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Medikamentöse Unterstützung bei der Raucherentwöhnung

Zusammenfassung: Mit den „Nikotinersatzmitteln“ und mit dem in Deutschland vor der Zulassung stehenden Antidepressivum Bupropion stehen wirksame Medikamente zur Verfügung, um entzugswillige Raucher während der Entwöhnung zu unterstützen. In Kombination mit einfachen gesprächstherapeutischen Interventionen durch den Arzt könnte jeder fünfte entwöhnungswillige Raucher langfristig abstinent werden. Leider werden diese Hilfen noch viel zu wenig genutzt: nur 18% der entwöhnungswilligen deutschen Raucher verwendeten 1997 medikamentöse Hilfen, wie Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummi, und nur 2% nahmen an Entwöhnungskursen teil. Insgesamt scheint eine eskalierende Strategie bei der medikamentösen Unterstützung der Entwöhnung sinnvoll: in der ersten Stufe Nikotinpflaster oder Nikotinkaugummi; bei Rückfall ein zweiter Versuch mit einer Kombination aus Pflaster plus Kaugummi oder Spray. Wenn auch dies nicht erfolgreich ist, könnte Bupropion versucht werden. Über unerwünschte Arzneimittelwirkungen ist jedoch noch wenig bekannt.

„Es ist schwierig, in den entwickelten Ländern heutzutage irgendeinen Mißstand zu finden, der mit einer solchen Mixtur aus Lethargie, Prävalenz und Ignoranz verbunden ist (wie das Rauchen), angesichts von effektiven und einfach erhältlichen Therapien“ (US Federal Agency for Health Care Policy and Research; 1).

In Deutschland sterben jährlich etwa 90000-140000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums; weltweit sind es nach WHO-Angaben 4 Millionen, und unzählige leiden an den quälenden Symptomen der klassischen Raucherkrankheiten (2). Während in Deutschland bei Männern der Anteil der Raucher in den vergangenen Jahren gesunken ist (auf 35%), steigt die Quote bei den Frauen stetig an (auf 21%). Besonders besorgniserregend ist, daß trotz aller Aufklärungsmaßnahmen immer mehr Jugendliche rauchen. Heute geben 46% der jungen Männer und 39% der jungen Frauen an, Raucher/innen zu sein. Dies verwundert nicht angesichts der Tatsache, daß die Tabakindustrie weiterhin starke direkte und indirekte Werbung betreibt und wie im Film „Titanic“ z.B. über 150 Raucherszenen plazieren konnte, ein Film, in dem sich beide Helden ihren jungen Fans als Kettenraucher präsentieren (3). Die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen des Rauchens sind nicht nur für die Raucher selbst, sondern auch für ihre Umgebung und für die Gesellschaft katastrophal. Es muß daher eines der obersten gesundheitspolitischen Ziele sein, möglichst viele Raucher zur Entwöhnung zu bringen und möglichst wenige Jugendliche zu Rauchern werden zu lassen.

Entwöhnungsversuche und Entzugssyndrom: 70-85% aller US-amerikanischen Zigarettenraucher möchten mit dem Rauchen aufhören; in Deutschland sind es dagegen nur 40% (4). Dies muß wohl als Indiz dafür gewertet werden, daß die Ächtung der Raucher in öffentlichen Räumen, wie dies in den USA üblich ist, doch zu einem Umdenken der Raucher führt.

Ein entwöhnungswilliger Raucher versucht in der Regel mehrfach, von der Droge Nikotin loszukommen. Die Wahrscheinlichkeit, daß der spontane Entwöhnungsversuch ohne Unterstützung durch Dritte oder durch Medikamente in dauerhafte Abstinenz übergeht, beträgt nur etwa 5%. Von den Ex-Rauchern, die dauerhaft abstinent bleiben, haben weniger als 25% dieses Ziel beim ersten Versuch erreicht. Man darf jedoch nicht locker lassen, denn schließlich erreichen doch 45% der entwöhnungswilligen Raucher irgendwann das Ziel, vom Rauchen loszukommen (5). Die Gefahr des Rückfalls ist in den ersten Tagen des Entzugs am größten. Schon ein einziger Zug an einer Zigarette bedeutet zumeist den kompletten Rückfall. Als wichtigster Grund für den frühen Rückfall werden die Entzugsbeschwerden angesehen. Das Nikotinentzug-Syndrom beginnt nach wenigen Stunden Abstinenz und hält bis zu 4 Wochen an. Die Symptome sind nach 1-2 Tagen am stärksten: Angst, Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Feindseligkeit, Tachykardie, Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmung, Appetitsteigerung und Schlafstörungen. Die körperliche Abhängigkeit vom Nikotin ist relativ rasch zu überwinden; die psychische Abhängigkeit kann Jahre anhalten. Ein weiteres großes Problem der Nikotinentwöhnung und ein häufig genannter Grund für Rückfälle ist die Gewichtszunahme; sie beträgt durchschnittlich 3-5 kg im ersten Jahr.

