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Ticagrelor versus ASS bei akutem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke

Nach ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) ist das Risiko eines zweiten Ereignisses in den folgenden 90 Tagen besonders hoch (1-4). Zur Prävention von Rezidiven wird leitliniengemäß ASS als Thrombozytenaggregationshemmer in Dosierungen von 50-325 mg/d verordnet (5-7). Trotzdem beträgt die Rezidivrate noch 10-15% in den ersten 90 Tagen, und insgesamt ist die Ereignisrate bei langzeitiger Einnahme von ASS nur 22% niedriger als bei unbehandelten Patienten (8). Ticagrelor ist ein Wirkstoff, der durch eine Bindung an den P2Y12-Rezeptor die Thrombozytenaggregation direkt und reversibel hemmt und nur für die Therapie beim Akuten Koronarsyndrom (ACS) zugelassen ist (9, vgl. 10). Nachdem eine Langzeiteinnahme nach ACS über ein Jahr hinaus in der PEGASUS-TIMI-54-Studie eine ungünstige Nutzen-Risiko-Relation gezeigt hatte (11), sucht der Hersteller (AstraZeneca) nun nach einer zusätzlichen Indikation. In einer gerade publizierten Studie (SOCRATES) wurde die prophylaktische Wirksamkeit von ASS versus Ticagrelor bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall oder mit Hochrisiko-TIA direkt verglichen (12).

In diese multizentrische (674 Zentren in 33 Ländern), doppelblinde, randomisierte, doppelblinde Studie wurden von Januar 2014 bis Oktober 2015 insgesamt 13.199 Patienten eingeschlossen. Die Patienten hatten einen ischämischen Schlaganfall mit einem Score von ≤ 5 auf der Schlaganfall-Skala der „National Institutes of Health“. Diese reicht von 0-42, wobei hohe Werte schwere neurologische Defizite wiedergeben. Es handelte sich hier also um Patienten mit leichten Schlaganfällen, bei denen keine direkte Intervention nötig war, z.B. eine Thrombolyse. Außerdem wurden Patienten mit TIA und hohem Risiko für einen Schlaganfall eingeschlossen. Sie hatten ein Schlaganfall-Risiko von ≥ 4 Punkte auf der ABCD2-Skala, die risikoaufsteigend von 0-7 Punkte reicht (vgl. 13). Alle Patienten mussten innerhalb von 24 h nach Beginn der Symptomatik randomisiert werden, 40 Jahre oder älter sein, und es musste ein CT oder MRT zum Ausschluss einer zerebralen Blutung vorliegen. Patienten mit klinischem Verdacht auf eine kardioembolische Genese der zerebralen Ischämie wurden ausgeschlossen.

Die Randomisierung erfolgte 1:1 in beide Gruppen. Die Patienten stimmten hinsichtlich ethnischer Herkunft (66% Weiße, 30% Asiaten), Geschlecht (41% Frauen) und Alter (66 Jahre) weitgehend überein. Die Patienten der Ticagrelor-Gruppe bekamen am 1. Tag eine „Loading Dose“ von 180 mg und ab dem 2.-90. Tag zweimal 90 mg/d. Die ASS-Gruppe bekam 300 mg am 1. Tag und vom 2.-90. Tag 100 mg/d. Die primären Endpunkte waren die Zeitspannen bis zum Auftreten eines Schlaganfalls, Myokardinfarkts oder des Tods innerhalb der folgenden 90 Tage.

In der Ticagrelor-Gruppe trat während der Studiendauer bei 442 von 6.589 Patienten (6,7%) und in der ASS-Gruppe bei 497 von 6.610 Patienten (7,5%) einer der Endpunkte auf (Hazard-Ratio = HR: 0,89; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,78-1,01; p = 0,07). Ein Schlaganfall ereignete sich bei 385 Patienten (5,8%) in der Ticagrelor-Gruppe und bei 441 Patienten (6,7%) in der ASS-Gruppe (HR: 0,87; CI: 0,76-1,00; p = 0,046. Dieser p-Wert wurde auf Grund des hierarchischen Test-Plans als nicht-signifikant gewertet. Zu Myokardinfarkten kam es bei 25 (0,4%) Patienten in der Ticagrelor- und bei 21 (0,3%) in der ASS-Gruppe. In der Ticagrelor-Gruppe starben 68 (1%), in der ASS-Gruppe 58 (0,9%) Patienten. Größere Blutungen ereigneten sich bei 31 (0,5%) Patienten in der Ticagrelor- und bei 38 (0,6%) in der ASS-Gruppe, davon waren 9 bzw. 4 (jeweils insgesamt 0,1%) tödlich.

Fazit: Die SOCRATES-Studie ergab keinen Vorteil von Ticagrelor als Monotherapie gegenüber ASS bei Patienten mit leichtem ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke nicht-kardioembolischer Genese hinsichtlich der Prävention von Schlaganfall-Rezidiv, Herzinfarkt oder Tod innerhalb von 90 Tagen.

Literatur

  1. Johnston, S.C., et al.: JAMA 2000, 284, 2901. Link zur Quelle
  2. Coull, A.J., et al.:BMJ 2004, 328, 326. Link zur Quelle
  3. Giles, M.F., undRothwell, P.M.: Lancet Neurol. 2007, 6, 1063. Link zur Quelle
  4. Wu, C.M., et al.: Arch. Intern.Med. 2007, 167, 2417. Link zur Quelle
  5. Kernan, W.N., et al.: Stroke2014, 45, 2160. Link zur Quelle
  6. International Stroke Trial(IST): Lancet 1997, 349, 1569. Link zur Quelle
  7. CAST (Chinese AcuteStroke Trial) Collaborative Group: Lancet 1997, 349, 1641. Link zur Quelle
  8. AntiThrombotic Trialists’(ATT) Collaboration: Lancet 2009, 373, 1849. Link zur Quelle . AMB 2013, 47,13b. Link zur Quelle
  9. Husted, S, et al.:Eur. Heart J. 2006, 27, 1038. Link zur Quelle
  10. AMB 2010, 44,19 Link zur Quelle . AMB 2011, 45, 84 Link zur Quelle . AMB 2015, 49,84. Link zur Quelle
  11. Bonaca, M.P., et al. (PEGASUS-TIMI54 =Prevention of cardiovascular events in patients with prior heart attack usingticagrelor compared to placebo on a background of aspirin – ThrombolysisIn Myocardial Infarction 54): N. Engl. J. Med. 2015, 372,1791 Link zur Quelle. AMB 2015, 49,84. Link zur Quelle
  12. Johnston, S.C., et al. (SOCRATES = Acute Stroke Or transient isChaemicattack tReated with Aspirin or Ticagrelor and patient outcomES): N. Engl. J. Med. 2016, ahead of print: Link zur Quelle
  13. Rothwell, P.M., etal.: Lancet 2005, 366, 29 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 57. Link zur Quelle