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Entstigmatisierung der Menopause – ein besseres Konzept als die von Interessen geleitete Propagierung einer Hormontherapie [CME]

Menopause bezeichnet korrekt die letzte Menstruation. Im Alltag wird darunter aber eher ein Zeitraum verstanden, der mit unregelmäßigen Menstruationszyklen beginnt und ein Jahr nach der letzten Menstruation endet. Die Menopause wird häufig von vasomotorischen Symptomen begleitet, wie anfallsartige Hitzewellen, Nachtschweiß, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen sowie Muskel- oder Gelenkschmerzen. Die einzelnen Symptome können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und auch individuell stark schwanken. Etwa 75% der Frauen beschreiben überhaupt und etwa 25% starke Symptome; allgemein bestehen sie etwa 7 Jahre lang, bei einigen auch länger ([1]). Bei sehr vielen klingen die Beschwerden aber nach ein bis zwei Jahren spontan ab.

Erfahrungsgemäß wollen die meisten Frauen mit leichteren Symptomen keine hormonelle (Ersatz-)Therapie (HET; [2]). Die HET ist für pharmazeutische Unternehmer aber lukrativ, und Medien suggerieren gern, dass es sich bei der Menopause generell um einen behandlungsbedürftigen Zustand bzw. eine Erkrankung handelt. Der Bildungsgrad der Frauen und der allgemeine kulturelle Umgang mit diesen biologischen Veränderungen haben großen Einfluss auf das subjektive Erleben und die Akzeptanz dieses Lebensabschnitts ([3]). Das erklärt auch die regionalen Unterschiede in der Inzidenz klimakterischer Beschwerden ([4], [5]). In Ländern, in denen der gesellschaftliche Wert von Frauen stark von ihrer Jugendlichkeit und Reproduktionsfähigkeit abhängt, sind klimakterische Beschwerden häufiger und stärker ([3]). In einer kleineren Studie an Migrantinnen aus Indien klagten diejenigen, die nach Großbritannien ausgewandert waren – ähnlich wie die meisten britischen Frauen – über Hitzewallungen, dagegen hatten vergleichbare in Indien lebende Frauen keine derartigen Symptome ([6]). Menopausale Asiatinnen leiden vorwiegend unter Gelenkbeschwerden; Hitzewallungen kommen dort fast nicht vor ([7]). Auch Achtsamkeit hinsichtlich der Ernährung, des Körpergewichts und Vermeiden von Tabakkonsum können Symptome der Perimenopause günstig beeinflussen. In Ländern mit hohem Einkommen tritt die Menopause zwischen 45-55 Jahren ein (im Mittel mit 51 Jahren), in ärmeren Ländern bereits mit 46-48 Jahren.

Die Menopause ist ein natürlicher Prozess. Wird dieser Lebensabschnitt jedoch so dargestellt, dass häufig eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist, bekommt er leicht das Stigma einer Krankheit, und Frauen reagieren darauf mit negativen Erwartungen und innerer Abwehr ([2]). Die vorteilhaften Aspekte des Klimakteriums zu betonen, beispielsweise die neu gewonnene Freiheit ohne Beeinträchtigungen durch die Menstruation bzw. die nicht mehr notwendige Verhütung, könnten dazu beitragen, dass Frauen ihren biologischen Veränderungen positiver gegenüberstehen. In einem systematischen Review hatten Frauen, die in dieser Weise aktiv auf ihr Klimakterium vorbereitet worden waren, weniger Beschwerden als unvorbereitete ([8]). Eine positive Einstellung zum Klimakterium hat auch günstige Einflüsse auf die sexuelle Aktivität und das sexuelle Erleben in dieser Lebensphase ([9]). Unverständlich und kontraproduktiv ist, dass Fragebögen zur Menopause üblicherweise nur Fragen zu negativen Erfahrungen enthalten und Äußerungen zu positiven Aspekten gar nicht zulassen ([10]).

Wenn Frauen älter als 80 Jahre alt werden, verbringen sie in der Summe fast ein Drittel ihres Lebens in der Meno- und Post-Menopause mit relevanten negativen Einflüssen auf Knochendichte/-stabilität, kardiovaskuläre Ereignisse und die allgemeine Lebensqualität ([11]). Frauen mit stark ausgeprägten Symptomen können von einer HET profitieren ([12], [13]). In einem analytischen Artikel des BMJ wurden kürzlich die Ergebnisse mehrerer Metaanalysen und Cochrane Reviews zusammengefasst ([1]).

Ein signifikanter Vorteil einer HET zeigte sich hinsichtlich der Knochendichte bzw. der Häufigkeit von Frakturen ([14]) sowie kardiovaskulärer Ereignisse. Dieser war am größten, wenn die Therapie innerhalb der ersten 10 Jahre nach der letzten Menstruation und vor dem 60. Lebensjahr begonnen und insgesamt nicht länger als 5 Jahre durchgeführt wurde ([14], [15]). Für kardiovaskuläre Ereignisse und kardiovaskulären Tod ergab sich unter der HET ein relatives Risiko (RR) von 0,52; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,29-0,96). Auch die Gesamtmortalität, die u.a. die Auswirkungen der HET mit ihren Vor- und Nachteilen widerspiegelt, war mit einem RR von 0,7 (CI: 0,52-0,95) im Vergleich zu Plazebo niedriger ([15]). Der Beginn einer HET mit > 60 Jahren zeigte dagegen keine derartigen Vorteile. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine gepoolte Analyse von Studien der Women’s Health Initiative (WHI) mit einer Hazard ratio (HR) von 0,69 für die Gesamtmortalität. Das galt auch für Frauen unter Östrogen-Monotherapie (HR: 0,68), die aber bei Frauen ohne Hysterektomie kontraindiziert ist. Eine HET bei < 60-Jährigen ergab Vorteile hinsichtlich koronarer Herzkrankheit (Odds Ratio = OR: 0,61), kardiovaskulärer Letalität (OR: 0,61) und hinsichtlich der Gesamtmortalität (OR: 0,72) im Vergleich zu Plazebo ([16]).

