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Patientenberichtete Endpunkte in Fachinformationen unterrepräsentiert

Als patientenberichtete Endpunkte („Patient-Reported Outcomes“ = PROs) werden Ergebnisse in klinischen Studien bezeichnet, über die der Patient selbst Auskunft gibt, darunter beispielsweise die gesundheitsbezogene Lebensqualität („Health related Quality of Life“ = HrQoL) bzw. Symptome oder die Zufriedenheit mit der Behandlung [1]. PROs ermöglichen es, die Perspektive des Patienten auf persönliche und soziale Auswirkungen der Erkrankung und der Therapie zu erfassen. Die eigene Wahrnehmung wird in objektiven klinischen Endpunkten, wie der Gesamtmortalität oder Ergebnissen von Laboruntersuchungen, nicht erhoben, kann aber für den Patienten und seine Adhärenz zur Therapie sehr wichtig sein. PROs werden in klinischen Studien zunehmend genutzt, um die Wirksamkeit einer Therapie zu messen.

In Europa muss der pharmazeutische Unternehmer (pU) für die Zulassung seines Arzneimittels eine Fachinformation vorlegen, in der für Ärzte alle relevanten Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit zusammengefasst sind. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erhält im Rahmen der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln Dossiers der pU, die alle Daten der Zulassungsstudien enthalten müssen. Nun untersuchte eine Arbeitsgruppe des IQWiG, inwieweit PROs, die als Endpunkte in klinischen Studien für die Zulassung berichtet werden, in den Fachinformationen dokumentiert sind [2]. Dafür verglichen die Wissenschaftler die PROs, die in den Dossiers für die frühe Nutzenbewertung berichtet wurden, mit denen in den entsprechenden Fachinformationen. Sie untersuchten auch, ob die Angabe von PROs in Fachinformationen von der Richtung des Behandlungseffekts abhängt.

Aus den Jahren 2014-2018 wurden 88 Dossiers mit 143 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zu 72 Arzneimitteln ausgewertet. Auswertbare PROs erhielten 109/143 (76%) der RCT, 89 der 109 RCT wurden in den Fachinformationen aufgeführt. In fast der Hälfte dieser RCT (38/89, 43%) wurden onkologische Arzneimittel untersucht, außerdem Antiinfektiva (18/89, 20%) und andere Arzneimittel (33/89, 37%). PROs wurden bei weniger als der Hälfte der RCT in den Fachinformationen berichtet (41/89, 46%). Die Rate war besonders niedrig bei Antiinfektiva: Symptome wurden in 21% berichtet, HrQoL in keinem Fall. Bei den onkologischen Arzneimitteln wurden Symptome in 33% beschrieben und HrQoL in 37%. Symptome als PRO wurden bei 50% der RCT berichtet, die ein für den pU günstiges Ergebnis gezeigt hatten, aber nur bei 18% der Studien mit einem negativen Ergebnis. Bei der HrQoL fand sich dieser Unterschied nicht.

In einer Pressemitteilung kritisiert das IQWiG außerdem zu Recht, dass PROs in Studien oft viel zu kurz erhoben werden [3]. Oft würden PROs beispielsweise nur bis zur Progression der Erkrankung erhoben, obwohl für die Betroffenen solche Daten auch nach der Verschlechterung der Erkrankung relevant sind. Als prägnantes Beispiel wird Abemaciclib bei fortgeschrittenem Brustkrebs aufgeführt. Der Zeitraum, in dem in den Studien PROs erhoben wurden, deckt nur etwa ein Viertel der medianen Überlebenszeit ab. Dies beeinträchtige nicht nur die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln, sondern auch die Entscheidungen für oder gegen weitere Behandlungsoptionen für die mitunter schwer kranken Betroffenen.

Fazit

Ergebnisse aus klinischen Studien zu PROs werden in den Fachinformationen nicht ausreichend dokumentiert, obwohl sie für die Bewertung eines Arzneimittels unter Berücksichtigung der Patientenperspektive sehr wichtig sind. Außerdem werden PROs in klinischen Studien oft zu kurz erhoben, sodass Aussagen nur über einen kleinen Teil der gesamten Beobachtungszeit getroffen werden können.

Literatur

  1. https://www.ema.europa.eu/en/appendix-2-guideline-evaluation-anticancer-medicinal-products-man-use-patient-reported-outcome-pro (Link zur Quelle)
  2. Haag, S., et al.: J. Patient Rep. Outcomes 2021, 5, 127. (Link zur Quelle)
  3. https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_62592.html (Link zur Quelle)