Die sekundäre Prävention nach Myokardinfarkt oder Schlaganfall mit einem Statin ist allgemein akzeptiert. Auch bei Personen, bei denen keine kardiovaskulären Erkrankungen bekannt sind, die also ein niedrigeres Erkrankungsrisiko haben, wirken Statine protektiv, wenn auch absolut in geringerem Maße (Primärprävention; 1, 2). Ganz allgemein gilt der Grundsatz: je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto größer ist die absolute Effektivität. Das Risiko kann mit sog. Risikorechnern abgeschätzt werden (3-7). Diese Rechenprogramme berücksichtigen zwar auch das Geschlecht, können aber keine Auskunft darüber geben, ob Statine bei Frauen gleich stark protektiv wirken wie bei Männern, speziell in der Primärprävention. Ergebnisse aus Studien zu dieser Frage sind zum Teil widersprüchlich (8-12), wohl auch deshalb, weil Frauen in allen großen Interventionsstudien unterrepräsentiert waren und kardiologische Studien selten nach Geschlechtern getrennt ausgewertet wurden (13). Die Cholesterol Treatment Trialists’ collaborators (vgl. 1) – die Arbeit dieser Gruppe hat auch die neue US-amerikanische Leitlinie zur Cholesterinsenkung stark beeinflusst (vgl. 6, 7) – haben nun untersucht, ob die Therapie mit Statinen bei Frauen klinisch ähnlich wirksam ist wie bei Männern, und zwar sowohl in der primären wie in der sekundären Prävention (14).
Methodik: In diese statistisch aufwändige und komplizierte Metaanalyse wurden die individuellen (!) Patientendaten aus 27 Studien einbezogen, davon 22 mit Statin vs. Kontrolle (n = 134.537) und fünf Studien mit Statin normal vs. hoch dosiert (n = 39.612). Von den insgesamt 174.149 Teilnehmern waren 46.675 Frauen (27%). Ausgewertet (Intention-to-treat) wurde die Häufigkeit größerer vaskulärer Ereignisse, größerer koronarer Ereignisse (nicht tödlicher Myokardinfarkt oder koronarer Tod), koronare Revaskularisationen (Angioplastie oder Bypassoperationen), Schlaganfälle (ischämische oder hämorrhagische), Karzinome sowie die Letalität (nach Ursachen). Die Ergebnisse wurden auf die Senkung des LDL-Cholesterins um 1,0 mmol/l (38 mg/dl) bezogen und mit einem statistischen Modell (Cox-Modell) verglichen, das nur für die nicht geschlechtsbezogenen Unterschiede adjustierte. Außerdem wurden alle Daten der Teilnehmer(innen) auch separat in vier Risikoklassen ausgewertet: 5-Jahresrisiko für ein großes vaskuläres Ereignis < 10%, 10 bis < 20%, 20 bis < 30%, ≥ 30%.
Wichtigste Ergebnisse: In den ausgewerteten Studien hatten die Frauen generell ein geringeres kardiovaskuläres Risiko als die Männer. Die proportionale Reduktion großer vaskulärer Ereignisse insgesamt (pro 1,0 mmol/l Senkung des LDL-Cholesterins) war bei Frauen und Männern gleich (Rate ratio = RR: 0,84; 99%-Konfidenzintervall = CI: 0,78-0,91 bzw. 0,78; 0,75-0,81). Dies traf auch zu in der niedrigsten Risikoklasse (s.o.). Bei Auswertung der vaskulären Ereignisse im Einzelnen gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen Frauen und Männern hinsichtlich der protektiven Wirksamkeit der Statine.
Die Inzidenz von Krebserkrankungen sowie die nicht-kardiovaskuläre Letalität wurden durch die Behandlung mit Statinen nicht beeinflusst, und es gab in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Die Gesamtletalität (alle Ursachen) wurde gesenkt, war aber ebenfalls nicht unterschiedlich zwischen den Geschlechtern: RR Frauen: 0,91; CI: 0,84-0,99; RR Männer: 0,90; CI: 0,86-0,95. Ähnlich waren die Ergebnisse bei der vaskulären Letalität: RR Frauen: 0,92; CI: 0,82-1,03; RR Männer: 0,87; CI: 0,82-0,92.
Diskussion: Sind durch die Ergebnisse dieser wichtigen Studie, dass nämlich Statine bei Frauen und Männern offenbar gleich stark wirken, nun alle Fragen zur Behandlung mit Statinen gelöst? In einem begleitenden Kommentar weist Frau Lori Mosca, ehemals federführend im American Heart Association guidelines committee, zu Recht darauf hin, dass es möglicherweise doch Geschlechtsunterschiede geben könnte, z.B. bei der Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen der Statine, hinsichtlich der Interaktionen mit anderen Arzneimitteln und auch bei der Adhärenz. Das Hauptziel sei jedoch „den Krieg gegen kardiovaskuläre Krankheiten zu gewinnen“, wobei es gelte, eine Untertherapie von Patienten mit hohem Risiko und eine Übertherapie bei geringem Risiko in der primären Prävention zu vermeiden (15). Unsere Bedenken hinsichtlich der Nachteile einer Übertherapie haben wir bei der kritischen Besprechung der neuen US-amerikanischen Leitlinien zur Indikation von Statinen geäußert (7).
Fazit: Nach den Ergebnissen dieser Studie sind Statine bei Frauen und Männern gleich stark wirksam sowohl in der primären wie in der sekundären Prävention großer vaskulärer Ereignisse. Dies gilt für den gesamten Bereich des errechneten individuellen kardiovaskulären Risikos.
Literatur
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