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Der Arzneiverordnungs-Report 2014

Kürzlich ist – wie alljährlich – der Arzneiverordnungs-Report (AVR) erschienen (1, vgl. auch 2). Es ist die nunmehr 30. Ausgabe. Der AVR 2014 analysiert 819 Mio. kassenärztliche Arzneimittelverordnungen von 202.965 Vertragsärzten aus dem Jahr 2013 und basiert auf Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Durch die langjährige systematische Erfassung der Verordnungen ist der AVR eine einzigartige und unabhängige Informationsquelle, nicht nur für den Status quo der Arzneimitteltherapie in Deutschland, sondern auch für die ständigen Veränderungen hinsichtlich Art und Verordnungshäufigkeit der Arzneistoffe sowie den Auswirkungen gesetzlicher Regelungen des Arzneimittelmarkts (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz = AMNOG; vgl. 2, 3). Ein besonderer Schwerpunkt des AVR und traditioneller Streitpunkt mit den pharmazeutischen Unternehmern ist die Errechnung und Darstellung der Kosten – auch im internationalen Vergleich – und die möglichen Einsparpotenziale durch Verordnung preisgünstiger Präparate, z.B. Generika. Wir können in dieser Kleinen Mitteilung nur auf einige wichtige Daten und Aspekte eingehen.

Im Jahr 2013 wurden 27 (im Vorjahr 22) Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen, drei davon als Orphan drugs. Der Nutzen von 20 neuen Wirkstoffen wurde vom G-BA nach § 35a SGBV bewertet. Nur zehn Wirkstoffen wurde ein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie attestiert (1).

Das Verordnungsvolumen von Generika ist 2013 erneut gestiegen; es hat sich seit 2004 etwa verdoppelt und betrug im Jahr 30,5 Mrd. Tagesdosen (DDD = Defined Daily Dose) am Gesamtmarkt von 38,3 Mrd. DDD. Das Verordnungsvolumen patentgeschützter Arzneimittel blieb mit 3,4 Mrd. DDD fast konstant.

Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel betrugen im Jahr 2013 insgesamt 32,11 Mrd. €, ein Anstieg um 982 Mio. € (= 3,2%) gegenüber dem Vorjahr. Die Gesamtausgaben der GKV sind um 4,4% auf 198,07 Mrd. € gestiegen (einschließlich der Zuzahlungen der Versicherten). Der Anteil der Arzneimittelausgaben von 16,2% ist in den letzten Jahren etwa konstant geblieben. Nun wird darüber gestritten, ob sich die Kostenschraube weiter nach oben dreht, wie in der Pressemitteilung des Springer-Verlags formuliert und wie es sich im ersten Halbjahr 2014 aus verschiedenen Gründen deutlich abzeichnet (4) oder ob es sich um „Das Märchen von der Kostenexplosion“ handelt (Pressemitteilung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V.; 5). Man wird an die Zahleninterpretation von Politikern verschiedener Parteien an Wahlabenden erinnert.

Die Arzneimittelkosten (+3,2%) sind 2013 stärker gestiegen als das Verordnungsvolumen (+2,1%), berechnet nach DDD. Dies ist ein Hinweis auf gestiegene Tagestherapiekosten der verordneten Arzneimittel.

Zu den am häufigsten verordneten Wirkstoff-Gruppen gehören (jeweils in Mio.): Angiotensinhemmstoffe (54,8), Psychoanaleptika/Psycholeptika (zusammen 47,0), Antibiotika (42,2), Antiphlogistika/Antirheumatika (41,6), Betarezeptoren-Blocker (39,8), Analgetika (39,7), Ulkustherapeutika (31,3), Antidiabetika (29,4), Antiasthmatika (25,7), Schilddrüsentherapeutika (24,8), Diuretika (21,4), Antithrombotische Mittel (19,6), Lipidsenker (19,5) und Kalziumantagonisten (18,5).

Bemerkenswert ist die häufige Verordnung von Husten- und Erkältungspräparaten (13,4), Rhinologika (11,4), Vitaminen (4,0), Laxanzien (3,0) und Mineralstoffen (2,8).

