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Leserbrief: IMPROVE-IT: Wirklich eine Verbesserung durch Ezetimib?

Herr A.K. aus N. schreibt: >> Erlauben Sie mir eine Anmerkung zur aktuell publizierten IMPROVE-IT-Studie. Nachdem diese Studie schon im Vorfeld von zahlreichen „Experten“ hoch gelobt wurde, habe ich mit Spannung die Volltext-Publikation erwartet. Ja, es stimmt, es konnte erstmals der Nachweis einer wirksamen LDL-Senkung durch ein Nicht-Statin erbracht werden. Die Studie hält aber einer genaueren, vor allem einer ökonomischen Prüfung nicht stand: die NNT (Number Needed to Treat) beträgt 50, d.h., man muss 50 Patienten sieben Jahre lang behandeln, um ein Ereignis zu verhindern. Bei Tagestherapiekosten von ca. 2 € bedeutet dies den Kosteneinsatz von insgesamt knapp über 250.000 € zur Verhinderung eines Ereignisses (Rechnung: 2 € x 365 Tage x 7 Jahre x 50 Patienten = 255.000 €). Wollen oder können wir uns das leisten? Ich glaube, eine echte und nachhaltige Aufforderung zur Verbesserung („IMPROVE-IT“) sieht anders aus. <<

Antwort: >> Über die mit großer Verzögerung und nach fünffacher Abänderung des ursprünglichen Protokolls (einschließlich der Patientenzahl) abgeschlossene IMPROVE-IT-Studie haben wir ausnahmsweise vorab berichtet (1), denn zum damaligen Zeitpunkt war eine Publikation nicht abzusehen. Diese liegt nun vor (2).

Hier nochmals eine kurze Zusammenfassung der Studie mit einer Präzisierung der Ergebnisse: 18.144 Patienten wurden innerhalb von zehn Tagen nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) randomisiert und sekundärprophylaktisch mit dem Cholesterin-Absorptionshemmer Ezetimib plus Simvastatin (9.067 Patienten) vs. Plazebo plus Simvastatin (9.077 Patienten) behandelt. Nach sieben Jahren wurde der primäre Endpunkt (kardiovaskuläre Letalität, Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris, koronare Revaskularisation) von 32,7% vs. 34,7% der Patienten erreicht (Hazard ratio = HR: 0,936; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,89-0,99; p = 0,016). Die NNT, um ein Ereignis zu verhindern, betrug somit 50 Patienten/7 Jahre oder 350 Patienten/Jahr. Etwas prägnanter waren die Unterschiede der (tertiären) Endpunkte Myokardinfarkt (12,8% vs. 14,4%; HR: 0,87; CI: 0,8-0,95; p = 0,002) und ischämischer Schlaganfall (3,4% vs. 4,1%; HR: 0,79; CI: 0,67-0,94; p = 0,008). Die Serum-LDL-Spiegel nach einem Jahr lagen bei 53,7 mg/dl vs. 69,5 mg/dl (p < 0,001).

Die Häufigkeit von Nebenwirkungen (einschließlich Erhöhung der Transaminasen, muskuloskelettale und biliäre Probleme, Inzidenz von Neoplasien) unterschieden sich in den beiden Gruppen nicht, so auch die von den Autoren nicht näher kommentierte relativ hohe Drop-out-Quote von 42%/7 Jahre, also ca. 6%/Jahr.

Die Autoren betonen, dass das Verhältnis von Lipidsenkung zur Endpunktreduktion durch den Nicht-Statin-Lipidsenker Ezetimib auf einer Linie mit den Studienresultaten unterschiedlicher Dosierungen von Statinen liegt. Das trifft auch annähernd zu (vgl. auch 3), da sowohl die Lipidsenkung als auch die Reduktion der Endpunkte ungefähr in gleichem Maße geringer ausgeprägt ist als in fast allen Statin-Studien. Die statistische Signifikanz der IMPROVE-IT-Ergebnisse ergibt sich vor allem als Folge der großen Teilnehmerzahlen. Fast gebetsmühlenartig wird – auch in einem Editorial derselben Ausgabe des N. Engl. J. Med. (4) – immer wieder dargelegt, wie wichtig die Senkung des Serum-LDL-Spiegels in besonders niedrige Zielbereiche sei, auch unabhängig vom Wirkmechanismus. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier bereits der Boden für die nächste Generation der Nicht-Statin-Lipidsenker – die PCSK9-Inhibitoren (5) – bereitet werden soll. Dies steht allerdings in einem gewissen Gegensatz zu den im vergangenen Jahr publizierten amerikanischen Leitlinien, die den Schwerpunkt der Lipidsenkung wieder ganz auf Statine legten und keine generellen Zielwerte für das Serum-LDL nannten (6).

Fazit: Wir glauben nicht, dass die sehr moderaten Wirkungen von Ezetimib es rechtfertigen, mit diesem verhältnismäßig teuren Arzneimittel den Serum-LDL-Spiegel auf besonders niedrige (Ziel-)Werte zu senken. <<

Literatur

  1. AMB 2015, 49,04. Link zur Quelle
  2. Cannon, C.P., et al. (IMPROVE-IT = IMProved Reductionof Outcomes: Vytorin Efficacy-International Trial): N.Engl. J. Med. 2015, 372, 2387. Link zur Quelle
  3. AMB 2011, 45, 25. Link zur Quelle
  4. Jarcho, J.A. und Keaney, J.F.: N. Engl. J. Med. 2015, 372,2448. Link zur Quelle
  5. AMB 2015, 49, 30. Link zur Quelle
  6. AMB 2014, 48, 01. Link zur Quelle