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Therapie der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).

Teil 1: Pharmakotherapie

Zusammenfassung: Die Pharmakotherapie der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) orientiert sich am klinischen Schweregrad und erfolgt nach einem Stufenschema. Kurz- und langwirksame Beta2-Mimetika, Anticholinergika und Theophyllin sind die primär anzuwendenden Bronchodilatatoren. Inhalative Glukokortikosteroide haben nur bei Patienten mit höhergradig eingeschränkter Lungenfunktion einen Langzeiteffekt. Systemisch werden Steroide nur bei Exazerbationen und dann maximal zwei Wochen lang gegeben. Antibiotika sollten nur bei einer durch einen bakteriellen Infekt verursachten Exazerbation kalkuliert eingesetzt werden. Die potentiell schweren Nebenwirkungen der genannten Substanzgruppen und die Probleme einer richtigen Inhalationstherapie sind bei der Planung der Therapie zu bedenken. (Thema eines Vortrags vor der Berliner Medizinischen Gesellschaft im Oktober 2002).

Einleitung: Die Therapie der COPD umfaßt pharmakologische, ergänzende nicht-pharmakologische und prophylaktische Maßnahmen. Dabei muß zwischen stabilen Erkrankungsformen und Exazerbationen unterschieden werden, da Indikation und Effizienz der jeweiligen Therapie davon abhängen.

Pharmakotherapie der stabilen COPD: Die Pharmakotherapie wird mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung intensiviert (s. Tab. 1). Die medikamentöse Behandlung verhindert dennoch nicht, daß sich die Lungenfunktion im Laufe von Jahren verschlechtert. Deshalb dient sie primär dazu, die Symptome zu lindern, typische COPD-Komplikationen zu bessern und Exazerbationen zu vermeiden. Bronchodilatierende Medikamente – entweder bei Bedarf oder dauerhaft eingesetzt – sind die Basis dieser Pharmakotherapie. Dazu gehören kurz- und langwirksame Beta-2-Agonisten, Anticholinergika und Theophyllin. Risikopatienten (klinische Zeichen einer chronischen Bronchitis, Risikofaktoren wie z.B. Rauchen) ohne nachgewiesene Atemwegsobstruktion bedürfen keiner Pharmakotherapie. Das Vermeiden von Risikofaktoren, insbesondere die Abstinenz vom Rauchen, verbessert nicht nur die Lungenfunktion, sondern senkt auch die Letalität.

Stufentherapieplan (s. Tab. 1 und auch 22, 25)

· Stufe I: Patienten mit milder Erkrankungsform (FEV1 ≥ 80% des Sollwerts, FEV1/VC < 70%, mit und ohne Symptome) werden mit inhalativen kurzwirksamen Bronchodilatatoren bei Bedarf therapiert.

· Stufe II: Moderat erkrankte Patienten (FEV1 < 80% des Sollwerts bis ≥ 30%, FEV1/VC < 70% mit und ohne Symptome) werden intensiviert mit einem oder mehreren Bronchodilatatoren (kurz-/langwirksame Beta-2-Agonisten, Anticholinergika, Theophyllin) behandelt. Ergänzend sind rehabilitative Maßnahmen in den Stufen II und III indiziert (1). Inhalative Glukokortikosteroide können in den Stufen II und III eingesetzt werden, wenn dadurch individuell die klinischen Symptome (z.B. alle 3 Monate überprüft), die Parameter bei der Lungenfunktionsprüfung, die Lebensqualität oder die physische Leistungsfähigkeit gebessert werden können (2, 3). Inhalative Steroide haben auch bei langjährigem Einsatz nur einen geringen Effekt auf die sich typischerweise verschlechternde Lungenfunktion (4-8). In vielen Therapieempfehlungen wird eine orale Kortikosteroidtherapie zur Identifizierung von "Steroid-Respondern" vorgeschlagen; sie wurde in den GOLD-Empfehlungen jedoch verlassen, da das Ergebnis eines solchen Steroid-Stoß-Tests in der ISOLDE-Studie keinen prädiktiven Wert für das Ansprechen einer inhalativen Steroidtherapie hatte (4). Dennoch ist der Steroid-Stoßtest in den britischen COPD-Empfehlungen enthalten (9). Der klinische Wert der Methylxanthine (Theophyllin) wird, obwohl ihre bronchodilatierende Wirksamkeit bewiesen ist, wegen der häufigen Nebenwirkungen (Tachykardie, Unruhe, Zittern) als gering eingeschätzt (1). Eine systemische Langzeit-Steroid-Therapie wird nicht empfohlen (10).