Hohe Nettokosten verursachten folgende Wirkstoff-Gruppen (jeweils in Mio. €): Antidiabetika (1956,6), Psychoanaleptika/Psycholeptika (zusammen 1947,1), Angiotensinhemmstoffe (1721,4), Antiasthmatika (1555,3) und Antithrombotische Mittel (1150,1). Mit 4,4 Mrd. € Bruttokosten stehen jedoch Onkologika mit großem Abstand an der Spitze mit einem Anteil von 12,1% am gesamten GKV-Arzneimittelmarkt. Die Kosten werden besonders durch monoklonale Antikörper (1,4 Mrd.), Proteinkinase-Inhibitoren und Hormonantagonisten (Behandlung des Mamma- und Prostatakarzinoms) verursacht. Auf klassische Zytostatika, wie Mitosehemmstoffe, Antimetabolite und Alkylanzien, entfielen weit geringere Kosten, obwohl ihre DDD-Volumina teilweise erheblich höher lagen. Die hohen Therapiekosten einiger Onkologika (Trastuzumab, Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab) stehen in keinem plausiblen Verhältnis zu der eher geringen Verlängerung des Gesamt- bzw. progressionsfreien Überlebens und/oder einer Verbesserung der von Patienten berichteten Symptome („Patient-Reported Outcomes“; vgl. 1, 4).

Auch die sog. Umstrittenen Arzneimittel wurden im AVR 2014 wieder erfasst, d.h. Arzneimittel, deren therapeutische Wirksamkeit in nicht ausreichendem Maß durch kontrollierte klinische Studien nachgewiesen ist. Das Verordnungsvolumen ist seit 1992 ständig zurückgegangen und die Kosten sind von seinerzeit 5,1 Mrd. € auf 0,7 Mrd. € zurückgegangen.

Bei den Arzneimittelkosten sehen die Herausgeber des AVR auch künftig weitere Einsparpotenziale, bei den patentgeschützten Arzneimitteln sogar größere als zuvor (4):

  • Patentgeschützte Arzneimittel 2,0 Mrd. € (Vorjahr 1,2 Mrd. €),
  • Biosimilars 57 Mio. € (Vorjahr 39 Mio. €),
  • Analogpräparate 2,4 Mrd. € (Vorjahr 2,5 Mrd. €),
  • Umstrittene Arzneimittel 510 Mio. € (Vorjahr 513 Mio. €).

Generika wurden dabei nicht berücksichtigt, denn die freiwilligen Rabattzahlungen der pharmazeutischen Unternehmer (3,0 Mrd. €) liegen inzwischen schon doppelt so hoch wie die von den Herausgebern errechneten Einsparpotenziale bei Generika (1,5 Mrd. €). Die Herausgeber des AVR sehen dies als weiteren Beleg dafür, dass die „überhöhten deutschen Arzneimittelpreise nur durch internationale Preisvergleiche und Ausschreibungen an das europäische Niveau angepasst werden können“ (vgl. auch 6). Dass die Arzneimittel des Bestandsmarkts (Zulassung vor dem 1.1.2011) nach dem 14. SGB V-Änderungsgesetz (Beschluss des Bundestags vom März 2014) jetzt nicht mehr weiter hinsichtlich ihres Zusatznutzens vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet werden, sehen sie als verpasste Möglichkeit, bei patentgeschützten Arzneimitteln Einsparpotenziale zu realisieren. Wir bewerten diese Änderung aber auch qualitativ für einen Rückschritt, denn eine systematische Nutzenbewertung aller bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimittel halten wir im Sinne einer hochwertigen und rationalen Arzneimittelversorgung für unentbehrlich (vgl. 7).

Literatur

  1. Schwabe, U., undPaffrath, D. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2014. Springer-Verlag BerlinHeidelberg, 2014.
  2. AMB 2013, 47,72DB01. Link zur Quelle
  3. AMB 2010, 44,89 Link zur Quelle . AMB 2011, 45, 80b. Link zur Quelle
  4. http://www.springerfachmedien-medizin.de/…Link zur Quelle
  5. http://www.bpi.de/presse/pressemitteilungen/das-maerchen-von-der-kostenexplosion/ Link zur Quelle
  6. AMB 2008, 42,25 Link zur Quelle . AMB 2008, 42, 65 Link zur Quelle . AMB 2010, 44,25 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 64DB01. Link zur Quelle