Die lipidsenkende Therapie mit Statinen ist als medikamentöse Standardtherapie beim Akuten Koronarsyndrom (ACS) in internationalen Leitlinien fest verankert (1, 2). In mehreren kleinen Studien und systematischen Reviews wurde der Effekt einer Statin-Loading-Dosis (schnelle hohe Aufdosierung) vor und nach perkutaner Koronarintervention (PCI) untersucht. Mit dieser Medikation konnten positive Effekte auf die periinterventionelle Häufigkeit von Myokardinfarkten (MI) und andere schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Major Adverse Cardiovascular Events = MACE) nachgewiesen werden (3, 4), möglicherweise durch antiinflammatorische Wirkungen von Statinen. Unklar ist, wann der beste Zeitpunkt eines solchen Loadings bei einem ACS ist.
In einer randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Studie an 53 Zentren in Brasilien mit dem Akronym SECURE-PCI ergab sich bei 4.191 Patienten mit ACS und geplanter PCI kein Vorteil eines frühen, präprozeduralen Loadings mit 80 mg Atorvastatin (5, 6). Primärer Endpunkt war die Häufigkeit schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE-Rate), definiert als kombinierter Endpunkt aus Gesamtsterblichkeit, Myokardinfarkt, Schlaganfall und ungeplanter koronarer Revaskularisation nach 30 Tagen. Die MACE-Rate betrug in der Atorvastatin-Gruppe 6,2% und in der Kontrollgruppe 7,1% (p = 0,27). In dieser Studie erhielten aber letztlich nur 2.710 Patienten (64,7%) tatsächlich eine PCI, 333 (8%) wurden operativ mit einem Bypass versorgt und 1.144 (27,3%) rein konservativ weiter behandelt. In einer Subgruppenanalyse zeigte sich jedoch ein Vorteil bei den Patienten, die tatsächlich eine PCI erhalten hatten. Diese Gruppe der SECURE-PCI-Studie wurde jetzt nochmals genauer untersucht (7).
Methodik: In dieser Gruppe (24,0% Frauen) betrug das mittlere Alter 62 ± 11,3 Jahre. Einen ST-Hebungsinfarkt (STEMI) hatten 32,4%, einen Nicht-Hebungsinfarkt (NSTEMI) 59,7% und eine instabile Angina pectoris (iAP) 7,8%. Die Patienten erhielten randomisiert entweder 80 mg Atorvastatin oder Plazebo jeweils vor und 24 Std. nach der geplanten PCI. Bei Patienten mit iAP und NSTEMI wurde die erste Studienmedikation zwischen 2 und 12 Std. vor der PCI eingenommen, bei STEMI so schnell wie möglich. Alle Patienten erhielten ab Tag 2 nach der PCI offen 40 mg Atorvastatin über 30 Tage. Der primäre Studienendpunkt war die Zahl der MACE nach 30 Tagen, zusammengesetzt aus Gesamtletalität, akutem Myokardinfarkt, Schlaganfall und ungeplanter koronarer Revaskularisation. Sekundäre Endpunkte waren Tod aus kardiovaskulären Ursachen, Stent-Thrombose und Interventionen am Infarktgefäß.
Ergebnisse: In der Atorvastatin-Gruppe waren 1.351, in der Plazebo-Gruppe 1.359 Patienten. In dieser Sekundäranalyse der beiden Gruppen waren die Risiken nicht ganz gleich verteilt (etwas mehr Frauen und etwas mehr STEMI in der Plazebo-Gruppe). Die Zeit zwischen Krankenhausaufnahme und PCI betrug im Median 20 Std. (Interquartile Range = IQR: 3-72), die Zeit zwischen Randomisierung und Einnahme der Studienmedikation im Median 0,1 Std. (IQR: 0-0,6) und die Zeit zwischen Randomisierung und PCI im Median 3 Std. (IQR: 1-6).
Es erhielten 98% der Patienten einen Stent und 23% mehr als einen; bei 7,6% traten periprozedural Komplikationen auf. Die MACE-Rate nach 30 Tagen betrug in der Atorvastatin-Gruppe 6% und in der Plazebo-Gruppe 8,2%. Das entspricht einer MACE-Reduktion von relativ 28% (adjusted Hazard Ratio = HR: 0,72; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,54-0,97; p = 0,03). Hieraus errechnet sich eine Number Needed to Treat (NNT) von 45. Das präprozedurale Loading mit Atorvastatin war allerdings nur bei den Patienten mit STEMI wirksam (HR: 0,59; CI: 0,38-0,92; p = 0,02). Am größten war der Effekt bei den STEMI-Patienten, die die Studienmedikation > 2 Std. vor der PCI erhalten hatten (HR: 0,36), wobei diese Untergruppe mit 210 Patienten sehr klein war. Bei Patienten mit iAP oder mit NSTEMI war der Nutzen des Loadings mit Atorvastatin nicht nachweisbar (HR: 0,85; CI: 0,58-1,27; p = 0,43).
Die Ergebnisse von SECURE-PCI entsprechen denen früherer Studien, in denen Patienten mit stabiler KHK und elektiver PCI untersucht wurden (8, 9). Auch aus einer Metaanalyse verschiedener Therapieregime bei ACS ergab sich ein signifikanter Vorteil hinsichtlich MACE nach 30 Tagen für eine frühzeitige Aufdosierung mit Statinen vor einer PCI (10). Die Autoren vermuten als Hauptmechanismus antiinflammatorische Wirkungen von Statinen (11, 12). Dafür könnte auch sprechen, dass der Nutzen des präprozeduralen Loadings mit 80 mg Atorvastatin unabhängig davon auftrat, ob die Patienten schon vorher mit Statinen behandelt worden waren oder nicht.
Fazit: In der SECURE-PCI-Studie hatten Patienten mit Akutem Koronarsyndrom und folgender Koronarintervention einen Nutzen von einer möglichst frühzeitigen präprozeduralen Einnahme eines Statins in hoher Dosis (hier Atorvastatin 80 mg). Die Zahl schwerer kardiovaskulärer Ereignisse innerhalb von 30 Tagen war gegenüber Plazebo um relativ 28% niedriger mit einer errechneten NNT von 45. Der Nutzen war größer bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt und war unabhängig davon, ob die Patienten mit einem Statin vorbehandelt waren oder nicht. Keinen Nutzen von diesem schnellen, hochdosierten Statin-Loading hatten Patienten, die konservativ (ohne Koronarintervention) weiterbehandelt worden waren.
Literatur
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