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Neues über Venenthrombosen bei Patientinnen der WHI-Studie

In der von uns früher besprochenen Women’s-Health-Initiative-Studie (WHI), die nach etwa 5,5 Jahren Laufzeit wegen eines signifikant erhöhten Brustkrebsrisikos bei Einnahme konjugierter Östrogene aus Stutenharn (Conjugated equine estrogens = CEE) plus 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat (MPA) pro Tag beendet wurde, war auch das Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, unter Hormontherapie im Vergleich mit Plazebo erhöht (1). Die Autoren der WHI-Gruppe berichten jetzt detailliert über Venenthrombosen, die während dieser Studie von insgesamt 5,6 Jahren Dauer (bisher nur über 5,2 Jahre berichtet) auftraten und ergänzen die Mitteilungen durch die Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie, in der genetische Risikofaktoren, wie „Faktor V Leiden”, als Teilursache der Thrombosen untersucht wurden (2).

Die Frauen dieser Studie waren zwischen 50 und 79 Jahre alt (im Mittel ca. 63 Jahre). Der Einschluß vieler älterer Frauen muß betont werden, da das Alter per se ein Risikofaktor für Thrombosen ist. In der Erstveröffentlichung der WHI-Gruppe von 2002 (1) wurde das gesamte Relative Risiko (RR) für Venenthrombosen mit oder ohne Lungenembolie mit 2,11 im Vergleich mit Plazebo angegeben. In der jetzigen Auswertung ist das RR mit 2,06 (Vertrauensintervall = CI: 1,57-2,70) weiterhin hochsignifikant erhöht. Insgesamt ereigneten sich bei den 16608 Frauen (davon je die Hälfte mit Hormonen bzw. Plazebo behandelt) 167 Thrombosen in der Hormon- und 76 in der Plazebo-Gruppe. Bereits die Häufigkeit der Thrombosen in der Plazebo-Gruppe ist interessant. In unserem Hauptartikel vom März 2001 (3) waren wir noch von einer Thrombosehäufigkeit bei postmenopausalen Frauen von 10-15/100000 „Frauenjahre” ausgegangen. Bei den WHI-Frauen der Plazebo-Gruppe im Alter zwischen 50 und 59 Jahren war die Inzidenz jedoch 80/100000 Jahre, im Alter von 60-69 Jahren 190/100000 Jahre und bei 70-79-Jährigen 250/100000 Jahre. In allen Altersgruppen wurde das Risiko durch Hormone um etwa den gleichen Faktor (ca. 2) erhöht. Dies entspricht bei alten Frauen einer wesentlich größeren absoluten Zunahme von Thrombosen als bei jüngeren Frauen.

Unabhängig vom Alter waren Übergewicht (BMI 25-30) und Adipositas (BMI > 30) Risikofaktoren für Thrombosen in der Plazebo-Gruppe. Verglichen mit Frauen der Plazebo-Gruppe mit BMI < 25 hatten Übergewichtige ein deutliches und Adipöse ein signifikant erhöhtes RR von 2,87 (CI: 1,5-5,4), eine Thrombose zu erleiden. In allen Gewichtsgruppen wurde wiederum das Thrombose-Risiko durch Hormoneinnahme um den Faktor 2 erhöht, d.h. bei Adipösen absolut fast dreimal so deutlich wie bei einem BMI < 25.

Bei 147 Thrombosepatientinnen der WHI-Studie und bei 513 vergleichbaren Kontroll-Frauen ohne Thrombosen wurde die Häufigkeit genetischer Varianten gerinnungsrelevanter Gene untersucht. Es zeigte sich, daß Faktor V Leiden das hormonbedingte Thrombose-Risiko um den Faktor 6,7 im Vergleich mit Frauen ohne diese Mutante verstärkte, während andere untersuchte Faktoren (Prothrombin 20210A, Methylentetrafolat-Reduktase C677T, Faktor XIII Val34Leu, PAI-1 4G/5G, Faktor V HR2) das hormonbedingte Thrombose-Risiko nicht veränderten.

Die Daten dieser Studie beziehen sich auf eine kontinuierliche kombinierte Hormontherapie mit CEE und MPA bei Frauen mit intaktem Uterus. In dem Teil der WHI-Studie mit alleiniger CEE-Therapie (Frauen ohne Uterus) war das Thrombose-Risiko mit 1,47 (CI: 1,04-2,08) weniger deutlich erhöht im Vergleich mit Plazebo (4).

Fazit: Die genauere Auswertung der WHI-Studie bestätigt unsere bisherige Empfehlung, eine peri-/postmenopausale Hormontherapie nur zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer klimakterischer Beschwerden für einen begrenzten Zeitraum einzusetzen. Sie sollte nicht bei älteren Frauen aus „Lifestyle”-Gründen erfolgen und nicht bei Frauen mit Risikofaktoren für Thrombosen, wie ausgeprägter Adipositas, früheren Thrombosen und bekanntem Faktor V Leiden.

Literatur

  1. Rossouw, J.E., et al. for the Women’s Health Initiative Investigators (WHI): JAMA 2002, 288, 321; s.a. AMB 2002, 36, 68.
  2. Cushman, M., et al. for the Women’s Health Initiative Investigators (WHI): JAMA 2004, 292, 1573.
  3. AMB 2001, 35, 17.
  4. Anderson, G.L., et al. for the Women’s Health Initiative Steering Committee (WHI): JAMA 2004, 291, 1701; s.a. AMB 2004, 38, 37.