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Neue Studien zur Wirksamkeit von hochdosiertem Dexamethason in der initialen Behandlung der immunthrombozytopenischen Purpura

Die Diagnose der immunthrombozytopenischen Purpura (ITP), einer Autoimmunerkrankung mit persistierender Thrombozytopenie (Thrombozyten im peripheren Blut < 150 x 109/l), basiert auf dem Ausschluss anderer Ursachen für eine Thrombozytopenie, der Anamnese (z.B. Frage nach der Einnahme von Arzneimitteln), der körperlichen Untersuchung, dem Blutbild und der mikroskopischen Beurteilung des Blutausstrichs (1, 2). Bei Thrombozytenwerten ≤ 30 x 109/l ist eine medikamentöse Behandlung indiziert, die initial mit Glukokortikosteroiden (z.B. Prednisolon 1 mg/kg Körpergewicht für 2-4 Wochen und anschließend ausschleichender Dosierung) durchgeführt werden sollte. Durch diese Therapie können bei 50%-75% aller Patienten zunächst Remissionen erzielt werden (2), wobei jedoch das langfristige Ansprechen ohne weitere Therapie nur etwa 10%-25% beträgt. Um bei klinischer Notwendigkeit (z.B. starke Blutungsneigung, Operationen, Entbindung) die Thrombozytenwerte rasch anzuheben, kommt eine Gabe von intravenösen Immunglobulinen (ivIg, z.B. Infusion von 1 g/kg Körpergewicht/d über 1-2 Tage) in Betracht (1, 2). Randomisierte klinische Studien zur initialen Behandlung der ITP oder zum Vorgehen bei Rezidiv liegen leider nicht vor.

Seit 1994 wurde in der initialen Behandlung der ITP auch die Wirksamkeit von hoch dosiertem Dexamethason zunächst in einer kleinen Fallserie und später in größeren Kohortenstudien untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien waren allerdings widersprüchlich (3). Italienische Hämatologen berichteten jetzt über ihre Erfahrungen mit hoch dosiertem Dexamethason in zwei prospektiven, unkontrollierten Pilotstudien (4). Ziel beider Studien war es, Wirksamkeit, Sicherheit und Compliance dieser Therapiestrategie zu ermitteln. In einer monozentrischen Studie wurden 37 Patienten (Alter: ≥ 20 bis ≤ 65 Jahre) mit sechs Zyklen hoch dosiertem Dexamethason (40 mg/d i.v. über vier Tage, Wiederholung nach 28 Tagen) behandelt. Die Ansprechrate, definiert als Anstieg der Thrombozyten auf Werte ≥ 150 x 109/l (komplette Remission = CR) oder ≥ 50 x 109/l (partielle Remission = PR), lag bei 62,2% bzw. 21,6%. Vier Patienten (10,8%) sprachen nicht auf die Behandlung an. 18 Patienten (48,6%) beendeten die Therapie mit Dexamethason vorzeitig, vorwiegend wegen schlechter Compliance. 15 Monate nach Beginn der Behandlung waren 90% der Patienten und nach 50 Monaten 58% ohne Rückfall. Dabei bestand kein Unterschied zwischen den Patienten, die nur drei Zyklen oder alle sechs geplanten Zyklen erhalten hatten.

In einer anschließenden multizentrischen Kohortenstudie der GIMEMA (4) erhielten insgesamt 95 Patienten (Alter: ≥ 2 bis ≤ 70 Jahre; Kinder und Jugendliche < 18 Jahre, n = 42 ) vier Zyklen hoch dosiert Dexamethason (per os oder i.v.) im Abstand von 14 Tagen. Die Therapiedauer wurde wegen der schlechten Compliance in der ersten Studie verkürzt. Das Ansprechen lag bei Patienten unter 18 Jahren bei 85,7% und war fast identisch mit dem der Erwachsenen (85,4%). 89% der Patienten zeigten nach dem dritten Zyklus und 85,6% nach dem vierten Zyklus ein Ansprechen auf hoch dosiertes Dexamethason. Ähnlich wie bei den Ergebnissen der monozentrischen Studie lag der Prozentsatz der Patienten ohne Rückfall 15 Monate nach Beginn der Therapie bei 81%.

Die Behandlung mit hoch dosiertem Dexamethason wurde in beiden Studien gut vertragen. In der monozentrischen Studie wurden fünf nicht schwere unerwünschte Ereignisse beobachtet (Bluthochdruck, Angst, Magenbeschwerden, Katarakt, Bronchopneumonie), die jedoch zum Abbruch der Behandlung führten. Während der Therapie traten keine Blutungskomplikationen auf. In der multizentrischen Studie kam es nur zu zwei unerwünschten Ereignissen bei erwachsenen Patienten (Bluthochdruck, Magenbeschwerden). Eine notfallmäßige Therapie der Thrombozytopenie, z. B. Transfusion von Thrombozytenkonzentraten oder Gabe von ivIg, war in beiden Studien nicht erforderlich.

Es liegen somit inzwischen Ergebnisse von mehr als 250 Patienten mit ITP vor, die mit hoch dosiertem Dexamethason (einmalige Gabe oder mehrere Zyklen) behandelt wurden. Der Vergleich der GIMEMA-Daten (Rezidivrate 22%) mit den Ergebnissen der 2003 publizierten Kohortenstudie aus Hongkong (Rezidivrate 50%) spricht für eine Überlegenheit der mehrmaligen Gabe von Dexamethason (3-5). Konsequenterweise plant die GIMEMA jetzt einen randomisierten Vergleich zwischen der derzeitigen Standardtherapie (Prednison 1 mg/kg Körpergewicht/d) und drei Zyklen hoch dosiertem Dexamethason.

Fazit: Drei bis vier Zyklen hoch dosiertes Dexamethason sind eine wirksame und gut verträgliche Therapieoption bei initialer Behandlung der immunthrombozytopenischen Purpura. Ob hoch dosiertes Dexamethason der derzeitigen Standardtherapie (Prednisolon 2-4 Wochen lang) überlegen ist, müssen die Ergebnisse randomisierter klinischer Studien zeigen.

Literatur

  1. Cines, D.B., und Blanchette, V.S.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 995. Link zur Quelle
  2. British Committee for Standards in Haematology General Haematology Task Force: Br. J. Haematol. 2003, 120, 574. Link zur Quelle
  3. AMB 2003, 37, 85a. Link zur Quelle
  4. Mazzucconi, M.G., et al. (GIMEMA = Gruppo Italiano Malattie EMatologiche dell‘Adulto) Thrombocytopenia Working Party Blood 2007, 109, 1401. 17077333 Link zur Quelle
  5. Cheng, Y., et al.: N. Engl. J. Med. 2003, 349, 831. 12944568 Link zur Quelle