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Der Physician Payment Sunshine Act in den USA – erste Ergebnisse

Hat mein Arzt Geld von pharmazeutischen Unternehmern (pU) angenommen? Wenn ja, wieviel? Seit dem 30. September 2014 können Patienten und andere Interessierte diese Frage für alle Ärzte mit einer US-amerikanischen Zulassung recherchieren, im Rahmen des „Open payments“-Programms.

Grundlage ist der „Physician Payment Sunshine Act“, ein 2012 in den USA verabschiedetes Gesetz, das darauf abzielt, die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen Ärzten, Lehrkrankenhäusern und Unternehmen zu verbessern (1, vgl. 2). Die Meldepflicht besteht für alle Hersteller von Arzneimitteln, Medizinprodukten und anderem biologischen oder medizinischen Zubehör, die von den öffentlichen US-amerikanischen Krankenversicherungen erstattet werden. Sie erstreckt sich grundsätzlich auf alle Geldzahlungen oder Zuwendungen von Wert ab 10 US-$ – also beispielsweise Berater- und Vortragshonorare, Gelder für Forschung und Lehre, Reise- und Bewirtungskosten, Geschenke, Aktien, Dividenden, Lizenzgebühren – für Ärzte (Ausnahme: Assistenzärzte in Krankenhäusern), andere Gesundheitsberufe (Ausnahmen: Pflegekräfte und Pharmazeuten) und Lehrkrankenhäuser (3-5). Die Geldzahlungen und anderen Zuwendungen werden in drei Kategorien unterteilt: allgemeine Zahlungen, Zahlungen für Forschungsprojekte und Zahlen für Beteiligungen (z.B. an Gesellschaften). Nur wenige Ausnahmen sind definiert, darunter Zahlungen unter 10 US-$, wenn sie insgesamt 100 US-$ pro Jahr nicht überschreiten, unverkäufliche Arzneimittelmuster und Fortbildungsmaterialien für Patienten.

Die Unternehmen melden an das „Centers for Medicare & Medicaid services“ (CMS). Die Daten werden dort gesammelt und jährlich auf einer Website veröffentlicht (3). Ärzte müssen nicht aktiv werden. Es wird ihnen jedoch empfohlen, die Angaben zu überprüfen (z.B. anhand einer kostenlosen Mobile App: „Open Payments Mobile“; 4). Veröffentlicht wird die Höhe und Art der Zahlung bzw. des geldwerten Vorteils, der Name, die Adresse und die Fachrichtung des Empfängers, der Name des Unternehmens, das Datum der Zahlung und die Kategorie der Zahlung (allgemein, Forschung, Besitz). Unterlässt ein Unternehmen eine Meldung, werden Bußgelder fällig: 1.000-10.000 US-$ pro Zahlung, insgesamt bis zu 150.000 US-$ pro Jahr, bei Vorsatz 10.000-100.000 US-$ pro Zahlung, insgesamt bis zu 1.000.000 US-$ pro Jahr.

Trotz einer Reihe technischer Probleme im Vorfeld wurde die Website des CMS am 30. September 2014 freigeschaltet. Dokumentiert sind dort (3, 4): ungefähr 4,4 Mio. Zahlungen mit einem Wert von insgesamt ca. 3,5 Mrd. US-$ an 546.000 Ärzte und 1.360 Lehrkrankenhäuser in den letzten fünf Monaten des Jahres 2013. Annähernd 40% der Datensätze wurden wegen Unklarheiten vorläufig anonymisiert. Ab Juni nächsten Jahres wird aber auf jeden Fall auch die Namen dieser Empfänger genannt (4).

Was zeigt eine erste Auswertung der veröffentlichten Daten? Die fünf Unternehmen, die am meisten an Ärzte und Lehrkrankenhäuser zahlten, sind: Genentech, DePuy Synthes Sales, Pfizer, Zimmer Holding und Astra Zeneca (4). Genentech zahlte insgesamt 130.065.011 US-$ und die größte Einzelzahlung betrug 9.645.117 US-$. Die Arzneimittel, die am häufigsten im Zusammenhang mit den Zahlungen genannt wurden, sind Bevacizumab (Avastin®, insgesamt 17.358.839,86 US-$), Ranibizumab (Lucentis®, 15.239466,05 US-$), Trastuzumab (Herceptin®, 14.879.582,80 US-$), Rituximab (in den USA Rituxan®, in D MabThera®, 8.703.093,13 US-$) und Ticagrelor (in den USA Brilinta®, in D Brilique®, 6.525.865,73 US-$). Wenn Lizenzgebühren nicht berücksichtigt werden, ändert sich die Liste. An der Spitze stehen dann Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ticagrelor (6.525.865,73 US-$), Lurasidon (Latuda®, 5.782.168,79 US-$), Canagliflozin (Invokana®, 4.645.430,79 US-$), Rivaroxaban (Xarelto®, 4.179.817,93 US-$) und Apixaban (Eliquis®, 4.133.245,33 US-$). In der Orthopädie wurde am häufigsten und am meisten gezahlt, gefolgt von der Inneren Medizin bzw. der Gynäkologie/Geburtshilfe. Auch die fünf Ärzte, die die höchsten Zahlungen erhielten, sind Orthopäden. Der Spitzenverdiener erhielt 7.352.787,57 US-$, das meiste als Lizenz- oder Patentgebühr.

