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Thrombozytopenie Typ II durch niedermolekulare Heparine bei internistischen Patienten

Wir sind in den vergangenen Jahren wiederholt auf Pathophysiologie, Inzidenz und Klinik der immunologisch vermittelten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT Typ II) eingegangen, da sie im Gegensatz zur HIT Typ I eine schwerwiegende UAW ist und häufig zu lebensbedrohlichen thromboembolischen Komplikationen führt (1-3). Heute werden niedermolekulare Heparine (NMH), u.a. wegen ihres niedrigeren Risikos für die Auslösung einer HIT, zunehmend häufig in der Prophylaxe oder Behandlung thromboembolischer Erkrankungen eingesetzt. Meta-Analysen klinischer Studien bei Patienten, die im Rahmen einer Thromboseprophylaxe bei operativen Eingriffen mit unfraktionierten Heparinen (UFH) oder NMH behandelt wurden, sprechen dafür, dass das Risiko der HIT nach NMH deutlich geringer als nach UFH ist (4). Demgegenüber liegen nur wenige direkte Informationen zur Inzidenz der HIT nach prophylaktischer oder therapeutischer Gabe von NMH bei internistischen Patienten vor. Trotzdem halten kürzlich publizierte Konsensus-Empfehlungen regelmäßige Kontrolluntersuchungen der Thrombozytenwerte nach Gabe von ausschließlich NMH bei internistischen Patienten für nicht erforderlich (5). Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer großen prospektiven Kohortenstudie aus Italien von Interesse (6). In dieser Studie wurden insgesamt 1754 internistische Patienten (mittleres Alter 66 Jahre) hinsichtlich des Auftretens einer HIT nach Gabe von NMH untersucht. Patienten aus insgesamt 17 internistischen Abteilungen wurden zwischen März 2003 und September 2004 in diese Studie eingeschlossen, wobei u.a. folgende Indikationen für die s.c. Gabe von NMH bestanden: Prophylaxe (n = 452) oder Behandlung venöser Thromboembolien (n = 530), Vorhofflimmern (n = 320), Koronare Herzkrankheit (n = 187) oder zerebrovaskuläre Erkrankung (n = 108). Etwa ein Drittel der Patienten war zuvor bereits mit Heparin behandelt worden. Ausgeschlossen wurden u.a. Patienten mit hämatologischen Neoplasien bzw. Patienten unter Bestrahlung oder Chemotherapie sowie solche mit klinischen und/oder laborchemischen Hinweisen für disseminierte intravasale Gerinnung, Sepsis, Hypersplenismus oder schwere Niereninsuffizienz. Die Laboruntersuchungen umfassten regelmäßige Bestimmungen der Thrombozytenwerte (vor Beginn der Gabe von NMH und anschließend alle zwei oder drei Tage) und, bei deutlichem Abfall der Thrombozytenwerte und Ausschluss anderer Ursachen für eine Thrombozytopenie, den Nachweis Heparin-abhängiger Antikörper sowie einen funktionellen Test (Heparin-induzierte Plättchen-Aktivierung, HIPA-Test). Die Bestätigung thromboembolischer Komplikationen erfolgte mit etablierten Untersuchungstechniken wie Ultraschall, Phlebographie, spiralem CT des Thorax oder Pulmonalisangiographie. Eine HIT trat innerhalb der ersten zwei Wochen nach Beginn der NMH-Gabe bei 14 Patienten (0,8%) auf und war insgesamt häufiger bei Patienten, die bereits früher mit Heparin behandelt worden waren (1,7% vs. 0,3%). Zusätzlich starben zwei Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung unerwartet infolge eines Myokardinfarkts und einer Lungenembolie, die vier bzw. 24 Tage nach Beginn der Heparintherapie auftraten und mit einem Abfall der Thrombozytenwerte assoziiert waren. Vier der 14 Patienten (28,6%) hatten klinische Hinweise für symptomatische thromboembolische Komplikationen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten der HIT. Alle diese Patienten hatten zuvor Heparin erhalten. In der Gruppe der Patienten ohne HIT traten bei 41 von 1741 Patienten (2,4%) thromboembolische Komplikationen auf.

Es fanden sich keine eindeutigen Unterschiede in der Häufigkeit der HIT nach NMH zwischen Patienten, die NMH zur Prophylaxe bzw. zur Behandlung venöser Thromboembolien, kardiovaskulärer oder zerebrovaskulärer Ereignisse erhalten hatten. Aufgrund des Designs dieser Kohortenstudie und der unterschiedlichen Patientenzahlen, die mit einem der insgesamt fünf verwendeten NMH behandelt wurden, ist eine valide Aussage zur Häufigkeit der HIT nach verschiedenen NMH nicht möglich. Interessanterweise wurde weder in dieser Studie, noch in einer systematischen Auswertung anderer Studien bei Schwangeren eine HIT durch NMH ausgelöst (7).

Die Häufigkeit der durch NMH bei internistischen Patienten ausgelösten HIT ist vergleichbar mit den Ergebnissen einer 2003 von derselben Arbeitsgruppe publizierten prospektiven Kohortenstudie, in der 598 konsekutive internistische Patienten prophylaktisch oder wegen therapeutischer Indikationen mit s.c. verabreichten UFH behandelt worden waren und fünf Patienten (0,8%) eine HIT entwickelten (8).

Fazit: HIT Typ II und dadurch ausgelöste thromboembolische Komplikationen treten bei internistischen Patienten auch nach Gabe von NMH relativ häufig auf, insbesondere, wenn diese Patienten zuvor Heparin erhalten haben. Deutliche Unterschiede in der Inzidenz der HIT bei internistischen Patienten zwischen NMH und UFH sind in prospektiven Kohortenstudien nicht erkennbar. Auch nach Gabe von NMH sollten deshalb bei internistischen Patienten, zumindest in den ersten 14 Tagen der Therapie, Laboruntersuchungen (Bestimmung der Thrombozytenwerte, bei Thrombozytenabfall unter 50% des Ausgangswerts Nachweis spezifischer Antikörper mittels z.B. Enzymimmunoassays und/oder funktioneller Tests) zur frühzeitigen Erkennung und ggf. raschen Behandlung der HIT durchgeführt werden.

Literatur

  1. AMB 2003, , 36a.
  2. AMB 2001, 35, 36a.
  3. AMB 1997, 31, 16.
  4. Martel, N., et al.: Blood 2005, 106, 2710.
  5. Warkentin, T.E., und Greinacher, A.: Chest 2004, 126 Suppl. 3, 311S.
  6. Prandoni, P., et al. (BELZONI-Studie): Blood 2005, 106, 3049.
  7. Greer, I.A., und Nelson-Piercy, C.: Blood 2005, 106, 401.
  8. Girolami, B., et al.: Blood 2003, 101, 2955.