PTCA nach Thrombolyse beim akuten Myokardinfarkt: sofort oder später bei Bedarf? Die GRACIA-1-Studie
Bei akutem Myokardinfarkt wird von den aktuellen Behandlungsleitlinien (z.B. 1) auf Grund einer großen Zahl randomisierter Studien die sofortige Rekanalisation des verschlossenen Infarktgefäßes empfohlen, entweder durch thrombolytische Therapie oder Ballondilatation (PTCA) mit Stent-Einlage in das Koronargefäß. Es ist eine große Herausforderung für die Rettungslogistik, diese erwiesenermaßen wirksame Therapie allen betroffenen Patienten so rasch wie möglich zukommen zu lassen. Ohne „Informationsoffensiven” bei Bevölkerung und Rettungspersonal ist das Ziel jedoch nicht zu erreichen. Mit der thrombolytischen Therapie kann überall schon vor Ort begonnen werden. Sie ist aber weniger effektiv als die PTCA, die allerdings an kardiologische Klinikabteilungen mit rasch einsatzbereitem Katheterteam gebunden ist. Der Transport dorthin kostet aber Zeit. Die – naheliegende – Kombination beider Verfahren hat sich in älteren Untersuchungen (mit unspezifischeren Thrombolytika, fehlender oder unausgereifter Stent-Technik) wegen häufiger Blutungen und früher Reokklusionen nicht bewährt (2,). Daher sind die neuen Ergebnisse der GRACIA-1-Studie interessant, die im Lancet veröffentlicht wurden (3).
500 Patienten, die wegen eines ST-Hebungsinfarktes eine moderne thrombolytische Therapie erhalten hatten, wurden in zwei Gruppen randomisiert und entweder innerhalb von 24 Stunden angiographiert und – wenn indiziert – koronardilatiert oder konservativ behandelt und nur bei Ischämie koronardilatiert. Der kombinierte Endpunkt der Studie war: Tod, Reinfarkt und Revaskularisation innerhalb von zwölf Monaten. Dieser Endpunkt wurde in der Gruppe signifikant häufiger erreicht, die konservativ behandelt worden war (s. Tab. 1). Allerdings kommt die Signifikanz nur dadurch zustande, daß in der zunächst konservativ behandelten Gruppe, die Dilatation im Verlauf des ersten Jahres nachgeholt wurde. Die Entscheidung der behandelnden Ärzte zur Intervention könnte aber von der übereinstimmenden Expertenmeinung beeinflußt sein, daß ein Patient mit Herzinfarkt eine Herzkatheter-Untersuchung braucht. Denn der Nachweis der Ischämie, von der die Indikation zur Intervention abhängig zu machen war, ist im Zweifelsfall eine Ermessensentscheidung und somit „Revaskularisation” ein weicher Endpunkt. Die harten Endpunkte, Tod und Rezidivinfarkt, sind in beiden Gruppen fast gleich häufig. Daher kann man diese Studie unseres Erachtens nicht heranziehen als wissenschaftliche Evidenz für die Notwendigkeit, d.h. Überlegenheit einer akuten PTCA nach thrombolytischer Therapie. ”Lyse now – Stent later” ist die Botschaft dieser Studie. Das unterstreicht auch F.W.A. Verheugt in seinem Editorial in der gleichen Ausgabe des Lancet (4). Natürlich gilt diese Zurückhaltung gegenüber der Akut-PTCA nach einer Lysetherapie nur für Patienten mit den Einschlußkriterien der GRACIA-1-Studie, die ein vergleichsweise sehr niedriges Gesamtrisiko hatten (30-Tage Letalität nur 2%). In der GRACIA-2 Studie wird die Effektivität von primärer PTCA und PTCA nach koronarer Thrombolyse verglichen. Die Ergebnisse sind unseres Wissens noch nicht endgültig publiziert.
Fazit: Eine routinemäßig während der ersten Stunden nach Thrombolyse bei akutem Myokardinfarkt durchgeführte Intervention an den Koronargefäßen erspart den Patienten, daß solche Eingriffe, verbunden mit einem neuen Krankenhausaufenthalt, später durchgeführt werden. Letalität und Häufigkeit von Re-Infarkten werden durch die frühe Intervention nicht signifikant gesenkt. Ob die Ergebnisse der Akut-PTCA durch vorherige Thrombolyse gebessert werden, soll in der GRACIA-2-Studie untersucht werden.
Literatur
- Hamm, C.W.: Z. Kardiol. 2004, 93, 324.
- Michels, K.B., und Yusuf, S.: Circulation 1995, 91, 476.
- Fernandez-Avilés, F., et al. (GRACIA-1 = GRupo de Análisis de la Cardiopatía Isquémica Aguda-1): Lancet 2004, 364, 1045.
- Verheugt, F.W.A.: Lancet 2004, 364, 1014.