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SGLT2-Hemmer in aller Munde – Kommt nach Diabetes und Herzinsuffizienz nun bald auch die Zulassung für Patienten mit Niereninsuffizienz?

Zusammenfassung: Seit 9 Jahren sind verschiedene Hemmstoffe des Natrium-Glukose-Cotransporters-2 (SGLT-2) zur oralen Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Sie sind eher schwache Blutzuckersenker, weshalb meist eine Kombinationsbehandlung, beispielsweise mit Metformin, erfolgen muss. Sie gehören zu den wenigen Antidiabetika mit nachgewiesenem Nutzen hinsichtlich der kardiovaskulären Morbidität und Letalität. Dieser Nutzen tritt unabhängig von der Blutzuckersenkung auf und ist auch bei Patienten ohne Diabetes nachgewiesen. Zwei SGLT2-Hemmer (Dapagliflozin, Empagliflozin) haben bereits eine Zulassung für die Behandlung der Herzinsuffizienz erhalten unabhängig davon, ob ein Diabetes vorliegt oder nicht. Auch in die nationale Versorgungsleitlinie zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz sollen SGLT2-Hemmer in den Behandlungsalgorithmus aufgenommen werden (Konsultationsfassung), trotz einiger Caveats. Sie können in zweiter Linie bei einer kleinen Subgruppe eingesetzt werden: Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Pumpleistung, die trotz leitliniengerechter Therapie weiterhin symptomatisch sind. Eine weitere Ausweitung der Indikation steht nun wahrscheinlich bevor. Bei niereninsuffizienten Personen verzögerte Dapagliflozin, unabhängig von der Ursache der Nierenerkrankung, in einer randomisierten plazebokontrollierten Studie (DAPA-CKD) die weitere Abnahme der Nierenfunktion und führte sogar zu einem Überlebensvorteil. Dennoch ist es derzeit viel zu früh, SGLT2-Hemmer bei allen niereninsuffizienten Patienten einzusetzen. In der DAPA-CKD-Studie finden sich einige sehr wichtige Unsicherheiten. Außerdem reicht eine klinische Studie bekanntlich nicht aus, um bereits allgemeine Empfehlungen in Leitlinien zu geben.

Diabetes mellitus: Im Jahr 2012 wurde Dapagliflozin als erster SGLT2-Hemmer zur oralen Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 in Europa zugelassen (vgl. 1). Ein Jahr später folgte Canagliflozin, 2014 Empagliflozin und 2018 Ertugliflozin. SGLT2-Hemmer hemmen im proximalen Nierentubulus selektiv und reversibel den Natrium-Glukose-Cotransporter-2 (SGLT-2), reduzieren die Glukose-Reabsorption, induzieren eine Glukosurie und senken dadurch den Blutzucker. Das Ausmaß der Glukosurie ist von der Höhe des Blutzuckers und von der glomerulären Filtrationsrate abhängig. Bei stark eingeschränkter Nierenfunktion verlieren SGLT2-Hemmer ihre Blutzucker-senkende Wirkung. Daher sollte beispielsweise Dapagliflozin als Antidiabetikum nicht bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) < 60 ml/min begonnen und bei einer dauerhaften GFR < 45 ml/min abgesetzt werden (2). SGLT2-Hemmer zählen zu den eher schwachen Blutzuckersenkern. Der HbA1c-Wert sinkt durchschnittlich nur um 0,5%, weshalb sie in Ergänzung zu einer Diät, ausreichender Bewegung und in Kombination mit anderen Antidiabetika oder Insulin zugelassen wurden (2, 3).

SGLT2-Hemmer können bei Diabetikern eine lebensbedrohliche Ketoazidose induzieren. Ein erhöhtes DKA-Risiko besteht bei eingeschränkter Funktionsreserve der Beta-Zellen, z.B. bei Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes mit niedrigem C-Peptid, latentem Autoimmundiabetes bei Erwachsenen (LADA), oder bei Patienten mit Pankreatitis in der Vorgeschichte sowie bei Patienten mit Erkrankungen, die zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme oder schweren Dehydration führen können (z.B. akute Infektionserkrankungen) oder auch bei Alkoholmissbrauch. Die Behandlung mit SGLT2-Hemmern muss bei größeren chirurgischen Eingriffen oder schweren akuten Erkrankungen aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden und die pharmazeutischen Unternehmer (pU) empfehlen eine Messung bzw. Überwachung der Ketone, vorzugsweise im Serum (nach 2).