· Stufe III: Bei schwer erkrankten COPD-Patienten (FEV1 < 30% des Sollwerts, mit/ohne respiratorische Insuffizienz, mit/ohne Cor pulmonale) wird die Pharmakotherapie der Stufe II bei Hypoxämie durch eine Sauerstoff-Langzeittherapie und durch entsprechend symptomatische Maßnahmen, z.B. Behandlung des Cor pulmonale (Diuretika, Digitalis, Antikoagulanzien), ergänzt (Tab. 1).

Merksätze zur Inhalationstherapie: Wesentliches Element der COPD-Therapie ist die inhalative Therapie. Wegen der vielen auf dem Markt befindlichen Inhalationssysteme sind folgende Grundsätze zu beachten:

· Bei kombinierter Inhalationstherapie mit mehreren Präparaten sollte der gleiche Inhalationsgerätetyp verwendet werden, um Anwendungsfehler zu vermeiden und um die Compliance zu optimieren.

· Bei der Wahl des Inhalationsgeräts (Dosieraerosol mit und ohne Spacer, Trockenpulver-Inhalationssystem, Druckluftvernebler) müssen die Fähigkeiten des Patienten berücksichtigt und das Gerät von ihm akzeptiert werden.

· Der Patient muß die Anwendung des Inhalationsgeräts technisch verstanden haben und den korrekten Umgang auch demonstrieren können, da es viele Anwendungsfehler gibt, die den Therapieerfolg einschränken können.

· Bis auf eine Ausnahme (Autohaler) kann mit Trockenpulver-Inhalationssystemen die beste pulmonale Deposition der Substanz erreicht werden (bei Gesunden gemessen; vgl. 26).

Exazerbation der COPD: Bei schweren Verlaufs- und Erkrankungsformen der COPD treten oft Exazerbationen auf. Häufig wird eine solche Exazerbation durch einen intrabronchialen oder pulmonalen Infekt oder durch exogene Faktoren (z.B. Emissionen) ausgelöst. Häufige Exazerbationen verschlechtern den Verlauf der COPD. Es ist daher wichtig, die Diagnose einer Exazerbation schnell zu stellen und differentialdiagnostisch abzuklären, die Ursachen zu finden und das Ausmaß abzuschätzen, um schnell und effektiv behandeln zu können. Eine Exazerbation wird diagnostiziert, wenn zunehmender Husten mit mukopurulentem Auswurf und einem der folgenden Symptome vergesellschaftet ist: Allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber > 38°C, zunehmende Atemnot, vermehrt Auswurf, schwierigere Expektoration, erhöhte BSG, Leukozytose, Pneumonie (22, 25).

Zur Pharmakotherapie der Exazerbationen eignen sich die schon genannten Substanzen. Kortikosteroide – im Notfall hochdosiert i.v. oder oral gegeben – besserten signifikant rascher die Lungenfunktion im Vergleich mit Plazebo. Dieser positive Effekt der Steroide findet sich besonders bei Patienten mit schlechter Lungenfunktion (FEV1 < 50% des Sollwerts; s. Tab. 2a und 2b). Empfohlen werden Dosen von ca. 40 mg Prednisolon/d (max. 100 mg/d) über einen Zeitraum von 10-14 Tagen (1, 9). Eine noch länger dauernde Therapie war nicht günstiger im Hinblick auf die Besserung der Lungenfunktion oder die Häufigkeit von Exazerbationen (11, 12).