Diese Vorteile einer HET müssen gegen die erhöhten Risiken für Thrombosen und Brustkrebs abgewogen werden. Das Risiko für Brustkrebs steigt unter einer oralen, kombinierten Östrogen-/Progestagen-Medikation mit der Therapiedauer und der Art und Gesamtmenge des eingenommenen Progestagens. Nach Ergebnissen einer großen Metaanalyse aus dem Jahr 2019 ist das erhöhte Risiko bereits in den ersten 4 Jahren einer kombinierten HET, die mit etwa 50 Jahren beginnt, nachweisbar: Relatives Risiko = RR: 1,6; Konfidenzintervall = CI: 1,52-1,69. In den Jahren 5-14 der HET steigt das RR auf das Doppelte: RR: 2,08; CI: 2,02-2,15. Anders dargestellt: Bei Frauen in Industrieländern (mit durchschnittlichem Körpergewicht) erhöht eine mit 50 Jahren begonnene kombinierte HET von 5 Jahren, die Inzidenz von Brustkrebs im Alter von 50-69 Jahren um etwa eine Erkrankung pro 50 Benutzerinnen. Die Zunahme nach 10 Jahren kombinierter HET ist etwa doppelt so hoch ([17]).

Eine Indikation besteht deshalb nur bei Frauen mit schweren Symptomen zur Verbesserung ihrer Lebensqualität. Wir haben uns seit Jahren kritisch zur HET positioniert ([18]). Seit 2017 bzw. 2020 sprechen sich die amerikanische ([19]) und auch die deutsche, österreichische und schweizerische Fachgesellschaft ([20]) explizit für eine HET nur bei strenger Indikation aus. Keine Indikation besteht zur Prophylaxe von Demenz ([21]). Zur Behandlung vasomotorischer Symptome, wie Hitzewallungen, sind physikalische Maßnahmen und Verhaltenstherapie sinnvoll. In jedem Fall sind Frauen, die vor der Entscheidung für eine HET stehen, umfänglich und in verständlicher Form über alle Vor- und Nachteile der HET aufzuklären, ebenso wie über den natürlichen Verlauf der Beschwerden. Eine aktualisierte S3-Leitlinie zur Menopause wird erwartet.

Fazit

Die Vorteile einer Östrogen-/Progestagen-Therapie bei klimakterischen Beschwerden müssen gegen das erhöhte Risiko für Brustkrebs und Thrombosen individuell abgewogen werden. Eine Indikation besteht nur bei Frauen < 60 Jahren mit hohem Leidensdruck – und dann in möglichst niedriger Dosierung und für möglichst kurze Zeit. Eine intensivere öffentliche Aufklärung und Entstigmatisierung könnte Frauen besser auf diesen Lebensabschnitt vorbereiten und dadurch die Inzidenz klimakterischer Beschwerden reduzieren.

Literatur

  1. Hamoda, H., und Moger, S.: BMJ 2022, 377, o1425 (Link zur Quelle)
  2. Ayers, B., et al.: Maturitas 2010, 65, 28 (Link zur Quelle)
  3. Hoga, L., et al.: JBI Database System Rev. Implement. Rep. 2015, 13, 250 (Link zur Quelle)
  4. Avis, N.E., und Mc Kinlay, S.M.: Maturitas 1991, 13, 65 (Link zur Quelle)
  5. Calvaresi, E., und Bryan, J.: Maturitas 2003, 44, 225 (Link zur Quelle)
  6. Hunter, M.S., et al. (MAHWIS = Mid-Aged Health in Women from the Indian Subcontinent): Climacteric 2009, 12, 26 (Link zur Quelle)
  7. Haines, C.J., et al. (PAM = Pan-Asia Menopause): Maturitas 2005, 52, 264 (Link zur Quelle)
  8. Vélez, T.M, et al.: Maturitas 2014, 77, 93 (Link zur Quelle)
  9. Thomas, H.N., und Thurston, R.C.: Maturitas 2016, 87, 49 (Link zur Quelle)
  10. Iliodromiti, S., et al.: BJOG 2020, 127, 320 (Link zur Quelle)
  11. Avis, N.E., et al. (SWAN = Study of Women’s health Across the Nation): JAMA Intern. Med. 2015, 175, 531 (Link zur Quelle)
  12. Nappi, R.E., et al.: Menopause 2021, 28, 875 (Link zur Quelle)
  13. Pan, Z., et al.: Menopause 2022, 29, 627 (Link zur Quelle)
  14. National Institute for Health and Care Excellence. Menopause: diagnosis and management. NICE, 2015 (Link zur Quelle)
  15. Boardman, H.M.P., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2015, 3, CD002229 (Link zur Quelle)
  16. Nudy, M., et al.: Int. J. Cardiol. Heart Vasc. 2019, 22, 123 (Link zur Quelle)
  17. Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer: Lancet 2019, 394, 1159 (Link zur Quelle)
  18. AMB 2006, 40, 57. AMB 2016, 50, 55 (Link zur Quelle)
  19. Grossman, D.C., et al.: US Preventive Services Task Force recommendation statement. JAMA 2017, 318, 2224 (Link zur Quelle)
  20. AWMF-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe von 2020 (Link zur Quelle)
  21. AMB 2022, 56, 06 (Link zur Quelle)