Herzinsuffizienz: Von besonderem Interesse sind die günstigen Effekte der SGLT2-Hemmer auf kardiovaskuläre Endpunkte bei Patienten mit manifesten kardiovaskulären Erkrankungen; sie sind überraschenderweise auch bei Personen ohne Diabetes nachweisbar. Ausgangspunkt dieser Beobachtung war die EMPA-REG-OUTCOME-Studie, die bei 7.000 Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulären Erkrankungen durchgeführt wurde (4). Die Behandlung mit Empagliflozin reduzierte im Vergleich zu Plazebo signifikant die Gesamtletalität, kardiovaskuläre Letalität und Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz: absolute Risikoreduktion innerhalb von 3 Jahren 1,6%; Hazard Ratio = HR: 0,86 (vgl. 5).

In den beiden im Hinblick auf den Endpunkt Herzinsuffizienz konzipierten Studien DAPA-HF und EMPEROR-Reduced hatten mindestens die Hälfte der eingeschlossenen Patienten keinen Diabetes (6, 7). In beiden Studien konnte mit Dapagliflozin bzw. Empagliflozin, zusätzlich zu einer leitliniengerechten Basistherapie der Herzinsuffizienz, eine relative Senkung des kombinierten kardiovaskulären Endpunkts (Verschlechterung der Herzinsuffizienz und kardiovaskulärer Tod) um 25% bzw. 26% nachgewiesen werden. Der Nutzen auf den gewählten Endpunkt war bei Nicht-Diabetikern ähnlich ausgeprägt wie bei Diabetikern (vgl. 8).

Da diese positiven Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte auch bei Typ-2-Diabetikern mit Nephropathie ebenfalls unter Canagliflozin gefunden wurden (9), gehen die meisten Kommentatoren mittlerweile von einem Klasseneffekt aus (10). Zur Vorsicht mahnt allerdings die Tatsache, dass alle diese Studien nicht unabhängig durchgeführt, sondern von den jeweiligen pU initiiert und finanziert wurden. Außerdem waren die Effekte auf den primären Endpunkt in der EMPEROR-Reduced-Studie bei den europäischen Patienten nicht signifikant und in der DAPA-HF-Studie auf Patienten mit niedrigen NYHA-Klassen begrenzt (vgl. 23). In beiden Studien fanden sich auch keine signifikanten Effekte auf die Gesamtmortalität von Patienten ohne Diabetes (in der DAPA-HF-Studie 10,2% vs. 11,6%; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,7-1,1; und in EMPEROR-Reduced 13,4% vs. 14,2%; CI: 0,7-1,1). Auch ist der genaue Mechanismus der günstigen Wirkungen der SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz noch nicht endgültig geklärt. Diskutiert werden u.a. die Reduktion der kardialen Vorlast durch die gesteigerte Diurese, eine Senkung der Nachlast durch eine Verbesserung der Endothelfunktion und periphere Vasodilatation, sowie positive Wirkungen auf den myokardialen Zellstoffwechsel, den oxidativen Stress, den sympathischen „Overdrive“ oder die Adipokin- und Zytokinproduktion (11). Von besonderer Bedeutung dürften auch die Effekte der SGLT2-Hemmer auf die Nierenfunktion sein (s.u.).

Dapagliflozin hat 2020 und Empagliflozin 2021 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung für die Indikation „symptomatische, chronische Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF)“ erhalten, unabhängig davon, ob ein Diabetes mellitus besteht. Anders als bei der Indikation Diabetes, dürfen die beiden genannten SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz auch bei stark eingeschränkter Nierenfunktion verordnet werden, z.B. Empagliflozin bis GFR 20 ml/min (2, 12).

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Deutschland sieht auf der Basis der genannten Studien für Dapagliflozin einen Zusatznutzen bei chronischer, symptomatischer Herzinsuffizienz (13). Die anfänglichen Bedenken hinsichtlich vermehrter unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW), wie atypische diabetische Ketoazidose, Fournier-Gangrän und urogenitale Infektionen haben sich in den vorgelegten Herzinsuffizienz-Studien nicht bestätigt. In dem der Entscheidung des G-BA zugrundeliegenden Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) werden bei der Indikation Herzinsuffizienz sogar Anhaltspunkte für einen geringeren Schaden mit Dapagliflozin gegenüber der analysierten Vergleichstherapie gesehen (14). Diese Einschätzung beruht jedoch auf den Ergebnissen und Bedingungen von kontrollierten Studien. Das Risiko unter dieser Wirkstoffgruppe könnte in der alltäglichen Anwendung bei älteren und multimorbiden Patienten und einer weniger guten Nachsorge höher sein als in Zulassungsstudien. Daher sind konsequente UAW-Meldungen und Registerstudien von großer Bedeutung, wenn diese Arzneimittel zukünftig breit eingesetzt werden sollen.