Bei bakteriell verursachten Exazerbationen werden überwiegend folgende Keime isoliert: Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis (13). Bei schlechterer Lungenfunktion sind gram-negative Erreger häufiger (13). Ein purulentes Sputum korreliert signifikant mit höherer Keimzahl und erhöhten Entzündungsparametern. Der Erfolg einer Antibiotikatherapie ist an der klinischen Besserung, der Besserung der Lungenfunktion und der Blutgasanalyse und an der Normalisierung der Entzündungsparameter (C-reaktives Protein, BSG, Leukozytose, Linksverschiebung im Differentialblutbild) zu erkennen und ist mit der Eradikation des bakteriellen Erregers assoziiert (14). Eine Antibiotikatherapie ist nur bei klinischem Verdacht auf eine bakterielle Infektion indiziert. Er ergibt sich aus den drei Symptomen der Exazerbation: vermehrt Luftnot, vermehrtes Sputumvolumen und Purulenz. Dann erfolgt eine nach dem Schweregrad der Erkrankung kalkulierte Antibiotikatherapie. In den frühen Stadien (kurze Anamnese, wenig veränderte Lungenfunktion) steht Amoxicillin im Vordergrund, nach Meinung mancher Spezialisten auch Doxycyclin oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol (25). Bei schwereren Erkrankungen (häufigere Exazerbationen, längere Anamnese, veränderte Lungenfunktion) müssen die Gram-negativen Erreger bei der Auswahl des Antibiotikums mit bedacht werden. Dann ist gelegentlich eine Erreger- und Resistenzbestimmung angezeigt (15-20).

Anxiolytika und Sedativa können bei schweren Exazerbationen, wie bei allen schweren Erkrankungen, unter Beachten und Abwägen der UAW und guter klinischer Beobachtung der Patienten eingesetzt werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW): Bei Beta2-Mimetika können folgende UAW auftreten: Herzrhythmusstörungen (Vorhofflattern, ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre Tachykardien), selten Angina pectoris sowie Palpitationen. Eine chronische Hypoxämie verstärkt diese potentiellen UAW. Beta2-Mimetika können auch zu Hypokaliämien führen. Deshalb sollten Patienten mit Herzinsuffizienz, Koronarer Herzkrankheit oder Herzrhythmusstörungen bei Therapie mit Beta2-Mimetika zu Therapiebeginn engmaschiger kontrolliert werden.

Wesentliche UAW der Anticholinergika ist Mundtrockenheit, die der inhalativ verwendeten Glukokortikosteroide Mund- und Rachensoor und (vorübergehende) Heiserkeit.

Die therapeutische Breite der Theophyllin-Präparate ist durch häufige UAW (Übelkeit, Schlafstörungen, Tachykardie), durch Interferenzen mit der Theophyllin-Clearance (Tabakrauchen, diverse Medikamente, z.B. Antibiotika) und durch den geringen bronchodilatierenden Effekt limitiert. In den Empfehlungen der schwedischen Arzneimittelbehörde ist daher Theophyllin als Routine-Medikation nicht mehr enthalten (25). Die Theophyllin-Blutspiegel sollten gelegentlich bestimmt werden, um die Compliance der Patienten zu prüfen und um die Therapie zu optimieren. Die Spiegel sollten zwischen 10 und 15 mg/l liegen.

Neuere Pharmaka: Tiotropiumbromid (eine Weiterentwicklung von Ipratropiumbromid) wurde 2002 als inhalatives Anticholinergikum zur Therapie der COPD in Deutschland zugelassen (Spiriva). Tiotropiumbromid hat eine stärkere bronchodilatierende Wirkung als Ipratropiumbromid (Atrovent) und muß nur einmal am Tag (18 µg/Hub) mittels eines Pulverinhalators appliziert werden (21). Als häufigste UAW wurde Mundtrockenheit beschrieben.

