Bildung von Thromben im arteriellen System. Speziell für Pravastatin ist nachgewiesen, daß es unabhängig von der LDL-Senkung endotheliale Funktionen günstig beeinflussen und die Stickoxid(NO)-Produktion bessern kann – eine Voraussetzung für eine angepaßte periphere Vasodilatation. Möglicherweise greifen die Statine auch in die Aufnahme des Cholesterins in die Makrophagen ein und behindern so die Plaquebildung. Einige haben möglicherweise auch antientzündliche Wirkungen. Entzündungsvorgänge gehören zur Pathogenese der Atherosklerose. Andere Statine sollen die Proliferation der glatten Muskulatur hemmen, die ebenfalls zur Ausgestaltung der atherosklerotischen Läsionen beiträgt.
Statine sollen die Expression eines Gerinnungsfaktors in Makrophagen steigern, andere sollen sie behindern. Die klinische Bedeutung dieser Vorgänge ist außerordentlich zweifelhaft. Widersprüchliches wird auch berichtet über die Wirkung der Statine auf die Thrombozyten, auf die Fibrinogenkonzentration und den Plasminogenaktivator-Inhibitor.
Es gibt ohne Zweifel Wirkungen der Statine auf Prozesse der Atherogenese, die unabhängig sind von der Senkung des LDL. Der Beitrag allerdings, den diese Effekte zur Pathogenese der Atherosklerose leisten, ist nicht klar. Klar ist, daß Statine die LDL-Konzentration vermindern und parallel dazu die Häufigkeit von kardiovaskulären Endpunkten in Studien, die damit die Wirksamkeit der Statine belegen.
Darüber hinaus kann es sein, daß Statine sogar antiarrhythmische Wirkungen haben (2) und günstig in den Knochenstoffwechsel eingreifen (3-5).
Fazit: Statine scheinen neben ihren Hauptwirkungen und UAW auch zusätzliche günstige Wirkungen zu haben. Diese sollten aber nicht als Argumente in der Werbung und nicht zur Ausweitung der Indikationen verwandt werden, da sie zu wenig vergleichend belegt sind. Es kann nicht einmal ganz ausgeschlossen werden, daß einige dieser zusätzlichen Effekte sogar der gewollten Hauptwirkung entgegenstehen. Die sogenannten pleiotropen Effekte der Statine (gemeint sind die genannten erwünschten Nebenwirkungen) sind von erheblichem wissenschaftlichen Interesse, aber derzeit von geringer klinischer Relevanz.
Literatur
- LaRosa, J.C.: Am. J. Cardiol. 2001, 88, 291.
- AMB 2001, 35, 24a.
- Chan, K.A., et al.: Lancet 2000, 355, 2185.
- Edwards, C.J., et al.: Lancet 2000, 355, 2218.
- Meier, C.R., et al.: JAMA 2000, 283, 3205.