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Häufigkeit von Thrombosen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Venöse Thrombosen mit oder ohne Thromboembolie sind extraintestinale Manifestationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) und führen zu erhöhter Morbidität und Letalität (1). Populations- und Krankenhaus-basierte Studien zeigen, dass Patienten mit CED gegenüber anderen Patienten ein 2-3fach höheres Risiko für venöse Thrombosen haben (2, 3). In diesen Studien gab es Hinweise, dass bis zu 80% dieser Ereignisse während der akuten Schübe einer CED auftraten; allerdings wurde dies bisher nicht systematisch untersucht. In einer kürzlich im Lancet publizierten Studie wurde jetzt dieser Frage anhand einer großen Kohortenstudie genauer nachgegangen (4).

Die Studie wurde auf der Basis von Daten aus einem Register (General Practice Database) in Großbritannien durchgeführt. Von 1987 bis 2001 verfolgte man 13 756 Patienten mit CED und ordnete jedem bis zu fünf (insgesamt 71 672) Kontroll-Patienten gleichen Alters und Geschlechts zu, die auch hinsichtlich anderer Risikofaktoren ähnlich waren (Raucherstatus, Gewicht, Tumorerkrankung oder Thrombosen in der Vorgeschichte). Ein Schub der CED wurde über eine neue Verordnung von Kortikosteroiden identifiziert. Der Zeitraum des Schubs wurde mit 120 Tagen festgelegt. Es wurde eine Cox-Regressionsanalyse angewendet, um variierende Kofaktoren im Status der CED und außerdem die Höhe des Risikos für Thrombosen nach Entlassung aus dem Krankenhaus zu erfassen. Patienten, die wegen anderer Krankheiten, z.B. Asthma, rheumatoide Erkrankungen etc., systemisch Steroide benötigten, wurden nicht in die Studie aufgenommen. Von den Patienten mit CED hatten 6765 eine Colitis ulcerosa und 4835 einen Morbus Crohn; der Rest konnte nicht klar einer der beiden Erkrankungen zugeordnet werden. Die Studie wurde von der nationalen Gesellschaft für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn finanziert.

Von den 13 756 CED-Patienten entwickelten im Studienzeitraum 139 und von den 71 672 Kontrollen 165 eine venöse Thrombose. Hieraus ergab sich ein generell erhöhtes Thromboserisiko für Patienten mit CED im Vergleich zu Kontrollen (Hazard ratio: 3,4; CI: 2,7-4,3; p < 0,0001; absolutes Risiko 2,6/1000 Personenjahre). Interessant ist, dass im Zeitraum eines Schubs das Risiko deutlich auf 9/1000 Personenjahre anstieg. Viel wichtiger ist aber, dass das Thromboserisiko der CED-Patienten dann am größten war, wenn sie nach der Behandlung eines Schubs aus dem Krankenhaus entlassen waren (6,4/1000 Personenjahre während des Schubs im Krankenhaus und 37,5/1000 Personenjahre nach der Entlassung; p = 0,0006).

Da diese Studie populationsbasiert ist und auch eine ausreichende „statistische Power” hat, können diese Daten, zumindest für Großbritannien, verallgemeinert und wahrscheinlich auch auf andere Industrieländer übertragen werden. Eine der wenigen Schwächen dieser Studie liegt im System der Datenerfassung. Die Untersucher hatten keinen direkten Zugang zu den Patienten und mussten sich auf die Eingaben der Hausärzte hinsichtlich der Diagnosen und Behandlungen verlassen. Eine weitere mögliche Einflussgröße könnte sein, dass die Hausärzte bei Patienten mit CED verstärkt auf eine Thrombose geachtet und so die Diagnose häufiger gestellt haben. Dies würde aber nicht den Anstieg im Schub und nach Entlassung aus dem Krankenhaus erklären. Eine Abschätzung der möglicherweise erhöhten Letalität aufgrund der thrombotischen Ereignisse bei CED-Patienten war in dieser Studie nicht möglich, da die Daten keine Unterscheidung zwischen Tod durch die CED oder durch Thrombosekomplikationen zuließen. Insgesamt erscheinen die Ergebnisse aber glaubwürdig und plausibel, da jede aktive Entzündung das Thromboserisiko erhöht und eine Thromboseprophylaxe bei/nach der Entlassung aus dem Krankenhaus meist eingestellt wird.

Fazit: Die Studie gibt Anlass darüber nachzudenken und genauer zu untersuchen, ob bei Patienten mit einem Schub einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung eine Therapie mit Antikoagulanzien, z.B. mit niedermolekularem Heparin, bis zum Abklingen der Entzündungsaktivität sinnvoll ist. Allerdings gibt es zur Blutungshäufigkeit bei diesen Patienten bisher kaum Daten.

Literatur

  1. Solem, C.A., et al.: Am. J. Gastroenterol. 2004, 99, 97. Link zur Quelle
  2. Bernstein, C.N., et al.: Thromb. Haemost. 2001, 85, 430. Link zur Quelle
  3. Nguyen, G.C., und Sam, J.: Am. J. Gastroenterol. 2008, 103, 2272. Link zur Quelle
  4. Grainge, M.J., et al.: Lancet 2010, 375, 657. Link zur Quelle