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Orale, nicht aber die transdermale „HRT“ erhöht das Thromboembolie-Risiko

Die Indikation zur Verordnung von Östrogen/(Gestagen)-Präparaten nach der Menopause (sog. HRT) sollte aus Gründen des erhöhten Brustkrebsrisikos bei mehrjähriger Einnahme und wegen des Risikos kardiovaskulärer Komplikationen deutlich eingeschränkt werden. Ein Pathomechanismus der kardiovaskulären Komplikationen ist die prothrombotische Wirkung der oralen HRT. Für die erst später eingeführte transdermale HRT ist das Thromboserisiko nicht bekannt. Da transdermales Östrogen nicht in hoher Konzentration die Leber passiert und die in der Leber durch orale Östrogene induzierte vermehrte Synthese mancher Proteine, wie Angiotensinogen oder Gerinnungsfaktoren, weitgehend entfällt, wäre es plausibel, wenn die transdermale HRT ein geringeres Thrombose-Risiko nach sich zieht als die orale.

Das ist auch das Ergebnis der ersten an einem ausreichend großen Patientenkollektiv durchgeführten Fall-Kontroll-Studie aus Frankreich (Scarabin, P.Y., et al.: Lancet 2003, 362, 428). In dieser Multicenter-Studie mit 155 postmenopausalen Frauen mit einer ersten tiefen Beinvenenthrombose mit (n = 92) oder ohne (n = 63) Lungenembolie wurde die HRT-Anamnese sehr sorgfältig erhoben und mit der von 381 parallel stationär aufgenommenen vergleichbaren Kontroll-Patientinnen ohne akute Thromboembolie verglichen. Die demographischen Daten der „cases“ und „controls“ (mittleres Alter in beiden Gruppen um 62 Jahre) unterschieden sich aber signifikant hinsichtlich Body-mass-Index, familiärer Belastung mit Thromboembolien (26% versus 18%), Diabetes mellitus und Häufigkeit von Varikosis der Beine. Die „controls“ hatten Krankheiten des Verdauungstrakts, der Atemwege, der Knochen und Gelenke, der Augen und andere.

32 der Thrombosepatientinnen nahmen aktuell oder bis 3 Monate zuvor orale HRT-Präparate ein (21%). Bei den Kontrollen war das nur bei 7% der Fall. 30 der Thromboembolie-Patientinnen benutzten aktuell oder bis 3 Monate zuvor transdermale HRT-Präparate (19%), während dies bei 24% der Kontrollen der Fall war. Das hieraus errechnete Relative Risiko (RR) für Thromboembolie bei oraler HRT ist 3,5, bei transdermaler HRT 0,9. Der Unterschied ist signifikant. Frühere Benutzung von HRT („past user“) war nicht mit erhöhtem Thromboembolie-Risiko assoziiert. Frauen mit oraler HRT kürzer als ein Jahr hatten das höchste RR (10,1); bei Gebrauch > 4 Jahre war es noch 2,0. Bei transdermaler HRT war das RR im ersten Jahr des Gebrauchs 1,9 (0,4-8,7; wegen der kleinen Zahl nicht signifikant), und in späteren Jahren 0,6-1,0. Bei oraler Einnahme war das RR bei alleiniger Zufuhr von Östrogen 1,3 (geringe Fallzahl), bei Kombination mit einem Gestagen 3,5. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß transdermale HRT nicht mit einem wesentlichen Thromboembolie-Risiko assoziiert ist, obwohl Fall-Kontroll-Studien Fehlerquellen beinhalten, die den Untersuchern bekannt und die sie weitgehend auszuschließen bemüht waren. Die Fehler ergeben sich aber meist aus demographischen Unterschieden zwischen „cases“ und „controls“. Da die „controls“ jedoch hier für beide HRT-Gruppen sehr ähnlich waren, dürfte der gefundene Unterschied des Thromboembolie-Risikos zwischen oraler und transdermaler HRT recht valide sein. Die Autoren befürworten eine Überprüfung ihrer Ergebnisse durch eine umfangreiche prospektive Studie. Diese könnte aber an der in Zukunft stark einzuschränkenden Indikation zur HRT scheitern, denn die übrigen Risiken der HRT gibt es auch bei transdermaler Anwendung.

Fazit: Diese sorgfältig durchgeführte Fall-Kontroll-Studie bestätigt ein erhöhtes Thromboembolie-Risiko bei oraler HRT (RR = 3,5), während es bei transkutaner HRT nicht erhöht ist (RR = 0,9).