Die Umsetzung des „Physician Payment Sunshine Act“ in den USA ist ein erster, wichtiger Schritt, um kommerzielle Interessenkonflikte transparent zu machen. Nächstes Ziel muss es jedoch sein, schädliche Einflüsse dieser Interessenkonflikte auf ärztliche Entscheidungen zu eliminieren oder zumindest zu reduzieren (5-7).

Auch in Deutschland wird der Öffentlichkeit bald Einblick in finanzielle Interessenkonflikte zwischen Ärzteschaft und Industrie gewährt. Der Transparenzkodex des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA) ist in Deutschland seit dem 30. Mai 2014 in Kraft (8). Danach werden Mitgliedsunternehmen des FSA ab 2016 geldwerte Zuwendungen an Ärzte und weitere Angehörige der medizinischen Heilberufe veröffentlichen. Grundlage des FSA-Transparenzkodex sind die vom europäischen Dachverband der forschenden pU (EPFIA) im Juni 2013 festgelegten Standards. Sie wurden vom FSA in einen nationalen Kodex für Deutschland überführt. Meldepflicht besteht für alle Geldzahlungen und Zuwendungen von Wert an Angehörige der Fachkreise oder Organisationen des Gesundheitswesens aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Spenden und Zuwendungen, Sponsoring und andere finanzielle Förderungen, Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen sowie Dienstleistungs- und Beratungshonorare. Die Mitgliedsunternehmen werden die Informationen voraussichtlich auf ihren Homepages veröffentlichen, also nicht auf einer zentralen Website wie in den USA. Ärzte müssen der Veröffentlichung zustimmen. Grundsätzlich ist eine individuelle Veröffentlichung unter namentlicher Nennung des Empfängers und Angabe seiner Geschäftsadresse geplant. Gibt ein Zuwendungsempfänger seine Zustimmung zur Veröffentlichung jedoch nicht, soll sie in einer zusammengefassten Form ohne Nennung des Namens erfolgen. Dies ist auch bei Zuwendungen im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung geplant. Darunter fallen auch Anwendungsbeobachtungen. Wenn Unternehmen gegen die Regeln verstoßen, kann die Schiedsstelle des FSA Geldstrafen bis zu 400.000 € verhängen.

Fazit: Die Zusammenarbeit von Ärzten mit der Industrie ist seit langem etabliert. Sie liegt grundsätzlich im Interesse einer guten Gesundheitsversorgung und trägt vielfach zu einer Mehrung des Wissens bei – beispielsweise bei der Entwicklung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte. Häufig dienen die Interaktionen zwischen Ärzten und Industrie jedoch eher dem Marketing als der Wissenschaft und beeinflussen Ärzte in ihren Entscheidungen. DER ARZNEIMITTELBRIEF begrüßt deshalb grundsätzlich die größere Transparenz hinsichtlich kommerzieller Interessenkonflikte, die hoffentlich das Vertrauen der Patienten stärkt in die Seriosität medizinischer Informationen und Integrität der sie behandelnden Ärzte. Noch wichtiger als Transparenz ist jedoch der korrekte Umgang mit Interessenkonflikten in allen Bereichen der Medizin (z.B. Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Leitlinien; 9). Hierfür benötigen wir klare Regeln, wie sie beispielsweise von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft aufgestellt wurden (10).

Literatur

  1. http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c111:S.301: Link zur Quelle
  2. Steinbrook, R.: N. Engl. J. Med. 2008, 359, 559 Link zur Quelle.AMB2012, 46, 16b. Link zur Quelle
  3. http://www.cms.gov/openpayments/ Link zur Quelle
  4. Jarvies, D., et al.: BMJ 2014, 349, g6003. Link zur Quelle
  5. Lauer, C., et al.: AMWAJournal 2012, 27, 7.
  6. Merino, J.G.: BMJ 2013, 347,f4828 Link zur Quelle. ErratumBMJ 2013, 347, f4899.
  7. Wilson, M.: Open Med. 2014, 8, e10. Link zur Quelle
  8. http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/… Link zur Quelle
  9. Lo, B., und Field, M.J. (Hrsg.): Conflict of interest inmedical research, education, and practice. 1. Aufl., National Academies Press, Washington DC, 2009. Link zur Quelle
  10. http://www.akdae.de/Kommission/…Link zur Quelle