Im vergangenen Juli wurde im J. Am. Coll. Cardiol. eine Arbeit publiziert, in der ein neues Verfahren (Focal Impulse and Rotor Modulation = FIRM; ursprünglich Fa. Topera, 2014 von Fa. Abbott übernommen) zur Ablation von Vorhofflimmern (VHF) mit der konventionellen Pulmonalvenen-Isolation (PVI) verglichen wurde – die OASIS-Studie (1). Untersucht wurden drei Strategien: FIRM vs. FIRM plus PVI vs. PVI bei insgesamt 113 Patienten. Nach 12 Monaten wurde der primäre Endpunkt (kein erneutes Auftreten von VHF oder Vorhoftachykardie ohne Antiarrhythmika) in diesen Gruppen bei 14% vs. 52% vs. 76% erreicht und der Therapiearm, in dem ausschließlich FIRM eingesetzt wurde, deshalb vorzeitig beendet – also ein klares negatives Resultat für das neue Verfahren, dessen Ende damit weitgehend besiegelt schien.
Doch dies war nicht das Ende: Im September zog das Journal den Artikel überraschend zurück. Dazu werden offiziell zwei Gründe angeführt (2):
- Abweichungen im Randomisierungsprozess, die nicht im Manuskript angeführt waren.
- Die Tatsache, dass der Patienteneinschluss bereits vor Komplettierung der verpflichtenden Registrierung auf der US-Behörden-Website clinicaltrials.gov (vgl. 3) begonnen hatte.
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung wurde von unterschiedlichen Seiten – unter anderem vom korrespondierenden Autor (!) – der Verdacht geäußert, dass diese ungewöhnliche Entscheidung durch den Hersteller des Medizinprodukts zum FIRM-Verfahren beeinflusst war. Für das Zurückziehen eines publizierten Artikels müssen nach den Kriterien des J. Am. Coll. Cardiol. eigentlich „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, die mit den hier angeführten Unregelmäßigkeiten sicher nicht erfüllt sind. Die offenbar eher formalen Fehler, wie sie bei vielen Studien in ähnlicher Weise vorkommen, hätten ohne weiteres in einem Addendum zur Publikation erläutert werden können. Es ist unwahrscheinlich, dass sie das Ergebnis der Studie beeinflusst haben. Außerdem waren sie bereits während des gesamten Peer-Review-Prozesses bekannt und hätten vor der Publikation beanstandet werden können und müssen (4).
Seitens des American College of Cardiology (ACC, das das Journal herausgibt) wurde zwar bestätigt, dass man „von der Industrie“ Briefe erhalten habe, in denen Bedenken zu den Ergebnissen von OASIS geäußert wurden. Zur Frage, ob diese von den FIRM-Herstellern Abbott oder Topera gekommen seien, hielt man sich aber bedeckt. Laut OASIS-Studienautor enthielten diese Briefe aber ganz eindeutig Informationen, die nur die Hersteller wissen konnten. Dennoch wird seitens des ACC beteuert, dass man „unbeeinflusst und nach rein wissenschaftlichen Kriterien“ entschieden habe (4).
Es bestehen somit zwei Möglichkeiten:
- Falls die Publikation dennoch die strengen Kriterien des J. Am. Coll. Cardiol. für ein Zurückziehen tatsächlich erfüllen sollte und die Entscheidung somit gerechtfertigt war, muss man fragen, warum diese Mängel nicht bereits vorher aufgefallen sind. In diesem Fall wäre einmal mehr das System der Peer-Review-Prozesse, die unter immer höherem Druck und immer schneller ablaufen, kritisch zu hinterfragen – und auch die ethische Verantwortung der OASIS-Autoren.
- Wenn aber die Arbeit die Kriterien für ein Zurückziehen der Publikation nicht erfüllt – wofür es einige überzeugende Hinweise gibt – liegt der Verdacht nahe, dass durch die Entscheidung des Journals Interessen der Industrie bedient wurden. Dass einflussreiche Hersteller, die auch medizinische Zeitschriften und Fachgesellschaften finanziell unterstützen, durchaus Interesse an der Nicht-Publikation von Studien mit negativen Ergebnissen haben, ist nicht neu (5). Eine kommerziell motivierte Zurücknahme eines bereits publizierten Artikels wäre jedoch eine neue Dimension der kommerziell motivierten Einflussnahme auf wissenschaftliche Ergebnisse.
In jedem Fall ist diese Angelegenheit ein trauriges Kapitel in der Geschichte der medizinischen Publikationen, in dem letztlich keiner der Beteiligten unbeschadet wegkommt: Journal, Reviewer, die Fachgesellschaft ACC, der Industriesponsor, die Autoren und die teilnehmenden Kliniken.
Der Hersteller gibt nicht auf: Weitere Studien zum FIRM-System sind bereits auf dem Weg (REAFFIRM; REDO-FIRM). An dieser Stelle sei auch nochmals an das Risiko-Nutzen-Verhältnis der VHF-Ablation erinnert: Einer Erfolgsrate von maximal 75% stehen zum Teil ernste prozedurale Komplikationen von ca. 7% gegenüber. Nur ausgewählte Patienten (symptomatische Patienten in frühen Krankheitsstadien ohne bedeutsame „strukturelle“ Herzerkrankung) sollten nach entsprechender Aufklärung dafür in Betracht gezogen werden (5). Kürzlich wurde in einem Brief an den Herausgeber des Int. J. Cardiol. sogar die provokante Frage gestellt, ob die VHF-Ablation in einer randomisierten, mittels Schein-Prozedur kontrollierten Studie möglicherweise negativ abschneiden würde (7) – ebenso wie z.B. die renale Denervation zur Behandlung der „resistenten arteriellen Hypertonie“ (8, 9).
Fazit: Eine publizierte Studie aus dem Bereich der interventionellen Kardiologie (Ablation bei Vorhofflimmern) ergab ein negatives Ergebnis für ein bestimmtes Ablationssystem und wurde aus rein formalen Gründen zurückgezogen. Es gibt Hinweise, dass kommerzielle Interessen eines einflussreichen Herstellers diese Entscheidung beeinflusst haben. Das wirft kein gutes Licht auf das renommierte Fachjournal und auf wissenschaftliche Publikationen in der Medizin.
Literatur
- Mohanty,S., et al. (OASIS= Outcome of different Ablation Strategies Inpersistent and long-Standing persistent atrial fibrillation): J. Am. Coll. Cardiol.2016, 68,274. Link zur Quelle
- http://content.onlinejacc.org/article.aspx?articleid=2520153 Link zur Quelle
- AMB2015, 49, 32DB01. Link zur Quelle
- http://www.medscape.com/viewarticle/868733 Link zur Quelle
- AMB2008, 42, 79. Link zur Quelle
- AMB2014, 48, 81. Link zur Quelle
- Ozeke,O., et al.: Int. J. Card. 2016, 211, 55. Link zur Quelle
- AMB2012, 46, 33. Link zur Quelle
- AMB2014, 48, 16. Link zur Quelle