Welche Hilfestellungen können geleistet werden? Es wird als Pflicht des Arztes angesehen, seine rauchenden Patienten auf die Konsequenzen des Rauchens hinzuweisen und sie zu motivieren, Nichtraucher zu werden. Umfragen unter Rauchern ergaben jedoch, daß nur etwa die Hälfte der Raucher sich erinnern kann, je von ihrem Arzt auf ihre Rauchgewohnheiten angesprochen worden zu sein. Dabei könnten gerade die Ärzte eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des Rauchens einnehmen. Schließlich haben zwei Drittel der Raucher mindestens einmal im Jahr Kontakt mit einem Arzt oder Zahnarzt, und die meisten Ex-Raucher geben an, daß die Aufforderung ihres Arztes, nun endlich mit dem Rauchen aufzuhören, für sie eine ganz entscheidende Motivation war.

Nach dem US-amerikanischen Krebsinstitut (ACI) kann jeder Hausarzt ein einfaches Programm durchführen, das als „4A-Intervention“ bekannt ist: Ask/Advise/Assist/Arrange (Fragen Sie bei der Visite nach den Rauchgewohnheiten! Weisen Sie den Patienten unmißverständlich an, mit dem Rauchen aufzuhören! Bieten Sie psychologische Unterstützung bei der Entwöhnung an und klären Sie über pharmakologische Hilfen auf! Vereinbaren Sie Folgevisiten zur Erfolgskontrolle oder rufen Sie die Patienten zu Hause an!).

Die nordamerikanische Federal Agency for Health Care Policy and Research (FAHCPR) hat 1996 gemeinsam mit der Fachgesellschaft für Psychiatrie Richtlinien für alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen erarbeitet (1). Die Hausärzte spielen in diesen Empfehlungen eine zentrale Rolle. Ihnen wird ein Vorgehen nach der 4A-Intervention empfohlen. Wenn ein Raucher entwöhnen will, soll ein bestimmter Tag vereinbart werden. Der Raucher soll ermutigt werden, eine Nikotinersatz-Therapie durchzuführen, da dies die Erfolgsrate erhöht. Es sollten Informations- und Selbsthilfematerialien zur Verfügung gestellt werden. Im Verlauf der Entwöhnung muß der Kontakt vom Arzt durch zuvor abgesprochene Telefonate und Folgevisiten gehalten werden; in der ersten Zeit wöchentlich. Dabei ist Fingerspitzengefühl nötig, denn bei zu plumpem Nachsetzen kann das Vertrauen des Patienten verloren gehen (6). Bei Patienten, die schon häufiger eine Entwöhnung abgebrochen haben, kann die Konsultation eines Spezialisten oder einer Spezialklinik sinnvoll sein. Nichtraucher-Kurse, die häufig von den Krankenkassen angeboten werden, führen zu Ein-Jahres-Abstinenz-Raten von 15% und mehr und sind besonders bei wiederholten Rückfällen zu empfehlen. Es gibt weitere vielfältige Angebote, deren Wert leider nicht immer klar ist. Hilfreich ist eine Kontaktaufnahme mit der zuständigen Krankenkasse, der Deutschen Krebshilfe oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die sich sehr für das Nichtrauchen engagieren und auch Informationsmaterial zur Verfügung stellen (s. Tab. 1).

Pharmakotherapie: Die Pharmakotherapie wird heute in zwei Kategorien unterteilt: Nikotinersatz-Therapie und Nicht-Nikotin-Therapie.