SGLT2-Hemmer sollen nun auch nach einem „Amendment“ zur deutschen nationalen S3-Versorgungsleitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“ in den Behandlungsalgorithmus aufgenommen werden (Konsultationsfassung, Kommentierung seit 5. Juli 2021 abgeschlossen, 16). Bei Patienten mit HFrEF, die trotz leitliniengerechter Therapie weiter symptomatisch sind – also einer kleinen Subgruppe der Patienten mit Herzinsuffizienz – wird der Einsatz von Sacubitril (vgl. 15) oder ein SGLT2-Hemmer empfohlen. Kriterien zur Differenzialindikation müssen aber sicher noch erarbeitet werden (Diabetes, Alter, Blutdrucksituation, Verträglichkeit, Komedikation, Preis usw.).

Niereninsuffizienz: In den letzten Monaten rücken nun auch günstige Effekte der SGLT2-Hemmer auf die Nierenfunktion zunehmend in den Fokus. In der CREDENCE-Studie mit > 4.000 Typ-2-Diabetikern mit relevanter Proteinurie verzögerte Canagliflozin in Kombination mit einem ACE-Hemmer signifikant die zeitabhängige Verschlechterung der GFR im Vergleich zu ACE-Hemmer plus Plazebo: Hazard Ratio = HR: 0,60 für eine Kreatinin-Verdopplung; HR: 0,74 für Dialysepflichtigkeit oder Nierentransplantation (17, vgl.18). Diese Effekte traten unabhängig auf vom Ausmaß der Senkung von Blutzucker, Blutdruck und Körpergewicht.

Im Oktober 2020 erschienen ebenfalls im N. Engl. J. Med. die Ergebnisse der multizentrischen und multinationalen DAPA-CKD-Studie. In dieser wurden 4.304 Personen mit oder ohne Typ-2-Diabetes mellitus, einer GFR zwischen 25-75 ml/min und einem Albumin-Kreatinin-Quotienten im Urin (A/K-U) von 200-5.000 mg/g, entweder mit Dapagliflozin (einmal täglich 10 mg) oder Plazebo behandelt (19). Auch diese Studie ist nicht unabhängig, sondern wurde vom pU gesponsert. Die zugrunde liegenden Nierenerkrankungen waren heterogen. Zu den Ausschlusskriterien zählten u.a. polyzystische Nierenerkrankungen, Lupus-Nephritis, ANCA-assoziierte Vaskulitis sowie eine zurückliegende Immuntherapie wegen einer Nierenerkrankung innerhalb von 6 Monaten vor dem Studieneinschluss. Alle Teilnehmer mussten vor dem Screening mindestens 4 Wochen lang eine stabile Dosis eines Hemmstoffs des Renin-Angiotensin-Systems erhalten haben (RAASI: ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker). Über die genaue Dosis und Dauer dieser Basisbehandlung werden leider keine Angaben gemacht, was in der Diskussion der Ergebnisse aber eine wichtige Rolle spielt (s.u.).

Primärer Studienendpunkt in DAPA-CKD war das Auftreten eines der folgenden renalen Ereignisse: Absinken der GFR um ≥ 50% oder eine GFR < 15 ml/min (jeweils bestätigt durch eine zweite Messung nach ≥ 28 Tagen); der Beginn einer chronischen Dialysebehandlung; eine Nierentransplantation oder Tod aus renalen oder kardiovaskulären Gründen. Von insgesamt 7.517 an 386 Zentren weltweit gescreenten Patienten wurden 4.094 randomisiert. Das Durchschnittsalter betrug 61,8 Jahre. Je ein Drittel der Teilnehmer waren Frauen bzw. Asiaten; 53% waren „Weiße“ und 37% hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung und 67,5% einen Typ-2-Diabetes mellitus. Die mittlere GFR betrug bei Studienbeginn 43 ml/min, der mediane A/K-U 949 mg/g.

Geplant war, die Studie bis zum Eintreten von 681 Endpunktereignissen durchzuführen. Nach einer Interimsanalyse empfahl das unabhängige „Data Monitoring Committee“, die Studie bereits nach 408 Endpunktereignissen abzubrechen, und zwar wegen der Überlegenheit von Dapagliflozin gegenüber Plazebo. Zum Zeitpunkt des Studienabbruchs betrug die mediane Nachbeobachtungszeit 2,4 Jahre.

