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Erhöhtes Risiko für Thromboembolien unter Therapie mit Neuroleptika

Das englische Hausärzte-Register GPRD (General Practice Research Database) ist eine exzellente Quelle für epidemiologische Erhebungen. In dieser Datenbank werden die gesundheits- und krankheitsrelevanten Informationen von über 3 Millionen britischer Patienten zum Zwecke der wissenschaftlichen Auswertung gespeichert.

Jetzt wurde mit diesen Daten nachgewiesen, daß die Einnahme von Neuroleptika mit einem siebenfach erhöhten Thromboembolierisiko verknüpft ist (Zornberg, G.L., und Jick, H.: Lancet 2000, 356, 1219.). Ausgangspunkt für die Recherche waren Berichte über häufigere Lungenembolien bei Patienten, die mit Clozapin bzw. Phenothiazinen behandelt wurden. Zur Aufklärung eines möglichen Zusammenhangs wurden im GPRD alle Patienten unter 60 Jahre gesucht, die in einem siebenjährigen Beobachtungszeitraum (1990-1998) erstmalig eine venöse Thromboembolie erlitten hatten. Es wurden nur solche Patienten ausgewertet, bei denen die Thromboembolie durch ein radiologisches Verfahren nachgewiesen worden war und die deshalb in ein Krankenhaus aufgenommen und mit Antikoagulanzien behandelt worden waren. Ausgeschlossen wurden Patienten mit einem bekannten Thromboembolierisiko.

Insgesamt wurden auf diese Weise 42 Patienten mit einer „idiopathischen Thromboembolie“ identifiziert. Das mittlere Lebensalter betrug 44 Jahre. Diesen 42 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip je vier Kontrollpersonen aus dem Gesamtregister zugeordnet, die nach demographischen und klinischen Gesichtspunkten vergleichbar waren („Matched controls“; s. Tab. 1). Schließlich wurden alle Patienten gesucht, die in den sieben Beobachtungsjahren mindestens einmal ein Neuroleptikum (eine Monatspackung) verordnet bekommen hatten (n = 29952). Es wurde die verordnete Substanz, die Dosis, der Verordnungszeitpunkt und die Verordnungsdauer registriert.

Der Vergleich zwischen den Patienten mit idiopathischer Thromboembolie und der Kontroll-Gruppe zeigte, daß die Einnahme von Neuroleptika ein sehr bedeutsames Risiko hat (s. Tab. 1). Besonders hoch war das Risiko bei den als „niedrigpotent“ klassifizierten Neuroleptika (z.B. Chlorpromazin, Thioridazin, Mesoridazin u.a.) in den niedrigeren Dosierungen (unter 100 mg/d) und innerhalb der ersten drei Monate nach Therapiebeginn.

Diese Assoziation zwischen Thrombose und Einnahme von Neuroleptika sollte dringend geklärt werden. Auch wenn ein kausaler Zusammenhang wahrscheinlich ist, so ist doch der Mechanismus unklar. Eine Veränderung der Blutgerinnung wird diskutiert (verstärkte Plättchenaggregation, Induktion von Kardiolipin-Antikörpern). Weiterhin könnte die sedierende Wirkung der Neuroleptika für geringere körperliche Aktivität und nachfolgende Thrombosen verantwortlich sein.

Fazit: Daten aus einem großen Register zeigen, daß Patienten, die Neuroleptika einnehmen, ein deutlich erhöhtes Risiko für Thrombosen haben. Auch wenn Kausalität und Mechanismen noch unklar sind, sollte als vorläufige Konsequenz allen mit Neuroleptika behandelten Patienten die Empfehlung geben werden, sich regelmäßig körperlich zu betätigen. Diese Studie zeigt den großen Wert von Registern, wenn es um so wichtige Fragen wie Arzneimittelsicherheit geht.

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