Nikotinersatz-Therapie: Eine Zigarette enthält im Durchschnitt 6-11 mg Nikotin; davon werden 1-3 mg resorbiert. Ein Raucher, der pro Tag eine Packung raucht, nimmt also etwa 20-40 mg Nikotin/d auf. Nach Inhalation des Zigarettenrauchs steigt die arterielle Nikotinkonzentration in wenigen Sekunden an. Die Plasma-Halbwertszeit des Nikotins beträgt 2 Stunden (7). Schon nach wenigen Stunden Nikotinkarenz treten die typischen Entzugserscheinungen auf. In diesen ersten Stunden und Tagen werden die meisten Raucher wegen der Entzugsbeschwerden wieder rückfällig. Es liegt daher nahe, die Entzugssymptomatik durch Nikotinzufuhr über andere – leichter kontrollierbare – Wege aufzufangen („Nikotinersatz-Therapie“). In der rauchfreien Zeit können die Raucher dann lernen, wieder ohne Zigaretten zu leben und zu kommunizieren. Eine weitere Intention für die Nikotinersatz-Therapie war, daß viele Raucher das Nikotin als regelmäßiges Stimulans einsetzen. Durch den Nikotinersatz fallen sie beim Entzug nicht in ein psychisches Loch.

1984 wurde erstmals in den USA ein nikotinhaltiger Kaugummi zugelassen; 1991 kamen die Nikotinpflaster auf den Markt und mittlerweile gibt es auch einen Nasenspray und (in den USA) einen Inhaler (s. Tab. 2). Der Unterschied der verschiedenen Präparate besteht neben der Applikationsform in der Dosis und der Pharmakokinetik. Die Nikotinersatzmittel werden langsamer resorbiert als der Zigarettenrauch und wirken demnach nicht so rasch.

Das Nikotin im Kaugummi wird je nach Präparat unterschiedlich stark im Mund freigesetzt. Es kann davon ausgegangen werden, daß etwa 50% der Dosis über die Mundschleimhaut resorbiert wird (7). Durch die Einnahme saurer Getränke oder auch Kaffee kann die Resorption vermindert werden. Bei starken Rauchern sind daher pro Tag 10-15 Kaugummis à 4 mg oder 30 Kaugummis à 2 mg notwendig, um das Dosisäquivalent einer Packung Zigaretten (ca. 30 mg) zu erreichen (7).

Die Nikotinpflaster geben pro Stunde etwa 0,9 mg Nikotin ab, unabhängig vom Klebeort, vorausgesetzt er ist unbehaart. Der Körper wird dadurch kontinuierlich mit Nikotin aufgesättigt bis nach etwa 2-3 Tagen konstante Serumspiegel erreicht sind. Dieser Spiegel liegt in der Regel unter denen von Rauchern, die pro Tag eine Packung Zigaretten konsumieren. Daher sollte der Wechsel vom Rauchen auf ein Nikotinpflaster nicht abrupt erfolgen, sondern überlappend (7).

Der Nasenspray gibt etwa 0,5 mg Nikotin pro Hub ab. Ein Vorteil ist, daß hierbei, wie auch beim Rauchen, rasch wirksame Serumspiegel erreicht werden können. Nach 2 Hub kommt es bereits innerhalb weniger Minuten zu wirksamen Serumspiegeln. Daher wird der Spray als „Notfalltherapie“ empfohlen, wenn dem entziehenden Raucher ein starkes Bedürfnis nach einer Zigarette überkommt.

Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Nikotinersatz-Therapie ist in vielen Studien nachgewiesen. Sie zeigen, daß sich durch den Nikotinersatz über ein Jahr Abstinenzraten zwischen 10-15% erzielen lassen (Plazebo 5%). Diese Beobachtungen haben dazu geführt, daß viele Nikotinpflaster und Kaugummis heute rezeptfrei erhältlich sind und in den USA in Supermärkten verkauft werden dürfen. Mit Begleitmaßnahmen, z.B. Nichtraucherkurse oder Gruppentherapie, läßt sich der langfristige Entwöhnungserfolg sogar auf bis zu 30% steigern (s. Tab. 3).

In einer Untersuchung aus einer Raucherklinik in London wurden alle 4 erhältlichen Nikotin-Systeme (Pflaster, Kaugummi, Spray, Inhaler) miteinander verglichen. Dabei stellte sich heraus, daß bei korrekter Anwendung die Erfolgsraten mit allen Systemen etwa gleich groß sind (8). Die Cochrane Collaboration kam 1999 nach Sichtung von insgesamt 94 randomisierten Studien mit unterschiedlichen Nikotinersatz-Systemen zu dem Schluß, daß alle verfügbaren Systeme als Teil einer Strategie zur Beendigung des Rauchens effektiv sind (9).