Es liegen die Daten von 99,7% der Studienteilnehmer vor. Dapagliflozin wurde von 274 (12,7%) und Plazebo von 309 Teilnehmern (14,4%) aus unterschiedlichen Gründen abgesetzt. Nach „Intention to treat“ trat ein primäres Endpunktereignis in der Dapagliflozin-Gruppe bei 197 Teilnehmern auf und in der Plazebogruppe bei 312 Teilnehmern (9,2% vs. 14,5%; HR: 0,61; CI: 0,51-0,72; p < 0,001). Hieraus errechnet sich eine „Number Needed to Treat“ (NNT) von 19, um ein primäres Ereignis zu verhindern. Die Effekte auf die einzelnen Endpunkte stellten sich wie folgt dar: Absinken der GFR um ≥ 50%: 2,6% vs. 4,8%; GFR < 15 ml/min: 3,9% vs. 5,6%; Beginn einer chronischen Dialyse: 3,2% vs. 4,6%; Nierentransplantation: 0,1% vs. 0,4% sowie Tod aus renalen (< 0,1% vs. 0,3%) oder kardiovaskulären Gründen (3,0% vs. 3,7%). Auch die Gesamtletalität war signifikant geringer (4,7% vs. 6,8%; p = 0,004).

Die günstigen Wirkungen von Dapagliflozin waren in allen vordefinierten Subgruppen nachweisbar: bei Jungen und Älteren, Frauen und Männern, Asiaten und Europäern. Die relative Risikoreduktion betrug bei Typ-2-Diabetikern 36% (HR: 0,64; CI: 0,52-0,79) und bei Personen ohne Diabetes 50% (HR: 0,50; CI: 0,35-0,72).

In den ersten Wochen fiel die GFR in der Dapagliflozin-Gruppe stärker ab als in der Plazebogruppe; danach verlief die GFR-Kurve mit Dapagliflozin jedoch flacher und kreuzte die der Plazebogruppe etwa nach einem Jahr. Nach 30 Monaten betrug der geschätzte Unterschied des jährlichen GFR-Verlustes 0,93 ml/min zu Gunsten von Dapagliflozin. Diese Beobachtung spricht dafür, dass – ähnlich wie bei den RAASI – in erster Linie die Senkung des glomerulären Filtrationsdrucks für die günstigen Effekte von SGLT2-Hemmern auf die Nierenfunktion verantwortlich ist. Unverständlicherweise finden sich in der im N. Engl. J. Med. übrigens nicht kommentierten Publikation keine Angaben zum Blutdruck oder zur Intensität der Begleitmedikation.

Unter den UAW fanden sich nicht vermehrt Hypotensionen (0,4% vs. 0,1%), jedoch signifikant mehr Hypovolämien (5,9% vs. 4,2%; p = 0,01). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (UAE) wurden in der Dapagliflozin-Gruppe bei 29,5% und in der Plazebogruppe bei 33,9% registriert (p = 0,002). Bei den Teilnehmern ohne Typ-2-Diabetes wurden weder Ketoazidosen noch klinisch bedeutsame Hypoglykämien registriert, und die Zahl registrierter Infektionen war gleich (9,0% vs. 9,6%), einschließlich Harnwegsinfektionen (0,9% vs. 0,7%). Es gab eine bestätigte Fournier-Gangrän in der Plazebogruppe. Unter Dapagliflozin wurden etwas mehr Frakturen registriert (4% vs. 3,2%; p = 0,22).

Dapagliflozin hat derzeit keine Zulassung für die Indikation Niereninsuffizienz. Die Erfahrungen bei Patienten mit einer GFR < 30 ml/min werden in den Fachinformationen als begrenzt beschrieben (2). Aufgrund seines Wirkmechanismus kann Dapagliflozin zu Hypovolämie und stärkerem Blutdruckabfall führen, besonders bei Patienten mit hohen Blutzuckerspiegeln. Dies kann vor allem bei älteren Patienten und interkurrenten Erkrankungen, z.B. Durchfall, problematisch werden. Daher werden eine verstärkte Überwachung des Volumenstatus, Blutdruckmessungen und Labortests empfohlen, ggf. auch eine vorübergehende Unterbrechung der Behandlung.

