Wieder einmal haben britische Forscher Studienergebnisse veröffentlicht, die zu einem Meilenstein in der Pharmakotherapie werden könnten. Weitgehend unabhängig von industriellem Sponsoring organisierten das Medical Research Council (MRC) und die British Heart Foundation (BHF) die Heart Protection Study (HPS), die in zwei Teilen im Juli 2002 im Lancet veröffentlicht wurde (Lancet 2002, 360, 7und 2002, 360, 23). Der erste Teil beschäftigt sich mit der Wirksamkeit von 40 mg Simvastatin/d (Denan, Zocor), der zweite Teil mit der Wirksamkeit von täglich 600 mg Vitamin E, 250 mg Vitamin C sowie 20 mg Beta-Carotin. Die Studie wurde in einem doppeltblinden, randomisierten Design durchgeführt, an dem sich 69 Krankenhäuser beteiligten. Über 60000 Patienten wurden untersucht und schließlich 20536 davon randomisiert. Eingeschlossen wurden Patienten mit koronarer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlußkrankheit, Diabetes und/oder arterieller Hypertonie im Alter von 40-80 Jahren mit einem Gesamt-Cholesterin-Wert von mindestens 135 mg%.
Die Hälfte der Patienten erhielt 40 mg Simvastatin/d, die andere Hälfte Plazebo. Unabhängig von dieser Zuordnung erhielt eine weitere Gruppe täglich 600 mg Vitamin E, 250 mg Vitamin C und 20 mg Beta-Carotin bzw. Plazebo. Die Studiendauer betrug 5 Jahre.
Ergebnisse: Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tab. 1 dargestellt. Die Gesamtletalität verminderte sich von 14,7% auf 12,9%; das bedeutet, daß 277 Patienten ein Jahr lang behandelt werden müssen, um einem Patienten das Leben zu retten (Number needed to treat = NNT/1Jahr). Die koronaren Todesfälle verminderten sich von 6,9% auf 5,7%, alle „Gefäßereignisse“ von 25,2% auf 19,8%. Es müssen also, wenn die Einschlußkriterien so wie in dieser Studie gewählt werden, ”nur” 93 Patienten ein Jahr lang behandelt werden, um bei einem Patienten ein solches Ereignis zu verhindern. Eine Risikoreduktion fand sich in allen untersuchten Untergruppen, bei Männern stärker als bei Frauen, bei älteren und auch bei jüngeren Patienten, bei solchen mit hohem und niedrigem Gesamt-Cholesterin und mit bzw. ohne andere prophylaktisch wirksame Medikamente (Betarezeptoren-Blocker, ACE-Hemmer, Azetylsalizylsäure). Es wird wahrscheinlich zu einer erheblichen Ausweitung der Indikation zur Statin-Therapie kommen – auch bei Frauen. Dabei war die Nebenwirkungsrate gering. Weder die ”Muskelenzyme” noch die ”Leberenzyme” waren unter der Therapie häufiger erhöht als unter Plazebo.
Im zweiten Teil der Studie zeigte sich, daß die o.g. Vitamintherapie keinen Einfluß auf die Prognose hatte.
Fazit und Diskussion: Die Ergebnisse der HPS-Studie zeigen, daß durch 40 mg Simvastatin/d das Risiko für Gefäßkomplikationen bei allen Patienten mit Arteriosklerose gesenkt werden kann. Wir werden uns daher mit der Kosteneffektivität der Prophylaxe bzw. Therapie mit Statinen intensiv beschäftigen müssen (s.a. Lauterbach, K.W., et al.: Dtsch. Med. Wschr. 2002, 127, 1210). Welche Kosten entstehen für ein gewonnenes Lebensjahr? Welche Kosten werden durch ausgebliebene Komplikationen vermieden? Die Prophylaxe ist offenbar am effektivsten und die Number needed to treat (NNT) am niedrigsten, wenn das individuelle Risiko für Gefäßkomplikationen am höchsten ist (s. Tab. 1). Mit diesen und ähnlichen Informationen könnten und müßten die verfügbaren Ressourcen verteilt werden. Es ist zusätzlich zu bedenken, daß der Patentschutz für Lovastatin bereits abgelaufen ist und für Simvastatin in Europa Mitte 2003 ablaufen wird.