Zur Dosierung von Nikotinkaugummi wird empfohlen, für 2 gerauchte Zigaretten einen Kaugummi à 2 mg zu benutzen. Bei starken Rauchern (> 20 Zigaretten/d) sollte die 4 mg-Dosierung gewählt werden mit einem Kaugummi als Ersatz für 3-4 Zigaretten. Nach einem Monat wird die Dosis reduziert, wobei ein Kaugummi pro Woche weggelassen wird.

Für die Pflaster wird empfohlen, daß Raucher, die mehr als 10 Zigaretten/d rauchen, mit der höchsten Dosis eines Präparates beginnen sollten (z.B. 30 mg). Nach 4 Wochen wird die jeweils nächst niedrigere Dosis 2 Wochen lang eingesetzt. In Einzelfällen (z.B. stark Abhängige mit Rückfällen selbst bei Benutzen eines Nikotinersatz-Systems) können verschiedene Applikationsformen auch kombiniert werden. Insbesondere die Kombination Pflaster plus Kaugummi oder Spray bei akutem Rauchbedürfnis hat in einzelnen Untersuchungen die frühen Rückfälle vermindert. Die Behandlung mit Nikotinersatzmitteln sollte nicht wesentlich länger als 12 Wochen dauern, da der Nutzen einer noch längeren Therapie nicht nachgewiesen ist. Das Körpergewicht nimmt auch unter der Nikotinersatz-Therapie zu.

Bei der Anwendung von Nikotinersatz-Systemen während der Schwangerschaft können Risiken nicht ausgeschlossen. Trotzdem ist der Einsatz nach einer sorgfältigen Nutzen/Risiko-Abwägung zu empfehlen, wenn die Schwangere mehr als 10-15 Zigaretten/d raucht und andere, nicht-medikamentöse Interventionen erfolglos bleiben (10). Auch bei manifest Herz- und Gefäßkranken scheint die Nikotinersatz-Therapie sicher zu sein. In einer plazebokontrollierten Studie fand sich kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (11). Bei psychiatrischen Patienten ist starkes Rauchen sehr verbreitet und die Entwöhnung mit besonderen Problemen verbunden. Es gibt nur wenige Berichte über den Nutzen von Nikotinersatz bei diesen Patienten (1), aber auch mehrere Berichte über Überdosierungen. In einem Fall führte dies sogar zum Tode, nachdem sich ein psychotischer Patient 27 Nikotinpflaster zugleich aufgeklebt hatte (12).

In der Regel ist der Nikotinersatz eine sichere Therapie, obwohl bis zu 80% der Anwender über unerwünschte Wirkungen berichten (Tab. 5). Dabei ist jedoch oft schwer zwischen Entzugssymptomen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu unterscheiden. Alle Nikotinapplikationen bergen ein gewisses Abhängigkeitspotential, insbesondere die Systeme mit schneller Wirkstoffabgabe (Spray, Kaugummi). So nahmen in einer Untersuchung etwa 5% der Entwöhnungswilligen und 15-20% der Langzeit-Abstinenten Nikotinkaugummis länger als ein Jahr (13).

Andere Wirkstoffe: Zur Raucherentwöhnung werden neuerdings auch Antidepressiva eingesetzt. Als eine der Begründungen wird genannt, daß Nikotin von Rauchern als Stimulans und Antidepressivum verwendet wird und daß beim Nikotinentzug Depressionen auftreten. Kleinere Studien mit Substanzen wie Nortryptilin, Doxepin, Fluoxetin und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer kamen allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Ein Nikotinantagonist (Mecamylamin) wurde in 2 kleinen Studien mit 48 und 80 Freiwilligen von einem Autor positiv getestet (Ein-Jahres-Abstinenzraten von bis zu 40%) und könnte, wenn sich diese Ergebnisse in großen Studien bestätigen, ein Therapeutikum werden (14). Bislang waren aber nur die Ergebnisse mit einer retardierten Form des Antidepressivums Bupropion (Zyban) so überzeugend, daß es in den USA vor 2 Jahren zur Raucherentwöhnung zugelassen wurde. Bupropion ist ein zentraler Hemmstoff der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin – nicht jedoch Serotonin. Es gilt als atypisches Antidepressivum und wird weder den trizyklischen Antidepressiva noch den Serotonin-Wiederaufnahme- oder MAO-Hemmern zugeordnet.