Zunehmend werden auch feste Kombinationen – bestehend aus einem inhalativen Glukokortikosteroid und einem langwirksamen Beta2-Mimetikum – angeboten. Zur Initialtherapie können sie nicht empfohlen werden. Am Anfang steht die Therapie mit Einzelsubstanzen und der Nachweis, daß sie helfen. Danach kommt eventuell die Therapie mit Kombinationen, und dann kann eine fixe Kombination gewählt werden, um die Compliance für die Daueranwendung zu unterstützen.

Beurteilung des Verlaufs: Die COPD ist eine progrediente Erkrankung, wobei sich die Lungenfunktion im Laufe der Jahre unabhängig von der Therapie individuell unterschiedlich schnell verschlechtern kann. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung sind Verlaufskontrollen zu empfehlen. Dazu gehören die Anamnese (mit Einschätzung der „Lebensqualität“ und der physischen Belastbarkeit), der Verlauf der Symptome und die Kontrolle der Lungenfunktion (mindestens eine Spirometrie; 22). Bei einem FEV1 < 40% des Sollwerts werden zusätzlich in regelmäßigen Abständen (z.B. alle 3 oder 6 Monate) Blutgasanalysen empfohlen. Da COPD-Patienten individuell sehr unterschiedlich auf die Pharmakotherapie ansprechen, muß sie im Hinblick auf Effektivität und UAW überprüft und entsprechend angepaßt werden. Dies betrifft insbesondere die Therapie mit Glukokortikoiden. Ein wichtiges Maß für den therapeutischen Erfolg ist die Häufigkeit von Exazerbationen, der Verlauf von Dyspnoe, Husten und Auswurf, die körperliche Leistungsfähigkeit und das Eintreten von Sekundärkomplikationen (Lungenemphysem, respiratorische Insuffizienz und Cor pulmonale; 9, 22-25).

Literatur

  1. Pauwels, R.A., et al. (GOLD = Global initiative (NHLBI/WHO) for chronic Obstructive Lung Disease workshop summary): Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2001, 163, 1256.
  2. Burge, P.S.: Thorax 1999, 54, 287.
  3. Gillissen, A.: Aerosole in der Inhalationstherapie V (Hrsg.: G. Scheuch) Vol. 5, S. 34-43. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, München-Deisenhofen, 2001.
  4. Burge, P.S., et al. (ISOLDE = Inhaled Steroids in Obstructive Lung Disease in Europe): Brit. Med. J. 2000, 320, 1297.
  5. Pauwels, R.A., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 340, 1948; s.a. AMB 1999, 33, 70.
  6. Paggiaro, P.L., et al.: Lancet 1998, 351, 773.
  7. van Grunsven, P.M., et al.: Thorax 1999, 54, 7.
  8. Vestbo, J., et al.: Lancet 1999, 353, 1819.
  9. British Thoracic Society: Thorax 1997, 52 Suppl.5, S1.
  10. Barnes, P.J.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2000, 161, 342.
  11. Bullard, M.J., et al.: Am. J. Emerg. Med. 1996, 14, 139.
  12. Keatings, V.M., et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 1997, 155, 542.
  13. Eller, J., et al.: Chest 1998, 113, 1542.
  14. Gompertz, S., et al.: Eur. Respir. J. 2001, 17, 1112.
  15. Worth, H., et al.: Med. Klinik 1997, 92, 699.
  16. Ewig, S., et al.: Atemw.-Lungenkrkh. 1998, 24, 18.
  17. Schaberg, T., et al.: Pneumologie 1998, 52, 450.
  18. Schäfer, H., et al.: Intensivmed. 2000, 37, 176.
  19. Soler, N., et al.: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 1998, 157, 1498.
  20. Vogel, F., et al.: Chemotherapie J. 2000, 9, 3.
  21. Casaburi, R., et al.: Eur. Respir. J. 2002, 19, 217.
  22. Worth, H., et al.: Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga. Pneumologie 2002, 56, 704.
  23. American Thoracic Society: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 1995 152, S77.
  24. Gillissen, A.: Atemw.-Lungenkrkh. 2002, 28, 487.
  25. Information fran läkemedelsverket 2002, 13, 8.
  26. AMB 2002, 36, 4a.

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