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Späte Thrombosen in medikamentenbeschichteten koronaren Stents

Die Einführung medikamentenbeschichteter Stents (engl.: Drug Eluting Stents = DES) hat in den vergangenen Jahren die interventionelle Kardiologie stark verändert (s.a. 1-3) Einerseits können Patienten mit Problemstenosen besser behandelt werden, weil die Re-Stenosen im Vergleich mit konventionellen Stents deutlich seltener sind (Diabetiker, lange Läsionen, dünnlumige Gefäße, „In-Stent”-Re-Stenosen), andererseits haben sich die Kardiologen im Gefühl der Sicherheit vor Re-Stenosen immer weiter vorgewagt (Hauptstamm-Intervention, Dreigefäß-Intervention). Allerdings fehlt bis heute der eindeutige Nachweis, daß die geringere Re-Stenoserate zu längerem Überleben und weniger ST-Hebungsinfarkten führt. Es gibt jedoch weniger Re-Interventionen und weniger Krankenhausaufnahmen wegen akuter Koronarsyndrome, was als Argument für die Kosteneffektivität der teuren DES dient. Die behandelnden Ärzte wissen aber meist, welcher Stent implantiert ist, d.h. es liegt keine verblindete Situation vor, und dadurch könnten die Entscheidungen zu weiteren Maßnahmen beeinflußt worden sein.

DES sind polymerbeschichtete Stents, die in einem aufwändigen Verfahren mit einem Chemotherapeutikum imprägniert werden. Diese Substanzen werden lokal im Koronargefäß über Tage abgegeben und verzögern deutlich Endothelialisierung und Intimahyperplasie, von denen die Re-Stenosierung ausgeht.

Zwei renommierte Zentren für interventionelle Kardiologie in Rotterdam und Washington warnen nun im Lancet vor einer speziellen Komplikation bei DES, der sehr späten Stent-Thrombose. Sie berichten über vier Patienten, die jeweils ca. ein Jahr nach Stent-Implantation eine Stent-Thrombose mit konsekutivem Myokardinfarkt erlitten hatten (4). Bei den konventionellen Stents kommt eine Stent-Thrombose sechs Monate nach der Implantation praktisch nur noch selten vor. Daher galt es bislang als Regel, daß nach der Sechs-Monats-Grenze ein Stent sicher eingeheilt ist und keine speziellen Vosichtsmaßnahmen mehr ergriffen werden müssen. Wenn jedoch vor dieser kritischen Sechs-Monats-Grenze ein nicht-kardialer operativer Eingriff vorgenommen werden muß, dann ist mit einer sehr hohen perioperativen kardiovaskulären Letalität (ca. 30%) zu rechnen.

Bei den vier berichteten Patienten traten die Thrombosen der DES noch ein Jahr nach Implantation auf. Bei allen war Azetylsalizylsäure (ASS; in drei Fällen wegen eines operativen Eingriffs) abgesetzt worden, und es kam 4, 5, 7 und 14 Tage nach Absetzen der ASS zur Thrombose mit Myokardinfarkt. Zwei DES waren mit Sirolimus (Cypher) und zwei mit Paclitaxel (Taxus) beschichtet. Offenbar wirken die nicht oder nur unvollständig vom Endothel überzogenen Maschen der Stents weiter thrombogen, und es ist unbekannt, wie lange. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß sich ein DES – anders als ein konventioneller Stent – bei manchen Patienten auch noch weit über ein Jahr hinaus thrombotisch verschließen kann.

Fazit: Patienten, die einen DES erhalten, müssen künftig darüber aufgeklärt werden, daß sie wesentlich länger als Patienten mit konventionellem intrakoronarem Stent ASS einnehmen müssen. Operativ tätige Ärzte müssen sich deshalb kundig machen, welchen Stent ein Koronarpatient erhalten hat. Sie dürfen nicht zum Absetzen der ASS raten und sollten diese Patienten, wenn nötig, auch unter ASS operieren. Ein Paß („Stent-Paß”), ähnlich wie bei künstlichen Herzklappen wäre darüber hinaus wünschenswert.

Literatur

  1. AMB 2002, 36, 20.
  2. AMB 2003, 37, 37.
  3. AMB 2003, 37, 86b.
  4. McFadden, E.P., et al.: Lancet 2004, 364, 1519.