Laut Herstellerwerbung haben mittlerweile über 5 Millionen Amerikaner (unkontrollierte) Erfahrungen mit Bupropion zur Raucherentwöhnung. In Deutschland ist die Markteinführung von Bupropion für den Sommer dieses Jahres vorgesehen. Die Werbemaschinerie läuft schon, wie gewohnt lange zuvor, auf vollen Touren, um eine möglichst große Nachfrage zu schaffen. Sogar ein Nachrichtenmagazin titelte bereits mit der „Nichtraucherpille“ (3). Im Internet sind schon euphorische Selbsterfahrungsberichte nachzulesen, die sehr wahrscheinlich fingiert aber wegen ihrer Machart lesenswert sind (15). Der Tagestherapiepreis wird sicherlich, wie üblich bei dieser Indikation, im Bereich von 1-2 Packungen Zigaretten liegen. Es ist auch davon auszugehen, daß die Kosten wie beim Nikotinersatz nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

In der ersten großen Bupropion-Studie aus der Mayo-Klinik (16) wurden 615 Freiwillige, die mindestens ein Jahr lang 15 Zigaretten/d geraucht hatten und aufhören wollten zu rauchen mit Plazebo oder Bupropion in 3 Dosierungen 7 Wochen lang behandelt. Die Medikamenteneinnahme wurde 8 Tage vor dem Entzugstermin begonnen, um zu diesem Zeitpunkt bereits ausreichende Wirkspiegel zu haben. Während der ersten Wochen fand eine ärztliche Begleitung gemäß der 4A-Regel statt. Zudem wurden allen Studienteilnehmern Broschüren der amerikanischen Krebsgesellschaft mit Strategien zum Nichtrauchen ausgehändigt. Nikotinersatzmittel waren nicht erlaubt. Die Probanden wurden ein Jahr lang nachbeobachtet; die Ergebnisse sind in Tab. 4 dargestellt. Zusammengefaßt zeigte sich, daß mit Bupropion in den Dosierungen 150 und 300 mg/d nahezu doppelt so viele Raucher zu Nichtrauchern wurden als mit Plazebo (23%).

Kritisch muß angemerkt werden, daß es sich hier um ein Momentergebnis zum Zeitpunkt 12 Monate handelte. Die Autoren erwähnen nicht, wie viele der Studienteilnehmer tatsächlich während des gesamten Jahres abstinent geblieben waren. Die höhere Abstinenzrate unter Bupropion war nur nach 6 Wochen, nicht aber nach einem Jahr mit einer geringeren Gewichtszunahme verbunden (Plazebo: + 5,5 kg; 300 mg Bupropion/d: + 4,5 kg).

Die höheren Dosierungen des Antidepressivums (300 mg/d) führten häufiger zu unerwünschten Wirkungen (Tab. 5). Ein Proband erlitt eine schwere Panikattacke, ein weiterer eine heftige allergische Reaktion mit Angioödem, Atemnot und petechialen Blutungen und ein Patient starb unter den Umständen eines Plötzlichen Herztods. Dabei liegt der Verdacht nahe, daß das Antidepressivum zu einer fatalen QT-Zeit-Verlängerung geführt haben könnte. Leider wird auf diesen Punkt weder von den Autoren noch von den Kommentatoren eingegangen. Die zweite Studie zu Bupropion erschien 2 Jahre später und war ähnlich konzipiert (17). Diesmal wurde jedoch auch ein Behandlungsarm mit Nikotin-Pflaster und einer mit Bupropion plus Pflaster mitgeführt. Die Ergebnisse sind in Tab. 4 zusammengefaßt. Es zeigten sich mit Bupropion ähnliche Ein-Jahres-Abstinenzraten wie in der ersten Studie (30,3%). Die Kombination Bupropion plus Nikotinpflaster schnitt noch etwas besser ab (35,5%). Die Rate der kontinuierlich über das gesamte Jahr Abstinenten lag jedoch deutlich niedriger (20-22%) und ist damit ähnlich wie in den Nikotinersatz-Studien. Wie in der ersten Studie war die Gewichtszunahme nur in den ersten Wochen geringer, danach verlor sich dieser Effekt wieder. Unerwünschte Wirkungen traten in der kombiniert behandelten Gruppe (Bupropion plus Pflaster) am häufigsten auf (Tab. 5). Außer einer schweren allergischen Reaktion unter Bupropion wurden keine lebensbedrohlichen Komplikationen mitgeteilt.

