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Torasemid oder Furosemid bei dekompensierter Herzinsuffizienz? Ergebnisse der pragmatischen, offenen Vergleichsstudie TRANSFORM-HF [CME]

Zusammenfassung

In einer größeren offenen, randomisierten Wirksamkeitsstudie zur oralen diuretischen Behandlung bei dekompensierter Herzinsuffizienz mit Torasemid oder Furosemid ergab sich kein Vorteil für eines der beiden Schleifendiuretika, wenn eine (gewichtsbezogene) diuretische Wirkäquivalenz von 1:2-4 zugrunde gelegt wurde. Die Gesamtsterblichkeit sowie die Häufigkeit erneuter Aufnahmen ins Krankenhaus bis 12 Monate nach stationärer Entlassung waren gleich, unabhängig von der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) und auch davon, ob es sich um Patienten mit erstmaliger Manifestation der Herzinsuffizienz mit Dekompensation oder mit Dekompensation bei chronischer Herzinsuffizienz handelte. Allerdings lagen vollständige Daten nur bei 70% der Studienteilnehmer vor.

Nach der Nationalen Versorgungsleitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ aus dem Jahr 2019 (S3-Leitlinie, letzte Aktualisierung September 2021; [1][2]) sollen Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und deutlich reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF ≤ 40%) nach einem Stufenschema behandelt werden. Dieses besteht aus einer Kombination von einem Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Hemmer (z.B. Ramipril) oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB, z.B. Candesartan), Betarezeptoren-Blocker (BB; Bisoprolol, Carvedilol oder Metoprolol retardiert), Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA; Spironolacton oder Eplerenon) bzw. Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI; Sacubitril/Valsartan). Zuletzt wurde das Behandlungskonzept um die Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Hemmer (SGLT2-H; Dapagliflozin oder Empagliflozin) erweitert [2]. Zur Klassifikation und Therapie der Herzinsuffizienz haben wir häufig berichtet [3]. Unter Therapie konnte eine Verlängerung des Lebens, eine Verbesserung der Lebensqualität sowie eine Verminderung stationärer Aufenthalte nachgewiesen werden [4]. Zusätzlich sind Diuretika seit > 50 Jahren in der Therapie der dekompensierten Herzinsuffizienz (HI) etabliert und fester Bestandteil einer leitliniengerechten Therapie bei Flüssigkeitsretention [4].

Ob in der Behandlung der Herzinsuffizienz eines der beiden Schleifendiuretika, Furosemid (FS) oder Torasemid (TS), klinisch besser ist, ist nicht klar. FS wird häufiger verordnet; TS hat pharmakinetisch theoretisch Vorteile, wie bessere Bioverfügbarkeit und längere Halbwertszeit ([2], [3] vs. 0,5-2 Std. bei Gesunden). Kleinere Studien ergaben Hinweise für eine geringere Morbidität und Letalität unter TS in dieser Indikation [5], [6], [7], sogar bis zu 50% im Vergleich zu FS [8]; große Studien fehlten bisher. Jetzt wurde in der großen, offenen, pragmatischen, randomisierten TRANSFORM-HF-Studie die Wirksamkeit von TS im Vergleich zu FS auf die Mortalität untersucht bei Patienten mit dekompensierter HI nach Entlassung aus dem Krankenhaus [9][10]. Die Studie wurde allein aus Mitteln des National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) finanziert. Die Autoren geben etliche Interessenkonflikte mit pharmazeutischen Unternehmern an.

