Die ITP, heute auch als primäre Autoimmunthrombozytopenie bezeichnet, ist eine häufige hämatologische Erkrankung mit einer lnzidenz von etwa 10 bis 125 Neuerkrankungen (Kinder und Erwachsene) pro Jahr (bezogen auf 1000000 Personen). Da bisher nur wenige randomisierte kontrollierte Studien bei der ITP durchgeführt wurden, besteht weiterhin Unsicherheit hinsichtlich der initialen diagnostischen Abklärung und des therapeutischen Vorgehens bei dieser Erkrankung. Von der ASH wurde deshalb 1994 eine Kommission – bestehend aus 13 Hämatologen (Pädiater und Internisten) und 2 Experten – auf dem Gebiet der klinischen Epidemiologie bzw. der Abfassung praktischer Richtlinien berufen, die Empfehlungen für Diagnostik und Therapie der ITP bei Kindern, Erwachsenen, Schwangeren und Neugeborenen (von Müttern mit ITP) erarbeiten sollten. Grundlage der Richtlinien bildeten die in der medizinischen Literatur zwischen 1966 und 1994 publizierten Arbeiten zur ITP und ein umfangreicher Fragebogen zu Diagnostik und Therapie mit mehr als 1300 klinischen Szenarien, der von den Kommissionsmitgliedern unabhängig beantwortet wurde. Die Richtlinien beziehen sich ausschließlich auf Patienten mit isolierter ITP, d.h. keinem Hinweis auf andere Ursachen einer Thrombozytopenie (z.B. HIV-Infektion, systemischer Lupus erythematodes, Myelodysplasie, Medikamente; vgl. AMB 1994, 28, 13).
Wir möchten im folgenden kurz auf die Empfehlungen zum Vorgehen bei Erwachsenen mit ITP eingehen und im übrigen auf die sehr ausführliche Publikation der ASH-Kommission verweisen (J.N. George et al.: Blood 1996, 88, 3). Die Diagnose ITP basiert grundsätzlich auf gründlicher Anamnese, körperlicher Untersuchung und vollständigem Blutbild mit morphologischer Beurteilung eines Blutausstriches. Wesentliches Ziel dieser Untersuchungen ist der Ausschluß anderer Ursachen für eine Thrombozytopenie. Bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren sollte zusätzlich ein Test auf HIV-Antikörper und bei Patienten älter als 60 Jahre bzw. vor geplanter Splenektomie eine Knochenmarkpunktion (KMP) durchgeführt werden. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer KMP bei jüngeren Patienten bestand kein Konsens. Weiterführende diagnostische Maßnahmen (z.B. Nachweis plättchenspezifischer bzw. von Antiphospholipid-Antikörpern, direkter Coombs-Test) sollten nur bei Befunden, die für ITP atypisch sind, veranlaßt werden. Die Indikation für eine medikamentöse Therapie mit Glukokortikoiden (z.B. Prednison 1-2 mg/kg/d) besteht bei Patienten mit ITP und Thrombozyten < 20/nl bis 30/nl sowie bei Patienten mit Thrombozyten < 50/nl und deutlichen Zeichen der hämorrhagischen Diathese oder Blutungsgefährdung (z.B. arterielle Hypertonie, Ulkuskrankheit). Bei Patienten mit ITP und schwerer, lebensbedrohlicher Blutung sollte die initiale Therapie eine hochdosierte parenterale Gabe von Glukokortikoiden (z.B. Methylprednisolon 1 g/d 3 Tage lang), intravenöse Immunglobuline (Ivlg, z.B. 1 g/kg/d an 2 aufeinanderfolgenden Tagen) und eine Substitution mit Thrombozytenkonzentraten umfassen. Eine stationäre Aufnahme von asymptomatischen Patienten mit Thrombozyten > 20/nl wurde ebensowenig wie eine medikamentöse Therapie bei Patienten mit Thrombozyten > 50/nl empfohlen. Für Patienten mit hämorrhagischer Diathese (z.B. Epistaxis, Menorrhagie) und Thrombozyten < 30/nl trotz 4- bis 6wöchiger medikamentöser Therapie wurde die Splenektomie als geeignete Maßnahme angesehen. Bei elektiver Splenektomie ist eine präoperative medikamentöse Therapie mit Ivlg oder Glukokortikoiden nur bei Thrombozyten < 50/nI indiziert. Für Patienten mit persistierender Thrombozytopenie < 30/nl und hämorrhagischer Diathese nach primärer Behandlung mit Glukokortikoiden sowie Splenektomie stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung (z.B. ggf. Entfernung einer akzessorischen Milz, Ivlg, hochdosierte Glukokortikoide, Danazol, Azathioprin, Cyclophosphamid; vgl. AMB 1992, 26, 13; 1994, 28, 63 und 1995, 29, 71), wobei allerdings kein Konsens hinsichtlich des konkreten Vorgehens bestand.
Fazit: Die Richtlinien der ASH für Diagnostik und Therapie der ITP können als Entscheidungshilfe in speziellen klinischen Situationen herangezogen werden und vermitteln einen umfassenden Überblick über die bei ITP bisher durchgeführten klinischen Studien. Insbesondere die Empfehlungen zum diagnostischen bzw. therapeutischen Vorgehen bei Kindern mit ITP wurden inzwischen kritisiert (G.R. Buchanan et al.: Blood 1997, 89, 1464) und verdeutlichen, daß unter pädiatrischen Hämatologen derzeit kein Konsens bezüglich der Indikationen für den Beginn einer medikamentösen Therapie besteht.