Bupropion ist nach den gegenwärtig vorliegenden Studien eine wirksame Therapie zur unterstützenden Raucherentwöhnung. Wenn ein Raucher von seinem Arzt nach der 4A-Regel betreut wird, hat er theoretisch eine Chance von 20%, mindestens ein Jahr lang kontinuierlich abstinent zu bleiben. Bupropion ist offenbar wirksamer als Nikotinersatz allein, und die Kombination beider Mittel addiert sich möglicherweise in ihren Effekten. Vor einer generellen Empfehlung von Bupropion müssen jedoch mehr Daten zur Sicherheit vorliegen. Schwere allergische Reaktionen können auftreten und möglicherweise auch fatale Veränderungen der kardialen Reizleitung. Daher ist zumindest bei herzkranken Rauchern große Vorsicht geboten. Kontraindikationen für Bupropion sind Anfallsleiden, Eßstörungen (Bulimie, Anorexie) und instabile somatische oder psychiatrische Erkrankungen.

Abschließende Überlegungen: Rauchen muß als Sucht mit verheerenden Folgen für die Gesundheit von allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen aktiv und durch persönliches Vorbild bekämpft werden (25% der deutschen Ärzte rauchen). Ärzte sind im Besonderen dazu verpflichtet und auch geeignet, gegen das Rauchen vorzugehen. Die Rechnung ist einfach: wenn ein Hausarzt pro Jahr 10% seiner rauchenden Patienten zum Aufhören bewegen könnte, würden pro Jahr etwa 10 Nichtraucher resultieren. Wenn 10000 Hausärzte dies tun, gäbe es pro Jahr 100000 Raucher weniger. Schon nach wenigen Jahren würde ein deutlicher Rückgang an Krankheiten und Todesfällen resultieren, die durch Rauchen bedingt sind. Mit keiner anderen ärztlichen Intervention läßt sich ein so großer Nutzen mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand erzielen (geschätzte Kosten 2000 DM/Patient). Warum aber ist – in Deutschland – die Gesellschaft und die Mehrheit der deutschen Ärzte so „lethargisch und ignorant“? Sind es die Erfahrungen mit den vielen vergeblichen Versuchen, einen Raucher zur Abstinenz zu bringen, oder wird Rauchen (noch) zu sehr als Ausdruck persönlicher Freiheit verstanden, in die man sich nur ungern einmischen möchte? Wahrscheinlich ist es schlicht nicht opportun, gegen diese Sucht vorzugehen, weil zu viele Systeme von der gegenwärtigen Situation profitieren und die Konsequenzen des Nichtrauchens gefürchtet werden: weniger Umsatz und längeres gesundes Leben.

Literatur

1. Smoking Cessation. A clinical Guidline. from the Federal Agency for Health Care Policy and Research: JAMA 1996, 275, 1270.
2. Statistisches Bundesamt: Gesundheitsbericht 1998. http://www.statistik-bund.de/
3. Focus 2000, 3, 98.
4. Dt. Ärztebl. 2000, 97, B-81.
5. Kaye, L.: Hosp. Med. 1998, 34, 41.
6. Butler, C.C., et al.: Brit. Med. J. 1998, 316, 1878.
7. Henningfield, J.E.: N. Engl. J. Med. 1995, 333, 1196.
8. Hajek, P., et al.: Arch. Intern. Med.: 1999, 159, 2033.
9. Silagy, C., et al.: The Cochrane Library 1999, Issue 3, Oxford: Update Software.
10. Benowitz, N.L.: JAMA 1991, 266, 3174.
11. Joseph, A.M., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 335, 1792.
12. Nurses´ Drug Alert 1999, 23, 65.
13. Hughes, J.R., et al.: Arch. Intern. Med. 1991, 151, 1993.
14. Lancaster, T., et al.: The Cochrane Library 1999, Issue 3, Oxford. Update Software.
15. http://www.martin-bley.de/
16. Hurt, R.D., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 337, 1195.
17. Jorenby, D.E., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 340, 685.
18. Tonnesen, P., et al.: N. Engl. J. Med. 1991, 325, 311.
19. Russel, M.A.H., et al.: Brit. Med. J. 1993, 306, 1308.
20. CEASE-Trial (Collaborative European Anti-Smoking Evaluation): Eur. Respir. J. 1999, 13, 238.
21. Hjalmarson, A.I.M., et al.: JAMA 1984, 252, 2835.
22. Sutherland, G., et al.: Lancet 1992, 340, 324.
23. Tonnesen, P., et al.: JAMA 1993, 269, 1268.

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