Studiendesign: In 60 Krankenhäusern der USA wurden Patienten rekrutiert, die bei Erstmanifestation oder chronischer HI mit akuter Dekompensation stationär behandelt wurden. Die LVEF musste innerhalb der letzten 24 Monate ≤ 40% betragen haben oder beim aktuellen Aufenthalt das Natriuretische Peptid im Serum erhöht sein. Eine stationäre akute sowie geplante Langzeit-Therapie mit Diuretika war Einschlussbedingung. Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz, Herztransplantation oder kardialen Unterstützungssystemen waren ausgeschlossen. In einer offenen 1:1-Randomisierung erhielten die Teilnehmer entweder TS oder FS oral, wobei davon ausgegangen wurde, dass 1 mg TS etwa 2-4 mg FS entspricht. Die Dosierung im Verlauf der Nachbeobachtung wurde von den betreuenden Hausärzten angepasst. Eine Wiedervorstellung im Studienzentrum war, dem Konzept einer pragmatischen, offenen Studie entsprechend, nicht geplant. Die Nachbeobachtung erfolgte telefonisch nach einem Monat sowie nach 6 und 12 Monaten. Zur Beurteilung des Langzeitvergleichs wurden die ersten 1.500 Teilnehmer länger beobachtet: 500 über 30 Monate mit Telefoninterviews alle 6 Monate, 500 über 24 und die letzten 500 über 18 Monate. Primärer Endpunkt war die Gesamtsterblichkeit. Sekundäre Endpunkte waren in hierarchischer Rangfolge die Gesamtsterblichkeit oder stationärer Aufenthalt gleich welcher Ursache nach 30 Tagen und 12 Monaten sowie stationärer Aufenthalt gleich welcher Ursache nach 12 Monaten. Zur Lebensqualität als sekundärem Endpunkt wird separat berichtet. Die Informationen gingen aus Telefonaten und aus Klinik-Dokumentationen bei stationärer Aufnahme hervor. Die Letalität wurde dem National Death Index (NDI) des National Center for Health Statistics entnommen. Die Todesursache wurde im Hinblick auf kardiovaskuläre Ursachen untersucht. Auf der Grundlage früherer Studienergebnisse sollte als primäre Hypothese von TRANSFORM-HF eine Reduktion der Sterblichkeit von 20% unter TS im Vergleich zu FS bewiesen werden.

Ergebnisse: Ursprünglich war der Einschluss von 6.000 Patienten geplant. Die Rekrutierung konnte jedoch bereits mit knapp 3.000 Patienten vorzeitig abgeschlossen werden, weil die Zahl der notwendigen Endpunkt-Ereignisse für eine valide statistische Auswertung erreicht war. Im Laufe von fast 4 Jahren waren bis Anfang 2022 insgesamt 2.859 Patienten randomisiert worden: 1.431 für TS und 1.428 für FS mit gut vergleichbaren Ausgangscharakteristika: medianes Alter 65 Jahre, 37% Frauen, 34% Afroamerikaner. Etwa 4% in beiden Kollektiven nahmen ihre Einwilligung zurück. Von den Patienten mit einer LVEF ≤ 40% (n = 1.836; 70%) wurden zu Studienbeginn, den Leitlinien entsprechend 81,5% mit Betablockern behandelt, 67,5% mit ACEH/ARB oder ARNI (25,2%), 44,3% mit MRA und 7,8% mit SGLT2-H. Mehr als 50% hatten vor Einschluss eine diuretische Therapie mit FS, knapp 10% mit TS. Das „N-terminal pro-brain natriuretic peptide“ (NT-proBNP) lag im Median bei etwa 4.000 pg/ml. Die errechnete glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) lag median bei knapp 60 ml/min/1,73 m2.

Bei Entlassung hatten 7% von TS zu FS und 3,8% von FS zu TS gewechselt (insgesamt 5,4%). Gut 90% der erfassbaren Teilnehmer waren zum Zeitpunkt der Entlassung sowie nach 30 Tagen und auch noch nach 12 Monaten auf eines der beiden Diuretika eingestellt. Wenn man von einer Wirkäquivalenz von 2:1 für FS im Vergleich zu TS ausgeht (s.o.), ergibt sich bei Entlassung für die damit Behandelten eine mittlere tägliche Dosis Diuretikum von 79,1 ± 56,4 mg FS-Äquivalent im FS-Arm vs. 79,5 ± 69,8 mg FS-Äquivalent im TS-Arm. Legt man dagegen eine Wirkäquivalenz von 4:1 (s.o.) zugrunde und wäre dieses Verhältnis pharmakodynamisch realistischer, dann wären Patienten mit TS deutlich stärker diuretisch behandelt worden als mit FS. Darüber hinaus war nach 30 Tagen die verordnete Dosierung des Diuretikums (mittlere Dosis) im FS-Arm stärker gesunken als unter TS: 68,4 ± 50,2 mg/d vs. 77,8 ± 74,5 mg/d. Allerdings konnte die Dosierung nur noch bei gut 70% der Probanden nachverfolgt werden (2.047 Patienten).