IgA-Nephropathie: Kürzlich erschien eine u.E. wichtige, vorab definierte Subgruppenanalyse aus DAPA-CKD mit 270 Studienteilnehmern mit IgA-Nephropathie (IgA-N; 6,6% aller Studienteilnehmer; 20). Die IgA-N ist die häufigste Form der idiopathischen Glomerulonephritis. Dabei lagert sich IgA im Mesangium und anderen Regionen der Glomeruli ab. Bislang wird die IgA-N mit einer intensiven, zielgerichteten „Supportive Care“ behandelt, die aus strenger Blutdruckkontrolle, maximaler Dosis RAASI und Interventionen im Lebensstil besteht. Versuche, die IgA-N immunsuppressiv zu behandeln, haben keine günstige Nutzen-Risiko-Relation gezeigt.

Es wurden 137 Personen mit IgA-N für Dapagliflozin und 133 für Plazebo randomisiert. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,1 Jahren trat der primäre Endpunkt unter Dapagliflozin bei 6 und mit Plazebo bei 20 Patienten auf (4% vs. 15%; HR: 0,29; CI: 0,12-0,73). Der durchschnittliche jährliche Abfall der GFR betrug mit Dapagliflozin 3,5 und mit Plazebo 4,7 ml/min und der A/K-U war unter Dapagliflozin um 26% geringer. Signale für vermehrte UAE wurden auch in dieser Auswertung nicht wahrgenommen. Anders als in der Hauptstudie werden in dieser Veröffentlichung auch Aussagen zu den Blutdruckwerten gemacht. Zu Studienbeginn betrugen die mittleren RR-Werte in beiden Gruppen 127/79 mm Hg. Unter Dapagliflozin sank der RR im Vergleich zu Plazebo deutlicher ab: im Mittel um 3,5/2,2 mm Hg.

In ihrem lesenswerten Kommentar weisen Jonathan Barratt aus Leicester und Jürgen Floege aus Aachen darauf hin, dass in DAPA-CKD die Behandlung mit einem RAASI nur 4 Wochen vorgeschrieben war und nicht 3 Monate wie in anderen Studien zur IgA-N (21). Da sich kleinste Änderungen im Blutdruck bereits gravierend auf das Ausmaß der GFR-Abnahme bei IgA-N auswirken können, sei eine strenge Blutdruckkontrolle die wichtigste Maßnahme der supportiven Behandlung bei IgA-N. Es sei nicht klar, wie viele Patienten bei Studienbeginn bereits optimal antihypertensiv und mit stabilen RAASI-Dosierungen vorbehandelt waren. Der beobachtete Nutzen von Dapagliflozin könnte daher, zumindest bei der Subgruppe der Patienten mit IgA-N, auf eine bessere RR-Einstellung zurückzuführen sein. Genauso wäre es denkbar, dass es durch die SGLT2-Hemmer zu einer Gewichtsabnahme kommt, ebenfalls eine wichtige Säule der supportiven Behandlung bei IgA-N.

Somit könnte es sein, dass es sich bei der „Nephroprotektion“ von SGLT-2-Inhibitoren weniger um einen substanzspezifischen Effekt handelt, sondern um die Auswirkungen eines optimierten Blutdruck- und Gewichtsmanagements. Für die These, dass die Vergleichsgruppe unzureichend behandelt war, spricht auch, dass es unter Plazebo zu unerwartet vielen Endpunktereignissen kam. Nach Berechnungen mit dem „International IgA-N Prediction Tool“ wäre bei einem Durchschnittspatienten aus der DAPA-CKD-Studie nach 32 Monaten eine Ereignisrate von 7-10% zu erwarten gewesen. Das sei weniger als die Hälfte dessen, was in der Plazebogruppe (15%) und nahe dem, was in der Dapagliflozin-Gruppe beobachtet wurde (4%).

Angesichts dieser Bedenken beantworten die beiden Kommentatoren die Frage, ob sie jetzt allen Hochrisikopatienten mit IgA-N zusätzlich zu RAASI auch SGLT2-Hemmer geben werden, mit: „Nein – derzeit (noch) nicht“. Sie raten dazu, die Ergebnisse einer weiteren großen Studie mit einem SGLT2-Hemmer bei chronischer Niereninsuffizienz abzuwarten (EMPA-KIDNEY mit Empagliflozin; 22). Noch besser wäre jedoch eine vom pU unabhängige Studie, bei der ein SGLT2-Hemmer dokumentiert und somit nachvollziehbar gegen „best supportive care“ untersucht würde.

Literatur

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  8. AMB 2019, 53, 83. Link zur Quelle
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