In der Nachbeobachtung von im Median 17,4 Monaten (8,0-29,0) war die Gesamtsterblichkeit als primärer Endpunkt mit 26,1% unter TS und 26,2% unter FS gleich (Hazard Ratio = HR: 1,02; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,89-1,18; p = 0,76). Den sekundären Endpunkt Gesamtsterblichkeit oder stationärer Aufenthalt gleich aus welcher Ursache erreichten 677 Patienten (47,3%) unter TS und 704 Patienten (49,3%) unter FS (HR: 0,92; CI: 0,83-1,02). Unter TS wurden 37,5% erneut stationär aufgenommen, unter FS 40,4% (Rate Ratio = RR: 0,94; CI: 0,84-1,07) mit einer vergleichbaren Häufung: 940 Aufnahmen entfielen auf 536 Patienten unter TS und 987 auf 577 unter FS (RR: 0,94; CI: 0,84-1,07). Auch nach 12 Monaten zeigte sich kein signifikanter Unterschied (HR: 0,88; CI: 0,78-0,99). In keiner der vordefinierten Subgruppen war ein Unterschied erkennbar, wie beispielsweise in Abhängigkeit von der LVEF, der Nierenfunktion, dem Alter, der Komedikation oder der Komorbidität.

Die Autoren geben verschiedene Aspekte zu bedenken, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten: ARNI und SGLT2-Hemmer wurden in dieser Indikation zunehmend verordnet und könnten den Bedarf an Diuretika reduziert haben. Die fehlende Berücksichtigung von Laborwerten im Verlauf (Elektrolyte, Nierenfunktion) sowie die nicht lückenlos erfasste Häufigkeit von Hausarztkonsultationen, Inanspruchnahme von Bereitschaftsärzten oder Vorstellung im Krankenhaus ohne stationäre Aufnahme könnten positive wie negative Auswirkungen der Therapie verschleiert haben. Die Ausfallquote in der Nachbeobachtung war höher als in anderen HI-Studien, möglicherweise weil die fehlende direkte Bindung an ein Studienzentrum zu einer geringeren Adhärenz geführt haben könnte. Informationen über die verordnete Diuretikadosis konnten nach einem Monat nur bei 70% erhoben werden, nach einem Jahr bei noch weniger Studienteilnehmern.

Der Kommentator des Editorials [11] diskutiert die Vorteile und Grenzen einer solchen pragmatischen, offenen Studie: Durch ein weniger kompliziertes Studiendesign lassen sich in kürzerer Zeit mehr Teilnehmer rekrutieren – auch aus Minderheiten, die in Studien häufig unterrepräsentiert sind (hier 34% Afroamerikaner). Auch lassen sich grobe Messgrößen, wie etwa Mortalität und Häufigkeit stationärer Behandlung, aus großen Kollektiven mit weniger stringenten Einschlusskriterien, aber guter Praktikabilität leicht ableiten, jedoch für den Preis einer geringeren Schärfe in der Nachbeobachtung. Die Autoren heben auch die Bedeutung von Studien mit „negativen“ Ergebnissen hervor, etwa um Publikations-Bias (vgl. [12]) zu reduzieren, und werben für eine gesunde Skepsis gegenüber Studienergebnissen, die auf Surrogat-Endpunkten beruhen oder nicht randomisiert sind.

Literatur

  1. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Leitlinienreport, 3. Auflage. Version 3. 2021. AWMF-Register-Nr. nvl-006. (Link zur Quelle)
  2. AMB 2019, 53, 83. AMB 2021, 55, 65. (Link zur Quelle)
  3. AMB 2022, 56, 84. AMB 2022, 56, 09. AMB 2019, 53, 19. AMB 2014, 48, 75. (Link zur Quelle)
  4. 2022 AHA/ACC/HFSA guideline for the management of heart failure: J. Card. Fail. 2022, 28, e1. (Link zur Quelle)
  5. Bikdeli, B., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2013, 61, 1549. (Link zur Quelle)
  6. Murray, M.D., et al.: Am. J. Med. 2001, 111, 513. (Link zur Quelle)
  7. DiNicolantonio, J.J., Future Cardiol. 2012, 8, 707. (Link zur Quelle)
  8. Cosín, J., et al. (TORIC = TORasemide In Congestive heart failure): Eur. J. Heart Fail. 2002, 4, 507. (Link zur Quelle)
  9. Mentz, R.J., et al. (TRANSFORM-HF = ToRsemide compArisoN with furoSemide FOR Management of Heart Failure): JAMA 2023, 329, 214. (Link zur Quelle)
  10. Greene, S.J., et al. (TRANSFORM-HF = ToRsemide compArisoN with furoSemide FOR Management of Heart Failure): JACC Heart Fail. 2021, 9, 325. (Link zur Quelle)
  11. Kittleson, M.M.: JAMA 2023, 329, 211. (Link zur Quelle)
  12. AMB 2017, 51, 32DB01. AMB 2017, 51, 64DB01. (Link zur Quelle)